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Showdown in Stuttgart

Bei der FDP sind die Mitglieder aufgerufen, bis zum 13. Dezember über den Euro-Rettungsschirm abzustimmen. Dabei geht es nicht nur um Milliarden Euro; es geht um die Zukunft der Partei, um die Zukunft des Vorsitzenden Philipp Rösler und vielleicht sogar um die Zukunft der Berliner Koalition.

Von Michael Brandt |
    Der Ort für den Showdown zwischen dem Euro-Rebellen Frank Schäffler und Parteichef Philipp Rösler ist unspektakulär. Ein Sitzungssaal im Untergeschoss eines Stuttgarter Hotels, der Veranstaltungssaal heißt etwas großspurig Elysée 2, nebenan in Elysée 1 tagen irgendwelche Autozulieferer und in Versailles und Louvre um die Ecke geht es ums Thema Diabetes und Herz.
    Die baden-württembergische Chefliberale Birgit Homburger telefoniert hektisch mit dem Handy und verschwindet nach oben.

    Eine knappe Viertelstunde nach offiziellem Veranstaltungsbeginn kommt sie mit ihrem Parteivorsitzenden zurück, und gemeinsam begrüßen sie Frank Schäffler, der an einem Stehtisch wartet. Als sie anschließend den Saal betreten, werden sie mit höflichem Applaus begrüßt.

    Zehn Minuten haben Schäffler und Rösler, um ihre Positionen zum Thema Euro-Rettung vorzutragen. Der Herausforderer macht den Anfang und es ist schnell klar, wer für ihn die Guten und wer die Bösen sind. Die einen die Linken wollten die Vergemeinschaftung der Schulden und die Eurobonds. Sie würden, so Schäffler, den Kitt in der Gesellschaft vernichten, den es ganz besonders in Stuttgart noch gebe, so Schäffler:

    "Dass es noch Menschen gibt wie hier im Schwabenland, die den Karren antreiben, die Steuern bezahlen, die selbst vorsorgen fürs Alter, das ist dieser Weg, den die politische Linke und Teile der Konservativen in Europa gehen wollen."

    Die Linken sind die Bösen und die fleißigen Schwaben, insbesondere die 160 anwesenden Liberalen, sind die Guten. Diese Schmeichelei hilft Schäffler wenig. Der Ort und des Publikums sind von der Parteispitze mit Bedacht und sicher nicht zugunsten des Euro-Rebellen gewählt. Die Südwest-Liberalen sind nicht eben für ihren rebellischen Geist bekannt und obendrein besteht die so genannte Basis, die da im Publikum sitzt, zum großen Teil aus Parteihonoratioren. Allein zwei ehemalige FDP-Landesvorsitzende sind vor Ort, viele aktuelle oder frühere Mandatsträger in Bund, Land und Gemeinden. Schäffler lässt sich dadurch nicht entmutigen:

    "Länder wie Griechenland können im Euro nicht wettbewerbsfähig werden. Das zeigt der Feldversuch der letzten 18 Monate."

    Auch der ständige Euro-Rettungsmechanismus ESM kann da nicht mehr helfen, ist er überzeugt. Deswegen wollen Schäffler und seine Unterstützer per Mitgliederentscheid durchsetzen, dass die FDP-Abgeordneten nicht zustimmen dürfen, wenn der Bundestag wahrscheinlich im kommenden Jahr über den ESM entscheidet. Statt den Schuldenstaaten immer mehr Geld nachzuwerfen, sollen die lieber raus aus dem Euro. Natürlich formuliert er es etwas vornehmer:

    "Das heißt, dass es ein Ventil geben muss."

    Der Populismus ist nicht zu überhören, aber dennoch greift Schäffler seinen Parteichef Phillip Rösler nicht offen an, die gemachten Fehler gingen auf die Kappe der Konservativen und nicht der Liberalen in der Bundesregierung. Der Umgangston entspricht also dem Ambiente in Elysée, Versailles und Louvre mit dunkelroter Auslegeware und Hotelkronleuchtern. Und so keilt auch der Parteichef nicht zurück, sondern argumentiert mit leisen Tönen für den Weg der Vernunft, den die Kanzlerin gegangen sei. Er selbst habe im Übrigen die Möglichkeit einer geordneten Insolvenz ins Spiel gebracht, und Schäfflers Antrag geht für ihn gegen die liberale Idee:

    "Es geht um die Frage: Bleiben wir bei unserer Grundausrichtung als Freie Demokratische Partei, pro-europäisch mit der wirtschaftspolitischen Vernunft. Wir wollen nicht nur Pathos abliefern, sondern auch konkrete Politik. Aber ich finde das gehört dazu zu sagen, wir sind eine Partei in der Nachfolge von Hans Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff gleichermaßen."

    Rösler ist ein kluger und kenntnisreicher Argumentierer in Sachen Euro und in Sachen liberaler Grundwerte, aber kein glänzender Redner. Da hat ihm Schäffler mit seiner Gabe zur Zuspitzung etwas voraus. Vielleicht ist das der Grund, warum der Parteichef am Ende zur großen argumentativen Keule greift. Innerparteiliche Demokratie schön und gut, eine notwendige Diskussion über den Euro, schön und gut. Letztlich geht es beim Vorschlag der Rebellen aber auch um die Regierungsbeteiligung der FDP und damit um das Schicksal der ohnehin daniederliegenden Partei, so der Parteichef:

    "Was passiert, wenn die FDP eine solche Position vertreten würde. Wenn sie einfach sagt, passt mal auf, wir haben unsere ordnungspolitischen Grundsätze und können da nicht mehr mitmachen. Meinen Sie, alle anderen europäischen Staaten werden sagen: Ja okay, wenn die FDP das nicht will, dann machen wir das nicht. Das Ergebnis wird sein, wir fliegen aus der Regierung raus, dann gibt es sofort eine große Koalition und die werden genau das tun, was wir alle hier verhindern wollen."

    Dass dann auch seine Tage als Parteichef gezählt sein dürften, wissen alle im Saal, Rösler erwähnt es nicht. Am Ende nach 75 Minuten jedenfalls ist die Resonanz beim Publikum angesichts der Ausgangslage unerwartet offen. Viel Verständnis für Schäfflers Position:

    "Ich habe den Herrn Schäffler zum ersten Mal gesehen und war sehr positiv überrascht. Aber was heißt kompetenter, mich persönlich hat Herr Rösler mehr erreicht."

    "Frank Schäffler hat gezeigt, dass er eine Alternative hat zu Rösler, aber er hat keine Alternative zu seiner Alternative und das sehe ich als großes Problem."

    "Der Herr Schäffler hat heute wesentlich mehr Inhalte gebracht und der Herr Rösler hat mehr oder weniger das Angstgespenst an die Wand gemalt."

    Noch bis zum 13. Dezember können die FDP-Mitglieder abstimmen. Bis zum Abend in Elysée 2 waren laut Mitteilung der Parteispitze 148000 Stimmen eingegangen. Das Quorum liegt bei 21 500. Sollten nicht genug Mitglieder abstimmen, dann ist das Ergebnis nicht bindend. Doch auch dann hätte eine Mehrheit für Schäffler eine verheerende Wirkung. Würden die Parteispitze und die Fraktion gegen ihre Basis entscheiden? Würde die Basis das ihrer Spitze verzeihen? Und für den Fall, dass sich die Parteispitze dann nach der Basis richtet, macht Rösler eine tiefschwarze Prognose. Aber er sagt es wieder so beiläufig, dass man denken könnte, er redet übers Wetter:

    "Und dann haben sie den Salat. Dann stehen wir aßen vor und ich sage Ihnen, dann wird die Geschichte achselzuckend an der FDP vorübergehen."