Sonntag, 19. Mai 2024

Archiv


Shutdown an den Unis

Der Streit um den Haushalt hat auch spürbare Folgen für Forschung und Wissenschaft in den USA. Verspätete Überweisungen, geschlossene Labors und nicht bearbeitete Anträge verunsichern die US-Hochschulen.

Von Kerstin Zilm | 11.10.2013
    Shanice Joseph studiert Soziologie am City College von Long Beach, eine der preiswerteren Hochschulen Kaliforniens. Rund eintausend Dollar zahlt die 21-Jährige pro Jahr für Studium und Studienmaterial. Sie lebt bei ihrer Großmutter, ihre sechs Geschwister bei der Mutter. Das Einkommen der Familie ist unterhalb der Armutsgrenze.

    "Ich bin total abhängig von finanzieller Hilfe. Nicht nur das College, auch die Monatskarte für den Bus, Essen, Zuschuss zur Miete. Das könnte ich mir ohne Hilfe nicht leisten."

    Kombiniert aus mehreren staatlichen Programmen bekommt Shanice etwa 10.000 Dollar im Jahr. Vor acht Wochen wäre eine Zahlung von 1500 Dollar fällig gewesen. Doch Personalkürzungen am College noch vor der Blockade führten zur Verzögerung. Jetzt sind zusätzlich Angestellte beurlaubt. Die Studentin fürchtet, dass sie ihr Geld gar nicht mehr oder zu spät bekommt.

    "Wenn am 31. Oktober kein Geld kommt, kann ich mir den Bus nicht mehr leisten. Ich komme nicht zur Schule, meine Noten werden schlechter. Meine finanzielle Hilfe hängt auch von den Noten ab. Bei der Beratung für Fördermittel muss man ewig warten, weil da nur noch einer arbeitet, statt drei oder vier. Der Haushaltsstreit macht alles schlimmer."

    Die US-Regierung verspricht: Das staatliche Förderprogramm für etwa 14 Millionen Studierende aus einkommensschwachen Familien werde vorerst nicht eingeschränkt, da die Mittel bereits bewilligt seien.

    Doch in der Wissenschaft sind Folgen der Blockade bereits spürbar, besonders in Labors und Kliniken, die an das Gesundheitsministerium angeschlossen sind. Das hat über die Hälfte seiner Mitarbeiter in Zwangsurlaub geschickt. Simin Meydani, Direktorin des Labors für Ernährung und Immunität der Tuft Universität, steht vor verschlossenen Türen:

    "Dieses Büro des US-Gesundheitsministeriums ist derzeit wegen Mangel an Bundesförderung geschlossen. Sobald der Kongress die Mittel wieder bereitstellt, werden wir wieder öffnen."

    Liest sie von einem Zettel, der innen an der Glastür klebt. Meydani leitet Studien über Auswirkungen von Ernährung auf den Alterungsprozess. Sie ist mit rund 200 Laborkollegen im Zwangsurlaub. Experimente liegen auf Eis. Das hat aus Sicht der Wissenschaftlerin drastische Folgen.

    "Ein paar Tage ist es kein Problem. Danach verlieren wir wichtige Proben, an deren Sammlung wir schwer gearbeitet haben. Wir werden unsere Studien nicht abschließen können. Das wird ein riesiger Verlust."

    Sollte die Blockade anhalten, werden die Folgen an Universitäten deutlicher spürbar: Stichtage für Bewerbungen um neue Förderung sind bereits verstrichen, Anträge werden nicht bearbeitet, Forschungsaufträge nicht vergeben, Patienten in klinischen Studien wurden nach Hause geschickt. Matt Hourihan, Forschungsdirektor der regierungsunabhängigen US-Vereinigung für Wissenschaftsentwicklung warnt:

    "Je länger das dauert, desto problematischer sind natürlich die Konsequenzen. Wenn wir die Sache in ein, zwei Monaten nicht gelöst haben, geht es nicht mehr nur um ein paar Petrischalen, sondern zum Beispiel darum, ob wir Teilchenbeschleuniger abschalten; und andere dramatische Entscheidungen!"

    Für Studenten wie Shanice ist die Ungewissheit schwer auszuhalten. Doch selbst wenn sie am Ende des Monats kein Geld auf dem Konto hat, will sie einen Weg finden, weiter zu studieren.

    "Wo ich herkomme, glauben viele, College sei nichts für sie. Ich möchte ein Vorbild für meine Geschwister sein. Sie sollen sagen: Wenn sie das kann, schaffe ich es auch. Deshalb werde ich es schaffen, egal wie es mit der Blockade weitergeht."