Der Ausblick vom firmeneigenen Balkon ist grandios: Weit unten rauscht der Stadtverkehr über die Hamburger Willy-Brandt-Straße, rechts ragt der Turm der Michaelis-Kirche in den grauen Himmel, der Hafen ist ganz nah. Im siebten Stock liegen die Räume des jungen Internetunternehmens "Whyownit", gegründet im Sommer 2012, von Philipp Gloeckler:
"Die Idee ist im Urlaub entstanden. Der Hintergrund ist ein ganz einfacher: Ich habe mich seit Jahren mit nachhaltigen Produkten und Produktion beschäftigt. Und mit Internetthemen. Und dann lag irgendwie auf der Hand, dass ich gerne wissen würde, was meine Freunde so für Produkte haben, haben möchten und gut finden. Und mit der Idee sind wir dann zurück nach Hamburg gekommen und haben dann angefangen, damit ein bisschen rumzuspielen."
Beim Spielen rausgekommen ist dann die Smartphone-App für "Whyownit". Leihen, nicht kaufen – das ist die einfache Idee dahinter, erklärt der 28-jährige Unternehmer. Erfahrung gesammelt mit alternativen Internetportalen hat Gloeckler beim Aufbau des "Avocado Stores". Zusammen mit Stephan Uhrenbacher konzipierte er die Plattform, auf der nachhaltige Produkte gehandelt werden. Dafür bekamen Gloeckler und Uhrenbacher vor drei Jahren den Gründerpreis der Zeitschrift "Wirtschaftswoche".
Auf „Whyownit“ wird anders als im Avocado Store aber eben kein Handel getrieben, sondern verliehen. Gloeckler erzählt, welche Produkte am häufigsten angeboten werden:
"Bohrmaschine, Bücher, Gadgets. Nagellack, Geld, Haustiere, Sportequipment. Nagellack hätten wir auch nie gedacht. Es gibt halt Menschen, Mädels, die zu viel Nagellack haben und die gerne untereinander austauschen, bevor er austrocknet. Und da man unsere App relativ frei nutzen kann für alles, findet man immer verschiedene neue Anekdoten, von denen wir nie geahnt hätten, dass sie benutzt werden."
Wie beim Avocado Store steht für Gloeckler auch bei "Whyownit" die Idee der nachhaltigkeit im Mittelpunkt. Das Portal kann helfen, die Auswüchse der Wegwerfgesellschaft immerhin ein klein wenig zu bekämpfen:
"Was auch ein Punkt ist, den wir sehr interessant finden, ist, dass man halt auch wahnsinnig viele Produkte kauft, ohne sie wirklich getestet zu haben. Und es gibt nichts Frustrierenderes als ein Produkt für viel oder wenig Geld zu kaufen, was einfach nicht der Qualität entspricht oder dem, was man sich erhofft hat. Und so kann man sich auch von Menschen, von Freunden, von Nachbarn etwas ausleihen und erst einmal sehen, ob man überhaupt Spaß damit hat. Und man muss sich keine Spiegelreflexkamera kaufen, wenn man sie nur eine Woche braucht."
Dass "Whyownit" aber ein Konsumkiller sein könnte, der am Ende die Binnennachfrage abwürgt, dass glaubt der Firmenchef nicht. Vielleicht ist es auch andersherum, erklärt er: Durch die Leihmöglichkeit probieren die Nutzer vielleicht Produkte aus, für die sie nie Geld ausgegeben hätten. Und bemerken dann vielleicht erst den Mehrwert, den ihnen die Dinge bescheren. Und kaufen sie dann doch.
Wie lange die Dinge auf "Whyownit“ verliehen werden, ist Sache der tauschenden Gemeinschaft. 20.000 Nutzer sind bisher registriert, und noch sind die App und das Tauschen kostenfrei. Noch wollen der studierte Wirtschaftsinformatiker Gloeckler und sein fünfköpfiges Team das Portal weiterentwickeln, neue Nutzerinnen und Nutzer gewinnen. Bis dahin verdient die Firma ihr Geld weiterhin mit der Entwicklung von Smartphone-Apps für andere Kunden.
"Im Moment ist es so, dass wir sehen, dass das vorangeht, dass es Spaß macht. Und wir bauen an einem Case, der für alle Beteiligten interessant sein kann. Wie wir daraus im letzten Moment monetarisieren, haben wir noch nicht offengelegt, und das wollen wir auch nicht so wirklich machen. Im Moment geht es hauptsächlich darum, dass wir die Leihtransaktionen pro Tag, pro Woche, pro Monat hochkriegen."
Und erst danach soll die Leihplattform – wie genau, verrät Gloeckler nicht – auch Geld einbringen.
Einer der 20.000 Nutzer ist der Student Philipp Rumpf aus Hamburg-Altona. Das Smartphone in der Hand sitzt er an seinem Küchentisch und zeigt, was man von ihm alles ausleihen kann:
"Das sind unterschiedlichste Bücher. Ich habe relativ viele Reiseführer drin. Dann habe ich ein'Brand eins'-Abo. Und die wird halt auch relativ häufig ausgeliehen, die 'Brand eins'. Das kommt relativ häufig vor, dass da jemand fragt: Hast Du die und die Ausgabe? Würde ich gern mal lesen!"
Und dann genügt ein Klick, um die Anfrage abzusenden. Praktischerweise kann Philipp Rumpf die Treffer einschränken und sich allein die Produkte anschauen, die andere "Whyownit"-Nutzer in seinem Stadtteil verleihen oder aber, auch das ist möglich, gleich verschenken möchten.
"Das Schöne ist: An den Profilen von den Leuten, in deren Produkten spiegeln sich halt auch ein bisschen die Charaktereigenschaften, die Art und Weise der Leute. Und das ist ganz interessant! Wenn man von fremden Leuten Produkte ausleiht, hat man oft relativ viele Gemeinsamkeiten, man findet oft ganz gut zusammen."
Nach dem Motto: Sag mir, was du verleihst, was du besitzt und ich sage dir, wie du tickst. Die Produkte, mit denen wir uns umgeben, scheinen viel ehrlicher Auskunft über uns zu geben als die Facebook-, Xing- oder LinkedIn-Einträge, in denen meist nur die gelungenen Fotos, die netten bis geschönten Selbstbeschreibungen auftauchen.
Die Tausch-App als soziales, endlich mal ehrliches Netzwerk. Davon ist auch der "Whyownit"-Chef Philipp Gloeckler begeistert. Auf dem Balkon der Firma, über den Hamburger Dächern, liefert er gleich ein Beispiel für die ungeahnten Möglichkeiten, die die Plattform bietet:
"Ich habe schon wahnsinnig viele Leute kennengelernt über 'Whyownit', die ich vorher nicht kennengelernt hätte. Und es ist auch einfach ein schlagendes Argument, einer Dame zu sagen, dass man sie gerne sehen möchte, weil man sich von ihr was ausleihen möchte, anstatt ihr zu sagen, dass sie irgendwie ein schönes Profilbild hat und dass man deswegen vielleicht gerne mal mit ihr einen Kaffee trinken möchte. Das ist super!"