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"Sicherheit ist kein Selbstzweck"

Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy hat den Kabinetts-Entwurf zum neuen BKA-Gesetz im Grundsatz begrüßt. Kritik übte er an nach seiner Ansicht unzureichenden Bestimmungen zur Überwachung von Unverdächtigen. Es müsse für die Gefahrenabwehr "zwingend erforderlich" sein, die Wohnung eines Unverdächtigen abzuhören, wenn ein Verdächtigter sich dort aufhalte. Das BKA-Gesetz erlaubt unter anderem die Videoüberwachung von Privatwohnungen und die Online-Durchsuchung von Computern.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Das Bundeskabinett hat heute eine Vorlage des Bundesinnenministers gebilligt: die Novelle des BKA-Gesetzes, die dem Bundeskriminalamt mehr Kompetenzen bei der Terrorbekämpfung zubilligt. So soll die Video-Überwachung von Wohnungen oder auch die Online-Durchsuchung privater Computer möglich werden. Am Telefon ist nun der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses Sebastian Edathy (SPD). Guten Tag Herr Edathy!

    Sebastian Edathy: Guten Tag Herr Spengler.

    Spengler: Das Gesetz wurde heute im Kabinett auch von den SPD-Ministern durchgewunken. Was haben Sie denn dagegen?

    Edathy: Ich habe gegen den Entwurf einige Bedenken und es ist ja völlig normal, dass die Regierung zwar einen Vorschlag für ein neues Gesetz machen kann, aber die Beschlussfassung im Bundestag herbeigeführt wird. Da haben wir nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht dazu, das noch mal sehr genau zu beleuchten und zu durchleuchten, und das werden wir machen, weil es im Detail doch einige Punkte gibt, die kritikwürdig sind.

    Spengler: Nennen Sie uns die wichtigsten?

    Edathy: Da ist zum Beispiel die Regelung bei der Online-Durchsuchung. Da hat das Bundesverfassungsgericht vor wenigen Monaten sehr klar gesagt, der Kernbereichschutz der privaten Lebensführung ist zwingend zu beachten. Da sagt der Entwurf des Bundeskabinetts, die Prüfung, was ist privat an den Daten, was ist nicht privat, soll innerhalb des Bundeskriminalamtes von zwei BKA-Beamten durchgeführt werden. Ich bin der Auffassung, da braucht man eine unabhängige Instanz, die sich beteiligt - das heißt einen Richter oder einen Datenschutzbeauftragten.

    Spengler: Würden Sie damit die Justiz nicht völlig überfordern?

    Edathy: Nein, ganz im Gegenteil. Das Bundesinnenministerium hat ja bisher gesagt, wir sprechen über eine Zahl von 10 bis 12 Fällen im Jahr. Ich denke doch es muss möglich sein, dass man dafür Richter bereitstellt, und wenn die nicht zur Verfügung stehen, muss man sie beschäftigen und einstellen.

    Spengler: Weitere Einwände?

    Edathy: Das betrifft zum Beispiel die Observation mit akustischen und optischen Mitteln in Wohnungen von nicht verdächtigen Personen. Das Gesetz sieht vor - das ist völlig unstrittig, auch unkritisch zu bewerten -, dass man bei Terrorverdächtigen eine Überwachungsmaßnahme in der Wohnung vornehmen darf. Aber es soll auch gelten für solche Wohnungen, wo sich Terrorverdächtige zu Gast aufhalten, ohne dass das qualifiziert ist. Da steht nicht drin, dass das eine zwingende Maßnahme sein muss in der Wohnung eines Unverdächtigen, um die Gefahrenabwehr zu bewerkstelligen. Da steht nur drin, wenn es denn nicht ausreicht in der Wohnung des Verdächtigen, darf man eben auch die anderen Wohnungen ins Visier nehmen. Das halte ich für eine Art Scheunentor, was die Zahl der Überwachungsmaßnahmen ins Beliebige steigern könnte. Das muss man präzisieren und klarer fassen. Das stellt nicht den Kern des Gesetzes in Frage - das Gesetz ist nötig -, aber im Detail ist es jedenfalls in der gegenwärtigen Form nicht so gut wie es sein sollte, wenn es den Bundestag verlässt.

    Spengler: Herr Edathy, um beim letzten Punkt zu bleiben. Das heißt Sie sind eindeutig dafür, dass nur die Wohnungen von Verdächtigen überwacht werden?

    Edathy: Nein! Das ist und sollte auch zulässig sein, dass die Wohnungen von Unverdächtigen überwacht werden. Dann muss aber diese Maßnahme aus sich heraus begründbar sein. Der Gesetzentwurf sagt aber nicht, die Überwachung der Wohnung eines Unverdächtigen, wo sich ein Terrorverdächtiger aufhält, muss zwingend erforderlich sein für die Gefahrenabwehr; das Gesetz sagt im Entwurfsstadium lediglich, wenn es nicht ausreicht beim Verdächtigen, dürft ihr auch beim Unverdächtigen ausspionieren, filmen und abhören. Das ist viel zu weitgehend gefasst. Es muss im Gesetz heißen: Nur dann, wenn die Maßnahme als zwingend erforderlich für die Gefahrenabwehr betrachtet werden kann, kann sie auch in der Wohnung eines Unverdächtigen, wo sich ein Verdächtiger aufhält, zur Anwendung gebracht werden.

    Spengler: Dennoch haben Sie eben gesagt, dass das Gesetz insgesamt notwendig sei. Warum?

    Edathy: Wir haben vor zwei Jahren die Verfassung dahingehend geändert, dass das Bundeskriminalamt erstmals Befugnisse genereller Art zur Prävention von terroristischen Anschlägen bekommt. Bisher musste das Bundeskriminalamt bei den 16 Landeskriminalämtern in der Regel um Erlaubnis fragen, um tätig werden zu können. Das ist glaube ich bei der Dimension der Herausforderung, mit der wir es zu tun haben, völlig unzulänglich und deswegen bilden wir jetzt im BKA-Gesetz das ab, was in den meisten Landespolizeigesetzen schon längst verankert ist. Das ist also insofern nicht Neuland, sondern eine Analogie zu den meisten Landesregelungen.

    Spengler: Und bauen damit das Bundeskriminalamt zu einer Art Super-Spitzelbehörde aus. Das sagt jedenfalls die FDP.

    Edathy: Das ist eine polemische Unterstellung. Das ist natürlich Unfug. Das Bundeskriminalamt darf künftig das, was auch die Landeskriminalämter bisher gedurft haben. Und dass man bei der Gefahr durch El Kaida nicht sagt, dafür ist zunächst mal das Landeskriminalamt in Bremen zuständig, sondern das muss die Bundesbehörde regeln, das ist glaube ich sehr naheliegend.

    Spengler: Kann man sagen, dass das BKA dann irgendwann so etwas ist wie das amerikanische FBI?

    Edathy: Das würde ich nicht vergleichen. Wir haben auch genug Kontrollmechanismen eingebaut. Worauf es ankommt, jetzt auch bei der parlamentarischen Beratung - und die wird mit Sicherheit Monate dauern; wir werden erst im September die Anhörung haben; ich gehe davon aus, wir werden auch erst im Oktober, möglicherweise auch später die Beschlussfassung haben -, wir werden darauf achten, dass eines gesehen wird: Sicherheit ist kein Selbstzweck. Sicherheit können sie auch gut in Nord-Korea oder in Kuba organisieren. Sicherheit in einem Rechtstaat und gerade in der Bundesrepublik Deutschland dient der Bewahrung von Freiheit. Deswegen kommt es unter anderem bei der Online-Durchsuchung darauf an, die gesetzlichen Bestimmungen so zu formulieren, dass diese Balance zwischen staatlichen Sicherheitsinteressen und bürgerlichen Freiheitsrechten ins Lot gebracht wird.

    Spengler: Sebastian Edathy, der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses und SPD-Politiker. Danke für das Gespräch, Herr Edathy.