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Sicherheit im Autobahnbau
Ohne Fahrer auf der A3

Ein Lastwagen auf der Autobahn und niemand hinterm Lenkrad. Was nach Sicherheitsrisiko klingt, könnte Leib und Leben von Straßenbauarbeitern schützen: Autonom fahrende LKWs zur Absicherung von Wanderbaustellen.

Von Bernd Schlupeck | 23.11.2018
    Absicherungsfahrzeug für eine Wanderbaustelle auf der Autobahn
    Absicherungsfahrzeuge schützen Baustellen vor dem Fließverkehr und sind gerade deshalb oft in Unfälle verwickelt. (Hessen mobil / aFAS )
    Ein Konferenzsaal nahe des Frankfurter Flughafens. Die Gäste schauen gebannt auf die Leinwand hinter dem Rednerpult. Es sind Live-Bilder aus einem Lkw, direkt vom Standstreifen der A3. Er wird gleich ein paar Kilometer in Richtung Frankfurter Kreuz zurücklegen – und das ohne Fahrer.
    "Wir sehen jetzt unseren Zug, bestehend aus Arbeits- und Absicherungsfahrzeug im sicheren Anhalten. Und jetzt sind wir übergegangen in den Folgemodus: Also es ist von vorne angefordert worden, das Absicherungsfahrzeug soll mir jetzt folgen im 100-Meter-Abstand." Die drei Spuren sind voll um diese Zeit, 40-Tonner donnern haarscharf am Prototypen vorbei. "Es kommen die ersten Lenkeinschläge und jetzt sehen wir, wie wir uns automatisiert bewegen, fahrerlos bewegen. Und so soll das eigentlich in Zukunft auf unseren Straßen aussehen."
    Absicherungsfahrzeuge häufig in Unfälle verwickelt
    Was Walter Schwertberger von MAN hier kommentiert, ist der Abschlusstest des aFAS, kurz für "automatisch fahrerlos fahrendes Absicherungsfahrzeug für Arbeitsstellen auf Autobahnen". Der LKW-Hersteller hat es gemeinsam mit verschiedenen Unternehmen und Forschern aus Karlsruhe und Braunschweig entwickelt, und in Kooperation mit der Verwaltungsbehörde Hessen Mobil getestet. Es ist das erste fahrerlose Fahrzeug, das im Normalverkehr unterwegs ist. Die Idee kam den Beteiligten, weil der Lkw, der Wanderbaustellen absichert, oft selbst in Unfälle verwickelt ist – ein hohes Risiko für den Fahrer.
    "Das Vorderfahrzeug hat wohl kurz gestoppt. Jetzt gehen wir in den Ankoppelmodus über, um eine Gefahrenstelle – hier ist es mal beispielhaft diese Unterführung – im geringen Folgeabstand von circa fünf Metern zu passieren. Jetzt sieht man es auch: Unser Arbeitsfahrzeug kommt in Sichtweite. Das Arbeitsfahrzeug wird sich dann auch wieder in Bewegung setzen und wir folgen jetzt in kurzem Abstand mit unserem Absicherungsfahrzeug nach."
    Der Prototyp beherrscht drei Betriebsarten: sicherer Stillstand, Folgen und gekoppeltes Fahren. Arbeitsfahrzeug und fahrerloser Lkw sind jederzeit per Funk verbunden. Sie tauschen Zustandsinformationen aus und senden Steuersignale an Lenkung und Bremse. Gesammelt werden die Daten per Kamera in der Frontscheibe und drei Radarmodulen in der Stoßstange des Absicherungsfahrzeuges. Alle Informationen werden schließlich zusammengeführt und über neuronale Netzwerke analysiert.
    Autonom alles im Blick
    "Nehmen wir mal an, ich bin im Folgemodus 100 Meter, also ich sichere die Baustelle ab. Dann habe ich natürlich meine Sensorik, die erst einmal mein Arbeitsfahrzeug erkennen muss. Dazu muss ich natürlich sicher sein, dass der Raum zwischen dem vorausfahrenden Fahrzeug und unserem Fahrzeug frei ist von anderen Hindernissen. Und wir müssen auf unserer Fahrspur, also dem Seitenstreifen bleiben. Dazu muss die Sensorik erkennen, wo ist die Leitplanke, wo ist die Grasnarbe und auf der linken Seite die Begrenzung durch eine Linie."
    Driftet das Fahrzeug ab, wird die Lenkung nachgesteuert. Tauchen Hindernisse auf, wird über ein extra eingebautes Steuermodul im Bremssystem das Fahrzeug gestoppt. Zusätzlich kontrolliert der Fahrer im Arbeitsfahrzeug über ein Display im Armaturenbrett, in welchem Modus sich das Absicherungsfahrzeug befindet. All das gehört zum Sicherheitskonzept, entwickelt von Markus Maurer. Wie der Professor von der TU Braunschweig erklärt, muss das aFAS auch in Situationen zuverlässig reagieren, an die niemand zuvor gedacht hat.
    Bald in Serie?
    "Wenn heute Unfälle passieren mit Personenschäden oder Toten, dann wird das Verkehrssystem ‚motorisierter Individualverkehr‘ nicht infrage gestellt. Aber wir wissen nicht, ob das übertragbar ist auf maschinelle Fahrer. Und wir sind momentan in der Phase, dass sich in der ganzen Branche die Erkenntnis durchsetzt, dass man nicht alles testen kann."
    Insgesamt sei man aber, wie im Abschlusstest gesehen, sehr weit an den seriennahen Zustand herangekommen, sagt Markus Maurer. Als letzte Sicherheitsinstanz saß ein Mensch im Führungsfahrzeug, der das aFAS im Auge behielt. Ob aus dem Prototyp nun ein Serienfahrzeug wird, da wollte sich Walter Schwertberger von MAN nicht festlegen. Interessenten dafür gäbe es reichlich.