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Shuji Nakamura
Physik-Nobelpreisträger ohne Allüren

Der gebürtige Japaner Shuji Nakamura wird gemeinsam mit zwei weiteren Forschern mit dem Nobelpreis Physik ausgezeichnet - für ihre Arbeiten zur Entwicklung von Dioden. Der weltweit bewunderte Leuchtioden-Entwickler gilt nicht gerade als Vortragskanone, aber als ein unkomplizierter Mensch.

Von Volker Mrasek | 07.10.2014
    Porträtaufnahme von Shuji Nakamura in Anzug und Krawatte
    Der amerikanische Physiker Shuji Nakamura war unter anderem Honorarprofessor an der Universität Bremen. (picture alliance / dpa / Randall Lamb / University of California)
    "We are now trying to see whether we can get Professor Nakamura on the phone."
    Heute Mittag in Stockholm. Das Nobel-Komitee freut sich auf ein paar warme Worte von Shuji Nakamura aus Kalifornien. Der ist tatsächlich am Telefon, um drei Uhr nachts Ortszeit. Nur: Verstehen kann ihn niemand.
    Bei einer passablen Leitungsqualität wär' das aber vielleicht nicht anders gewesen. Der gebürtige Japaner gilt zwar als begnadeter Physiker und Entwickler. Aber nicht gerade als große Vortragskanone. Jedenfalls nicht in der Wissenschaftssprache Englisch. Was Nakamura aber nicht daran hinderte, im Jahr 2000 Professor in den USA zu werden. An der renommierten Universität von Kalifornien in Santa Barbara. Und vier Jahre später dann auch Honorarprofessor an der Universität Bremen:
    "Wir kennen sie alle!"
    Verbindung zu Universität Bremen
    Das sagt ein Forscher aus Bremen: Jürgen Gutowski, Professor für Experimentalphysik an der dortigen Hochschule. Damit meint er alle drei aus Japan stammenden Nobelpreisträger - die Herren Akasaki, Amano und Nakamura.
    "Es ist genau unser Forschungsfeld, in dem dieser Nobelpreis vergeben worden ist. Wir hatten im Jahr 2004 eine große internationale Konferenz auf diesem Sektor. War Herr Nakamura auch da. Und waren die beiden anderen Preisträger auch hier. Es ist aber die Beziehung zu Herrn Nakamura sehr viel intensiver als zu den beiden anderen."
    Neun Fachartikel haben Experimentalphysiker der Uni Bremen zusammen mit Nakamura veröffentlicht. Gemeinsam hält man auch ein Patent. Dabei geht es darum, die Oberfläche von Halbleiter-Scheiben aus unterschiedlichen Materialien so zu gestalten, dass sie im Ofen zusammenkleben.
    Der deutsche Forscher, der Shuji Nakamura wohl am besten kennt, ist Detlef Hommel. Auch er war bis vor kurzem Professor in Bremen. Neuerdings forscht der Physiker in Polen und ist Direktor für Nanotechnologie in einem Breslauer Forschungszentrum. Zu Hommels Verabschiedung im März kam auch Shuji Nakamura:
    "Wir haben sehr enge freundschaftliche Beziehungen. Ich hab' auch schon 'mal, als ich in Santa Barbara war, mit meiner Familie bei ihm im Haus gewohnt, was ganz selten ist. Er hat damals gesagt: Ich war der erste Ausländer, der zu ihm ins Haus durfte und übernachten durfte."
    Mensch ohne Allüren
    Der weltweit bewunderte Leuchtdioden-Entwickler gilt überhaupt als Mensch ohne Allüren. So beschreibt ihn auch Jürgen Gutowski:
    "Seine Attribute: fröhlich, weltoffen, freundlich. Das heißt also, man hat überhaupt keine Probleme, mit ihm einen netten Abend zu verbringen. Also, er ist da eben ganz unjapanisch."
    Das war Nakamura offenbar auch schon in den 90er-Jahren. Seine großen Entwicklungserfolge gelangen ihm als Industrieforscher bei der Firma Nichia in Japan, die er dadurch richtig groß machte. Doch die Chefetage wollte ihn nicht gebührend belohnen, wie Detlef Hommel erzählt:
    "Es war damals einfach so, dass die Erfinder von den Firmen ausgenutzt wurden und nichts dafür bekommen haben. Die kriegten mal einen CD-Spieler, mal einen Kühlschrank. Und alles andere gehörte der Firma."
    Nakamura verklagte seinen Arbeitgeber
    Der deutsche Physiker hatte damals zeitweilig eine Gastprofessur in Japan und war sogar einmal bei Nichia, um Nakamura in seinem Labor zu besuchen.
    "Und dann empfingen mich die Bosse mit ihren schwarzen Anzügen, weißen Hemden, Krawatten. Und ich fragte: Wo ist denn Dr. Nakamura? Ja, ja, der kommt noch! Und der kam dann in so einer grauen Arbeitsuniform wie jeder Arbeiter am Band. Und die ließen ihn dort richtig spüren: Du bist dort nur ein kleiner Teil in unserer Firma. Die Wichtigen sind wir. Unter vier Augen hab' ich gesagt: Sag' mal, was ist denn los? Du bist international schon anerkannt, und wie behandelt dich deine Firma? Sagt er: Es ist ein japanisches Sprichwort: Wenn ein Nagel aus dem Brett herausguckt, wird er wieder eingeschlagen."
    Nakamura fand sich nicht damit ab - und verklagte seinen Arbeitgeber. Damals in Japan ein absolutes Novum.
    In einem Vergleich wurden ihm dann umgerechnet sechs Millionen Euro zugesprochen. Ein Kleckerbetrag im Vergleich zu den immensen Gewinnen, die die Firma durch Nakamuras Entwicklungen machte. Aber auch eine Pioniertat des heutigen Physik-Nobelpreisträgers. Denn seither speisen japanische Firmen ihre Forscher nicht mehr mit Almosen für ihre Erfindungen ab.