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Sicherheit im Luftverkehr
Bald flächendeckender Einsatz von Körperscannern

Ab Dienstag sollen laut einer EU-Verordnung Flugpassagiere vorrangig mit Körperscannern kontrolliert werden. Auch deutsche Flughäfen rüsten kräftig auf. Die Geräte sollen für mehr Sicherheit sorgen. Noch ist die Fehlerquote der Scanner hoch, doch in den nächsten Jahren ist ein Technologiesprung zu erwarten.

Ralf Krauter im Gespräch mit Lennart Pyritz | 31.08.2015
    Ein Mann steht am Flughafen vor einer Körperscanner-Wand.
    Wand statt Kabine: Am Flughafen Hannover wird derzeit eine neue Generation von Körperscannern getestet. (imago/stock&people/localpic)
    Lennart Pyritz: Über Körperscanner haben wir in dieser Sendung schon öfter berichtet. 2011 zum Beispiel über einen geplatzten Pilotversuch am Flughafen Hamburg, 2012 dann über die ersten Installationen am Flughafen Frankfurt und 2013 über die EU-Zulassungstests für die neuen Geräte. Mittlerweile stehen Körperscanner an fast allen deutschen Flughäfen und wer öfter mal fliegt, ist ziemlich sicher schon mal einen passiert, beim Sicherheitscheck. Laut einer EU-Verordnung müssen Passagiere ab morgen, 1. September 2015, vorrangig mit Körperscannern kontrolliert werden. Frage an meinen Kollegen Ralf Krauter, der die Entwicklung auf dem Gebiet seit Jahren verfolgt: Gibt's dafür denn schon genügend Geräte?
    Ralf Krauter: Noch nicht ganz, aber die Bundespolizei, die für die Sicherheitskontrollen an Flughäfen zuständig ist, rüstet kräftig auf. Aktuell gibt's schon 77 Körperscanner an deutschen Flughäfen. Bis Jahresende sollen weitere 23 Geräte angeschafft werden. Damit wären in der Summe dann 100 Geräte im Einsatz, die etwa ein Drittel aller Kontrollspuren abdecken.
    Pyritz: Nun sind diese Geräte ja mit Anschaffungskosten von rund 200.000 Euro pro Stück nicht eben billig. Was versprechen sich die Sicherheitsverantwortlichen von dieser technischen Aufrüstung?
    Krauter: Erstens: Mehr Sicherheit. Weil diese Geräte, die ja wie so eine Art Mikrowellendusche funktionieren, können die auch unter der Kleidung versteckte Objekte erkennen, die nicht aus Metall sind. Also zum Beispiel ein Keramikmesser, eine Plastikpistole aus dem 3D-Drucker oder einen Foliensprengstoff. Dinge also, die eine klassische Metalldetektor-Torsonde nicht aufspüren kann.
    Vorteil Nr. 2: Die Kontrolle erfolgt berührungslos, ist also angenehmer für die Reisenden, weil sie im Idealfall nicht mehr händisch abgetastet werden müssen. Und davon verspricht man sich eben eine höhere Akzeptanz.
    Höhere Auflösung im Genitalbereich
    Pyritz: Machen wir mal den Realitätscheck. Leisten die Geräte das wirklich?
    Krauter: Mehr Sicherheit bieten sie wohl tatsächlich. Man kann wirklich Objekte aufspüren, die bei den klassischen Torsonden keinen Alarm auslösen. Das belegen die ausgiebigen Tests in der Prüfstelle der Bundespolizei in Lübeck, wo ja mit hunderten speziell präparierten Probanden alle möglichen Szenarien durchgespielt werden, im Rahmen der EU-Zulassungsverfahren für Körperscanner. Bei der Frage, ob die berührungslose Kontrolle mehr Komfort verspricht, ist die Antwort allerdings nicht ganz so klar.
    Pyritz: Woran liegt das?
    Krauter: Die Erfahrungen zeigen: Etwa bei jedem zweiten Passagier, der durch einen Körperscanner geht, meint die Maschine was Verdächtiges entdeckt zu haben - was sich dann in den meisten Fällen als harmlose Bügelfalte oder Schweißfleck unter den Achseln entpuppt. Die betreffenden Stellen müssen die Sicherheitsleute dann doch wieder abtasten. Allerdings geht das dann schneller, weil klar ist, wo nachgefühlt werden muss. Die intimeren Regionen werden dabei übrigens erfreulicherweise zunehmend ausgespart. Das liegt daran, dass die Software zur Bildauswertung so angepasst wurde, dass sie im Genitalbereich mit höherer Auflösung scannt - wodurch Fehlalarme vermieden werden, die das Abtasten dort nach sich ziehen würden. Generell muss man sagen: Die Fehlalarmrate, die ja mal über 70 Prozent lag, wurde durch verbesserte Algorithmen gesenkt. Allein seit November 2014 noch mal um 20 Prozent, nach Angabe des Innenministeriums, und zwar ohne Sicherheitseinbußen. Was den Durchsatz der Kontrollpunkte angeht, liegt man derzeit aber immer noch hinter den klassischen Torsonden. Da dauert die Kontrolle im Mittel 17-19 Sekunden. Bei Kontrollstellen mit Körperscanner vergehen pro Person derzeit 21 Sekunden, heißt es bei der Bundespolizei. Und Ziel ist natürlich, da noch besser zu werden.
    Wand statt Kabine
    Pyritz: Wird sich da noch was tun? Sind neue Entwicklungen in Sicht?
    Krauter: Die Software, die aus den Rohdaten der reflektierten Mikrowellen auffällige Stellen errechnet, wird immer flotter. Die Programme lernen Körperformen immer besser zu klassifizieren, wodurch sie dann zuverlässiger sagen können: Diese Ausbeulung gehört da nicht hin. Da profitiert der Hersteller L3, von dem praktisch alle in Deutschland installierten Geräte stammen, von den jahrelangen Erfahrungen. L3 bekommt jetzt aber auch Konkurrenz. Seit Kurzem hat ein zweiter Körperscanner die EU-Zulassung. Das ist ein Gerät der Firma Rohde & Schwarz, das künftig also auch angeschafft werden könnte. Die Bundespolizei erprobt die Geräte aktuell im am Flughafen Hannover in Terminal 1. Auffällig daran: Das ist keine Kabine mehr, wie bei den heutigen Scannern, sondern eine flache Wand mit tausenden Mikrowellenantennen, wie sie auch bei den Einparkhilfen von Autos zum Einsatz kommen. Weil deren Frequenz höher ist, verspricht das höher aufgelöste Bilder und damit weniger Fehlalarme. Vor allem aber hat man eben keine Kabine mehr, sondern eine Wand, vor der man kurz stehen bleibt und sich einmal umdrehen muss. Bei einer Kombination von zweien dieser Wände entfällt das Anhalten und Umdrehen dann sogar ganz. Da kann man einfach durchlaufen. Und solchen Walk-Through-Security-Scannern gehört nach Meinung von Fachleuten die Zukunft. Denn die machen es sogar möglich, Menschen im Vorbeigehen zu screenen - und damit völlig unbemerkt. Also: Da ist in den nächsten Jahren noch mancher Technologiesprung zu erwarten, zumal es jetzt endlich mehrere Firmen gibt, die um die Kunden konkurrieren, was die Suche nach den besten Lösungen befeuern dürfte.