Samstag, 27. April 2024

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Sicherheit in Bayern
"Wir brauchen die Polizistinnen und Polizisten in der Fläche"

Katharina Schulze, Grünen-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Bayern, hat sich im Dlf für eine bessere Ausstattung der Polizei im Freistaat ausgesprochen. Die bayerische Grenzpolizei bezeichnete sie als "absoluten Quatsch". Für Grenzkontrollen sei die Bundespolizei zuständig.

Katharina Schulze im Gespräch mit Mario Dobovisek | 27.08.2018
    Katharina Schulze (Bündnis 90/Die Grünen), Spitzenkandidatin für die Landtagswahl
    Katharina Schulze (Bündnis 90/Die Grünen), Spitzenkandidatin für die Landtagswahl (dpa/Lino Mirgeler)
    Mario Dobovisek: Es war ein Streit, der die Union tief erschüttert hat und fast zum Bruch der Großen Koalition geführt hätte, der Streit um die Flüchtlingspolitik, und der kennt vor allem zwei Protagonisten: die Bundeskanzlerin und CDU-Chefin auf der einen Seite, Angela Merkel, und auf der anderen Seite Horst Seehofer, Innenminister, CSU-Chef. Wir erinnern uns an Ultimaten, lange Nächte und Anfeindungen. Dann kam der Burgfrieden, und wir alle ahnen, dass dieser ziemlich brüchig sein könnte. Inzwischen ist die Sommerpause aber vorbei und am Abend standen sich Merkel und Seehofer indirekt gegenüber in den beiden Sommerinterviews von ARD und ZDF.
    Keine zwei Monate sind es noch bis zu den Landtagswahlen in Bayern, und was der CSU zu ungeahnten Höhen verhelfen sollte, Horst Seehofers harte Haltung in Asylfragen bis hin zum Fastbruch der Koalition in Berlin, kam bei den Wählern in Bayern eher mäßig an. Deshalb erleben wir auch eine Art Rückrudern in letzter Zeit, auch bei Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Gegen ihn tritt die Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze an. Bei 17 Prozent liegen die Grünen derzeit in den Umfragen, wären damit zweitstärkste Kraft im Freistaat. Katharina Schulze ist jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen, Frau Schulze.
    "Ich bin froh, dass verbal abgerüstet wird"
    Katharina Schulze: Guten Morgen.
    Dobovisek: Pragmatische Lösungen fordert Söder, etwa bei ausreisepflichtigen Menschen in Ausbildung, will aber gleichzeitig den Abschiebekurs konsequent fortsetzen, wie er sagt. Können Sie sich daraus einen Reim machen?
    Schulze: Ach, das ist auch wieder ein typisch Markus Söder Gerede. Wir haben ja gerade in Bayern einen sehr, sehr großen Fachkräftemangel und unendlich viele Unternehmerinnen und Unternehmer, die dringend Auszubildende gerne hätten. Und dann haben wir eine CSU-Regierung, die ganz oft die Arbeitserlaubnis nicht austeilt. Das führt in Bayern zu ganz konkreten Problemen, nämlich dass Menschen abgeschoben werden, die eigentlich hier eine Ausbildung bei uns machen könnten, und das, obwohl es die sogenannte Drei plus zwei Regelung gibt, sprich wenn Menschen eine Ausbildungsstelle haben, dürfen sie drei Jahre in Bayern bleiben und hinterher noch weitere zwei Jahre. Ich kann es einfach nicht nachvollziehen, dass die CSU da so ideologisch verhärtet ist und bei diesem Thema nicht weiter vorangeht. Wir Grüne fordern ganz klar: Wer einen Arbeitsplatz hat, wer eine Ausbildungsstelle hat, soll auch in Bayern bleiben können und die antreten können. Das würde den Geflüchteten helfen und auch den Unternehmerinnen und Unternehmern.
    Dobovisek: Trotzdem rüstet die CSU ganz merklich verbal ab. Das haben wir auch gestern bei Horst Seehofer im angesprochenen Fernsehinterview gehört. Wie kommt das bei Ihnen an?
    Schulze: Ich bin froh, dass verbal abgerüstet wird, weil ehrlich gesagt waren die letzten Wochen und Monate kaum erträglich. Man muss sich mal vorstellen: Es war doch richtig absurd, wie die Eitelkeiten von ein paar CSU-Männern die Republik buchstäblich in Atem gehalten haben. Horst Seehofers "ich trete zurück", "nein, dann trete ich doch nicht zurück", das war ja an Lächerlichkeit kaum zu überbieten, und ehrlich gesagt war das auch keine verantwortungsvolle Politik.
    Jetzt hat Horst Seehofer in seinem Interview gesagt, er würde trotzdem alles noch mal genauso machen wie damals. Das spricht jetzt für mich nicht für eine sehr reflektierte Haltung, aber gut. Jetzt schauen wir mal nach vorne. Ich bin jetzt sehr gespannt, wie jetzt auch noch die nächsten Wochen im Wahlkampf ablaufen, wie auch Markus Söder sich gibt. Er ist ja gestartet als Ministerpräsident als einer, der spaltet anstatt versöhnt, und ich finde, für einen Ministerpräsidenten oder für eine Ministerpräsidentin sollte das Zusammenführen des Landes an erster Stelle stehen und nicht die Spaltung.
    "Wir Grüne möchten, dass alle Menschen in Bayern frei und sicher leben können"
    Dobovisek: Man könnte auch sagen, die CSU frisst inzwischen Kreide. Genügend Kreide für eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Grünen und der CSU in Bayern?
    Schulze: Wir Grüne sind da sehr, sehr klar. Mit uns kann man immer über ökologische und gerechte Politik sprechen. Mit uns kann man aber nicht über antieuropäische und autoritäre Politik sprechen.
    Dobovisek: Aber über Sicherheit und Ordnung? Das tun Sie ja auch immer wieder im Wahlkampf.
    Schulze: Ja. Ich bin Innenpolitikerin aus Leidenschaft, darf ja jetzt seit fünf Jahren innenpolitische Sprecherin meiner Fraktion sein. Und ja, wir Grüne möchten, dass alle Menschen in Bayern frei und sicher leben können. Dafür brauchen wir zum einen genug Polizistinnen und Polizisten, damit die zum Beispiel auch von ihrem massiven Überstundenberg endlich runterkommen. Aber wir brauchen dafür natürlich auch eine starke Zivilgesellschaft und müssen die Bürger- und Freiheitsrechte wahren, denn ich möchte ja, dass alle Menschen sicher in unserem Freistaat Bayern leben können.
    Dobovisek: Wenn Sie mehr Ausstattung und Personal und Spezialisten für die Polizisten fordern, freuen sich darüber die Fundis in Ihrer Partei?
    Schulze: Wir Grüne in Bayern ziehen da an einem Strang. Ich habe ja schon zwei grüne Polizeikongresse in dieser Legislatur organisiert, wo auch ganz viele Grüne mit dabei waren. Da war das alles überhaupt gar kein Widerspruch, sondern uns Grünen ist klar, wir brauchen eine gut ausgestattete Polizei, damit die auch ihren Job gut machen kann. Und ehrlich gesagt möchte ich auch, dass Polizistinnen und Polizisten das Gewaltmonopol durchsetzen und nicht irgendwelche hordende Banden, die durch die Straßen ziehen, oder irgendwelche Hilfssheriffs oder Hilfspolizeien. Das gehört in die Hand des Staates und dafür braucht es auch eine gut ausgestattete bürgernahe Polizei.
    "Die bayerische Grenzpolizei ist absoluter Quatsch"
    Dobovisek: Auch eine bayerische Grenzpolizei, die es seit knapp zwei Monaten gibt?
    Schulze: Die bayerische Grenzpolizei ist absoluter Quatsch. Das ist auch so ein Hirngespinst von Markus Söder. Wir brauchen die Polizistinnen und Polizisten in der Fläche, denn für Grenzkontrollen ist die Bundespolizei zuständig. Ganz abgesehen davon leben wir zum Glück in einem vereinigten Europa, und zu einem vereinigten Europa gehört ja ein Europa ohne Schlagbäume. Sprich: Die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich müssen endlich aufhören. Denn was ja Europa ausmacht ist, dass ich mich frei bewegen kann, dass ich die Freizügigkeit habe zwischen den Ländern, dass es keine Binnengrenzkontrollen gibt. Und ich finde das furchtbar, auch aus europäischer Sicht, dass Markus Söder sich breitbeinig hinstellt, ständig auf seiner Brust herumtrommelt und sich freut, dass er jetzt eine bayerische Grenzpolizei hat. Dabei brauchen wir die Polizistinnen und Polizisten in der Fläche und die Landespolizei ist für diesen Job eh nicht zuständig.
    Dobovisek: Was müsste Ihnen die CSU anbieten, damit die Grünen mit der CSU zusammenarbeiten?
    Schulze: Wir haben noch einige Wochen bis zur Wahl, bis zum 14. 10. Da konzentrieren wir Grüne uns auf uns, auf unsere Politik. Wir setzen die Themen, die uns wichtig sind, nach vorne, angefangen vom Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen bis hin zu gleiche Rechte und Chancen für Frauen. Es macht mich zum Beispiel unglaublich wütend, dass Frauen immer noch weniger verdienen als Männer für die gleichwertige Arbeit. Und wir haben eine klar proeuropäische und prodemokratische Haltung, und die werden wir auch weiter im Wahlkampf nach vorne stellen. Ich freue mich sehr, dass es so viele Menschen in Bayern gibt, die bei uns eintreten, die mitmachen wollen, die ebenfalls das empfinden, dass wir uns gerade an einer Richtungsentscheidung befinden: Schaffen wir es, dass unser Bayern so schön weltoffen, so demokratisch und freiheitlich bleibt, oder fallen wir zurück in ein antieuropäisches Gehabe. Das wollen wir Grüne nicht und dafür kämpfen wir, dass wir möglichst mit vielen Stimmen am 14. 10. Nach Hause gehen.
    Dobovisek: Und die CSU kämpft dafür aus Ihrer Sicht nicht?
    Schulze: Ich bin nicht für die CSU zuständig. Die muss selber entscheiden, für was sie kämpft und für was sie nicht kämpft. Ich konzentriere mich auf unsere Themen und auf unseren Wahlkampf.
    "Die letzten Wochen waren beherrscht von Eitelkeiten von ein paar CSU-Männern"
    Dobovisek: Dobrindt, Seehofer, Söder – Eitelkeiten haben Sie schon in diesem Zusammenhang genannt. Mit wem aus diesem CSU-Dreigestirn haben Sie die größten Schwierigkeiten?
    Schulze: Ja, es ist richtig. Ich finde, die letzten Wochen waren beherrscht von Eitelkeiten von ein paar CSU-Männern. Jetzt müssen die mit sich selber irgendwie klarkommen und auch schauen, wie sie die nächsten Wochen bestreiten. Das liegt weder in meiner Hand, noch bin ich da die richtige Person, ihnen Tipps und Tricks zu geben, wie sie von ihrem Eitelkeiten-Trip wieder runterkommen.
    Dobovisek: Katharina Schulze, für die Grünen im bayerischen Landtag und die Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Wahlen am 14. Oktober in Bayern. Ich danke Ihnen für das Interview.
    Schulze: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.