Johanna Herzing:
Wofür steht der Titel "The Observer" in Großbritannien?
Jürgen Krönig:
Der "Observer" ist eines der großen Blätter, das älteste Sonntagsblatt überhaupt und (hat) nicht nur eine Traditionsreiche, sondern auch ein sehr bewegtes Schicksal mit kontroversen Besitzern. Aber er hat bislang überlebt, war zuletzt, Anfang der 90er-Jahre, in den Besitz des "Guardian" übergegangen, des Scott Trusts, eine Stiftung, die die Existenz des "Guardian" sichert und von der man auch annahm, dass sie ihre schützende Hand über den "Observer" halten würde. Aber jetzt auf einmal bricht dieser angebliche Schutz weg und man muss das Schlimmste befürchten, und gerade jetzt erst hat Carolyn McCall, Chief Executive des Scott Trusts, bestätigt, dass man ernsthaft überlegt, ob man den "Observer" schließen soll. Sie hat gesagt: Es gibt keine andere Möglichkeit; wir müssen enorm sparen. - Und deshalb ist diese Schließung des "Observer" eine ernst zu nehmende Option.
Herzing:
Wie ist es denn überhaupt dazu gekommen, dass sich der "Observer" heute in einer finanziell so desolaten Lage befindet? Kam das überraschend?
Krönig:
Eigentlich kam es etwas überraschend. Der "Observer" hat eigentlich in den letzten Jahren an Auflage zugelegt, ist zeitweilig auf 460.000 hochgestiegen, ging dann zuletzt in den letzten beiden Jahren wieder zurück auf 400.000 – was eigentlich eine ansehnliche Größe ist -, aber offenkundig reicht das Anzeigenvolumen nicht mehr, um die Kosten zu decken. Der "Observer" ist den Weg aller britischen Sonntags- und Wochenendzeitungen gegangen. Er hat enorm viele Colour-, Farbmagazine, Beilagen geschaffen, um Leser anzuziehen. Er hat vor allem auch versucht, das weibliche Publikum zu interessieren mit locker, flockigen Inhalten und Mode- und Kochbeilagen. Aber das hat sich offenbar nicht gerechnet. Die Anzeigenkunden blieben aus. Und jetzt ist man in einer Situation, wo der Scott Trust, also mit dem "Guardian" zusammen, einfach sich mit einer Situation konfrontiert sieht, wo die Kosten zu hoch sind und man scharfe Einschneidungen vornehmen muss.
Herzing:
Nun gibt es ja in Großbritannien eine ganze Bandbreite von Sonntagszeitungen. Wie symptomatisch ist denn die Situation des "Observer" für die Lage der britischen Sonntagszeitungen insgesamt?
Krönig:
Alle britischen Sonntagszeitungen, aber auch alle Tageszeitungen leiden unter einem schleichenden, manchmal mehr als schleichendem Verfall der Auflagen, wobei die Boulevard-Zeitungen noch härter betroffen sind, auch die Boulevard-Zeitungen am Sonntag noch härter betroffen sind vom Auflagenverfall, vom Auflagenrückgang, weil viele Leute gar nicht mehr lesen, sondern entweder nur Fernsehen gucken oder sich ganz dem Internet zugewandt haben. Alle Sonntagszeitungen haben große Investitionen in ihre Online-Ausgaben vorgenommen, aber natürlich die Inhalte in diesen Online-Ausgaben frei hineingestellt, so dass jedermann den "Observer" am Sonntag online lesen kann ohne dafür zahlen zu müssen – ein kurzsichtiges Geschäftsgebahren, das sich jetzt rächt und wo der "Observer" nicht alleine vor der Frage steht: Wie kann man aus dieser Bredouille herauskommen? Und es gibt Überlegungen, die von Rupert Murdoch bis zum "Guardian" gestellt werden, die Inhalte künftig nicht mehr kostenlos wegzugeben. Der "Guardian" war als Erstzeitung daran gegangen, alle Inhalte frei herauszugeben und nichts an Abonnementskosten zu verlangen von den Online-Lesern - was jetzt überlegt wird. Und der "Observer" hat mitgezogen, ob er wollte oder nicht. Wobei vielleicht noch eines ganz interessant ist: Der "Observer" ist politisch gesehen linksliberal, der "Guardian" auch. Der "Independent", eine andere Tageszeitung, ist auch linksliberal. Gerade diese Zeitungen leiden interessanterweise ganz besonders an Auflagenschwund, während die "Sunday Times", die eher zentristisch bis Mitte rechts ist, sich bislang gut gehalten hat. Man muss sich die Frage stellen, ob vielleicht auch die Inhalte mit dem geringeren Interesse von Lesern oder des Publikums, sich diese Zeitungen zuzulegen, zu tun haben.
Herzing:
Das heißt, sozusagen die Situation der Zeitungen als Ausdruck der politischen Gesinnung im Land?
Krönig:
Das wäre eine mögliche Schlussfolgerung.
Wofür steht der Titel "The Observer" in Großbritannien?
Jürgen Krönig:
Der "Observer" ist eines der großen Blätter, das älteste Sonntagsblatt überhaupt und (hat) nicht nur eine Traditionsreiche, sondern auch ein sehr bewegtes Schicksal mit kontroversen Besitzern. Aber er hat bislang überlebt, war zuletzt, Anfang der 90er-Jahre, in den Besitz des "Guardian" übergegangen, des Scott Trusts, eine Stiftung, die die Existenz des "Guardian" sichert und von der man auch annahm, dass sie ihre schützende Hand über den "Observer" halten würde. Aber jetzt auf einmal bricht dieser angebliche Schutz weg und man muss das Schlimmste befürchten, und gerade jetzt erst hat Carolyn McCall, Chief Executive des Scott Trusts, bestätigt, dass man ernsthaft überlegt, ob man den "Observer" schließen soll. Sie hat gesagt: Es gibt keine andere Möglichkeit; wir müssen enorm sparen. - Und deshalb ist diese Schließung des "Observer" eine ernst zu nehmende Option.
Herzing:
Wie ist es denn überhaupt dazu gekommen, dass sich der "Observer" heute in einer finanziell so desolaten Lage befindet? Kam das überraschend?
Krönig:
Eigentlich kam es etwas überraschend. Der "Observer" hat eigentlich in den letzten Jahren an Auflage zugelegt, ist zeitweilig auf 460.000 hochgestiegen, ging dann zuletzt in den letzten beiden Jahren wieder zurück auf 400.000 – was eigentlich eine ansehnliche Größe ist -, aber offenkundig reicht das Anzeigenvolumen nicht mehr, um die Kosten zu decken. Der "Observer" ist den Weg aller britischen Sonntags- und Wochenendzeitungen gegangen. Er hat enorm viele Colour-, Farbmagazine, Beilagen geschaffen, um Leser anzuziehen. Er hat vor allem auch versucht, das weibliche Publikum zu interessieren mit locker, flockigen Inhalten und Mode- und Kochbeilagen. Aber das hat sich offenbar nicht gerechnet. Die Anzeigenkunden blieben aus. Und jetzt ist man in einer Situation, wo der Scott Trust, also mit dem "Guardian" zusammen, einfach sich mit einer Situation konfrontiert sieht, wo die Kosten zu hoch sind und man scharfe Einschneidungen vornehmen muss.
Herzing:
Nun gibt es ja in Großbritannien eine ganze Bandbreite von Sonntagszeitungen. Wie symptomatisch ist denn die Situation des "Observer" für die Lage der britischen Sonntagszeitungen insgesamt?
Krönig:
Alle britischen Sonntagszeitungen, aber auch alle Tageszeitungen leiden unter einem schleichenden, manchmal mehr als schleichendem Verfall der Auflagen, wobei die Boulevard-Zeitungen noch härter betroffen sind, auch die Boulevard-Zeitungen am Sonntag noch härter betroffen sind vom Auflagenverfall, vom Auflagenrückgang, weil viele Leute gar nicht mehr lesen, sondern entweder nur Fernsehen gucken oder sich ganz dem Internet zugewandt haben. Alle Sonntagszeitungen haben große Investitionen in ihre Online-Ausgaben vorgenommen, aber natürlich die Inhalte in diesen Online-Ausgaben frei hineingestellt, so dass jedermann den "Observer" am Sonntag online lesen kann ohne dafür zahlen zu müssen – ein kurzsichtiges Geschäftsgebahren, das sich jetzt rächt und wo der "Observer" nicht alleine vor der Frage steht: Wie kann man aus dieser Bredouille herauskommen? Und es gibt Überlegungen, die von Rupert Murdoch bis zum "Guardian" gestellt werden, die Inhalte künftig nicht mehr kostenlos wegzugeben. Der "Guardian" war als Erstzeitung daran gegangen, alle Inhalte frei herauszugeben und nichts an Abonnementskosten zu verlangen von den Online-Lesern - was jetzt überlegt wird. Und der "Observer" hat mitgezogen, ob er wollte oder nicht. Wobei vielleicht noch eines ganz interessant ist: Der "Observer" ist politisch gesehen linksliberal, der "Guardian" auch. Der "Independent", eine andere Tageszeitung, ist auch linksliberal. Gerade diese Zeitungen leiden interessanterweise ganz besonders an Auflagenschwund, während die "Sunday Times", die eher zentristisch bis Mitte rechts ist, sich bislang gut gehalten hat. Man muss sich die Frage stellen, ob vielleicht auch die Inhalte mit dem geringeren Interesse von Lesern oder des Publikums, sich diese Zeitungen zuzulegen, zu tun haben.
Herzing:
Das heißt, sozusagen die Situation der Zeitungen als Ausdruck der politischen Gesinnung im Land?
Krönig:
Das wäre eine mögliche Schlussfolgerung.