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Sichere Glasbauten
Crash-Gefahr für Vögel beseitigen

Jährlich sterben in Deutschland Hunderttausende Vögel, weil sie mit großen Fenstern kollidieren. Viele Glasfassaden werden mit Silhouetten von Raubvögeln versehen, doch das ist wohl eher Schmuck als ernsthafter Schutz. Bei Neubauten lassen sich viele Gefahrenquellen allerdings von vornherein vermeiden.

Von Susanne Kuhlmann | 06.05.2014
    Ein Fensterputzer bei der Arbeit
    Für Vögel oft nahezu unsichtbar: Glasfassaden. (dpa / pa / Kumm)
    Ein neues Wohnquartier in der Kölner Südstadt: Auf einer Betonmauer steht die gläserne Windschutzwand, ebenso hoch wie die vierstöckigen Gebäude, mit denen sie rechts und links verbunden ist. Ralf Gütz vom Bund für Umwelt und Naturschutz in Köln:
    "Viele Arten sind mit 50, 60 Stundenkilometern unterwegs, sehen das nicht, knallen dagegen und sind meistens tot oder so schwer verletzt, dass sie kurze Zeit später sterben."
    Die Wand wurde vielen Vögeln zum Verhängnis, Kinder fanden tote Tiere auf dem benachbarten Spielplatz.
    "Sie sehen selber, dass man Vegetation erkennen kann auf der anderen Seite. Das sehen die Vögel auch. Die wollen dahin fliegen, wollen sich in den Baum setzen. Da ist die Barriere in der Luft und dann fliegen sie dagegen."
    Dünnes Streifenmuster auf Scheiben
    Der BUND konnte schließlich die Wohnungsbaugesellschaft davon überzeugen, etwas gegen das Vogelsterben zu tun.
    "Wie man jetzt sehen kann, sind diese Scheiben mit einem dünnen Streifenmuster versehen worden, das relativ eng ist. Dieses Muster können die Vögel sehen, und das ist soweit transparent, dass es uns kaum stört, wenn wir durchschauen wollen. Verglichen mit dem Effekt, dass es Vögel wirksam schützen kann, ist es, glaube ich, vertretbar."
    In Europa sterben jedes Jahr Millionen Vögel an Fensterscheiben und Glasfassaden. Wie bei der Kölner Glaswand ist häufig die Durchsicht ein Problem, wenn sich zum Beispiel Fenster gegenüber liegen oder auch Spiegelungen, die freien Himmel oder Gebüsch vortäuschen. Die Scheibe, die im Flugweg steht, führt oft zum Verhängnis.
    Heiko Haupt ist beim Bundesamt für Naturschutz in Bonn für zoologischen Artenschutz zuständig. Nachdem ein gläserner Verbindungsgang zwischen zwei Gebäudeteilen des Bundesamtes gebaut worden war, erlebte er dort auch, dass Vögel mit dem Glas kollidierten.
    "Auch hier haben wir das Problem festgestellt und konnten in dem Fall durch Anbringen von Außenjalousien das Problem lösen."
    Dass aufgeklebte Greifvogelsilhouetten oder ultraviolette Muster Vögel abschrecken, sei dagegen reines Wunschdenken, meint Heiko Haupt. In Österreich fanden Forscher heraus, dass flächig wirkende Markierungen den besten Schutz bringen; schmale, senkrechte Streifen, die im Abstand von höchstens zehn Zentimetern aufgeklebt werden und zwar am besten auf der Außenseite der Scheiben.
    "Es reichen oft schon relativ dünne, feine Markierungen. Es ist oft so, wenn man aus dem Fenster in die Ferne schaut, dann fokussiert das Auge auf die Ferne. Und sei es der Schmutz am Fenster oder eine dünne Linie - wird nicht unbedingt als störend wahrgenommen. Aber wenn es um das Wohl der Vögel geht, sind wir eher bereit, gewisse Einschränkungen zu akzeptieren."
    Auch Firmensignets, Mückenschutzgitter oder Lamellenvorhänge lassen sich nachträglich anbringen. Besser ist es, den Vogelschutz schon beim Planen von Wintergarten, Wohnhaus oder Bürogebäude mit einzubeziehen.
    "Erst mal die Frage: Gibt es vielleicht Alternativen? Verbundglassysteme, mattiertes, geätztes, geriffeltes, sandgestrahltes Glas sind andere Möglichkeiten. Muss es immer Durchsicht sein? Wenn ja, dann die Frage: Muss das Glas an Ecksituationen sein, an Durchsichtsituationen sein? Wenn das noch übrig bleibt, sollte man über Markierungen von Glasflächen nachdenken, vielleicht auch die Bepflanzung dicht vor einer Glasfläche, die Vögel auch am Anflug hindern kann. Da gibt es auch einiges an Informationsmaterial, wo man sich gute Anregungen holen kann."
    Das halten zum Beispiel die Unteren Landschaftsbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte bereit. In Österreich und der Schweiz ist Vogelschutz für Planer und Architekten längst ein Thema, bei uns jedoch kaum. So kam es, dass auf dem Drachenfels bei Bonn im vorigen Jahr ein gläsernes Restaurantgebäude eröffnet wurde, dass sich ebenfalls als Vogelfalle erwies. Auch hier mischte der BUND sich ein. Achim Baumgartner vom BUND Rhein-Sieg:
    "Der Konflikt ist entstanden, weil das mitten im FFH-Gebiet liegt, also im europäischen Naturschutzgebiet und umgebend besonders seltene Vögel brüten und der Konflikt offenkundig war, dass Vögel und Glas sich nicht besonders gut vertragen und wir nach einer Lösung gesucht haben."
    Inzwischen ist die Fassade mit dünnen Querstreifen beklebt.
    "Es gab durchaus die Bedenken des Architekten oder auch der Stadt Königswinter, die Angst hatten, die Fensterscheiben mit sichtbaren Streifen zu versehen, um den Vogelschutz zu erzielen, weil sie dachten, die Aussicht wäre dann total verstellt. Man hat gesagt: maximale Glasscheiben, da muss man jetzt auch mit maximalem Vogelschutz leben."
    Dabei gibt beispielsweise eine von Schweizer Vogelschützern und Handwerksunternehmen herausgegebene Broschüre viele Anregungen, wie vogelfreundliches Bauen ästhetisch anspruchsvoll umgesetzt werden kann.