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Sicher beschirmt

Umwelt. – Gewitter gehören zu den am schwierigsten vorherzusagenden Wetterphänomenen. Dabei können gerade sie schwere Schäden verursachen. Ein vom Bundesforschungsministerium gefördertes Projekt entwickelt daher ein Sensornetzwerk, das interessierte Firmen oder Kommunen in ihrer Umgebung installieren können, um vor unliebsamen Überraschungen gewarnt zu werden.

Von Volker Mrasek | 10.08.2007
    "Die nächste Station wird sein der Hörlgraben im Osten von Mering. Ein sehr unscheinbares Bächlein, vielleicht 20, 30 Zentimeter Tiefe. Aber bei Hochwasser kann es schon vorkommen, dass der über die Ufer tritt."

    Eine Ortsbesichtigung der besonderen Art im bayerischen Mering, einer Gemeinde mit 13.000 Einwohnern zwischen Augsburg und München. Richard Sedlmeir verbringt seinen Arbeitstag normalerweise im Rathaus. Der Verwaltungsfachwirt ist dort zuständig für die EDV. Jetzt führt er auswärtige Forscher durch den Ort. Sie kommen aus Berlin, vom Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik. Was die Gäste interessiert, das sind latente Gefahrenzonen in der friedlichen Marktgemeinde.

    "Wir hatten das bei den großen Hochwasser-Ereignissen, bei der Elbe, dass die eigentlich schlimmen Sachen eben auch durch die kleinen Nebenflüsse passiert sind. Dass die ganz kleinen Gewässer bei kurzzeitigen Starkregen-Ereignissen hoch ansteigen.

    "Die Schadensabläufe sind extrem schnell. Und bisher hat man da noch sehr wenig Technologien, dagegen etwas zu tun."

    Daniel Faust und Ulrich Meissen kennen das Szenario: Ein schweres Sommergewitter zieht herauf, es schüttet plötzlich wie aus Kübeln. So stark, dass Bäche in kürzester Zeit überlaufen. Das lässt sich schwerlich verhindern. Aber die beiden Fraunhofer-Forscher wollen zumindest dafür sorgen, dass frühzeitig vor solchen Unwettern gewarnt werden kann. Damit die Bevölkerung noch die Chance hat, Fenster und Türen zu verrammeln oder die Rückstauklappen im Wasser-Abflussrohr zu schließen. Damit der Keller nicht volläuft. Das ist das Ziel von Safe, einem Projekt, das Wirtschaftsingenieur Meissen leitet, gefördert vom Bundesforschungsministerium:

    "Das System kann man sich so ein bisschen vorstellen wie eine Art Schutzschirm, den wir um eine Kommune oder um einen Industriebetrieb setzen wollen. Wir wollen mit sehr kleinen, kostengünstigen, auf Unwetter spezialisierten Sensoren eine sehr genaue Messung ermöglichen. Die werden in einem Bereich von fünf bis zu 20, 30 Kilometer vom Ort entfernt aufgestellt werden in Einzugsbahnen von Gewitterzellen. Und die Grundidee des Systems ist es, sehr lokal genaue Unwetterprognosen zu erstellen und diese an die Betroffenen direkt weiterzuleiten."

    Mering ist die Modellgemeinde im Safe-Projekt. Daneben gibt es noch einen Industriebetrieb, der mitmacht: die Chemiefirma Wacker in Burghausen, an der Grenze zu Österreich. Sie stellt unter anderem hochreines Silizium für Computer-Chips her. Rasch aufziehende Unwetter könnten Schäden in den Produktionsanlagen hervorrufen. Daher die Idee, auch Industriebetriebe mit Hilfe eines Sensor-Schirmes zu schützen ...

    "So, dann starte ich mal das Programm. Da wird der Windgeber erstmal auf 16 Meter gefahren. Und dann fängt die Messreihe an."

    Noch aber ist kein einziger Warnsensor installiert. Erst einmal müssen die geeigneten Instrumente entwickelt und erprobt werden. Das geschieht bei der Adolf Thies GmbH in Göttingen. Auch der Messgeräte-Hersteller ist beim Safe-Projekt mit dabei.

    "Jetzt geht er schon ein bisschen höher."

    "Das ist die maximale Geschwindigkeit des Windkanals, die 50 Meter pro Sekunde."

    "Ich glaube, ich schließ’ mal besser die Tür. Damit wir uns noch verständigen können hier drin."

    Natürlich müssen die Freiland-Sensoren selbst Regen und Wetter trotzen. Deshalb die Test-Tortur im Windkanal. Laborleiter Thomas Stadie:

    "Dieser Sensor soll eigentlich eine ähnliche Aufgabe wie der Meteorologe übernehmen, nur eben automatisiert. Das heißt, optisch schaut der: Es regnet. Was regnet es? Wie viel regnet es? Und dann kann man natürlich noch ein paar andere Sensoren da anschließen, wie zum Beispiel Windgeschwindigkeit, Temperatur."

    Solche Geräte gibt es im Prinzip schon. Doch noch sind sie zu teuer. Deshalb ist weitere Entwicklungsarbeit nötig. Sobald die smarten Unwettersensoren aber zur Verfügung stehen, ist die Idealvorstellung folgende: Der Sensorschirm erfasst die Gewitterzelle schon weit vor der Stadt und sendet die Daten augenblicklich an einen Zentralrechner. Der löst sofort Alarm bei Rettungsdiensten und Bewohnern aus, zum Beispiel per SMS-Nachricht. Er könnte sogar dafür sorgen, dass sich Fenster und Rückstauklappen wie von Geisterhand schließen, dank moderner Gebäude-Steuerungstechnik. Auch dies soll bei Safe getestet werden - vielleicht schon im nächsten Sommer.