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Sicherheitskontrollen
Gehirn-Daten als biometrisches Merkmal

Ende letzten Jahres haben Hacker aus dem Chaos Computer Club den Fingerabdruck der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen kopiert. Als Vorlage diente allein ein hochauflösendes Foto. Forscher präsentieren jetzt eine Alternative, die sicherer sein soll. Sie nennen sie Brainprint, Gehirnabdruck.

Von Thomas Reintjes | 29.06.2015
    Computergrafik des menschlichen Gehirns
    In Studien haben die Forscher, unter ihnen Linguisten und Ingenieure, gezeigt, dass die Unterschiede beim Verarbeiten von optischen Sinneseindrücken groß genug sind, um einen Menschen mit 90 bis 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit zu identifizieren. (imago stock&people/Roger Harris/Science Photo Library)
    Biometrische Zugangskontrollen stehen permanent in der Kritik. Fingerabdruck und Iris-Scan seien unsicher, heißt es. Sie lassen sich fälschen und - vielleicht das größere Problem - wenn sie gefälscht wurden, kann der rechtmäßige Besitzer sie nicht ändern. Während man ein Passwort beliebig oft ändern kann, ist bei Fingerabdrücken spätestens nach zehn Fingern Schluss.
    Wissenschaftler suchen deshalb nach anderen Methoden, um Menschen sicher anhand von Körpermerkmalen identifizieren können. Doch ob es der Verlauf von Venen ist oder die Form des Ohres, sie lassen sich nicht bei Bedarf verändern. Zhanpeng Jin von der Universität Binghamton im US-Bundesstaat New York glaubt, eine Lösung gefunden zu haben: im Gehirn.
    "Jeder sieht die Welt ein wenig anders und jedes Gehirn reagiert einzigartig auf verschiedene Farben, Bilder oder Töne."
    Er spricht deshalb von einem Brainprint, einem Hirnabdruck. In Studien haben die Forscher, unter ihnen Linguisten und Ingenieure, gezeigt, dass die Unterschiede beim Verarbeiten von optischen Sinneseindrücken groß genug sind, um einen Menschen mit 90 bis 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit zu identifizieren. Sie zeigten Versuchspersonen dazu verschiedene Reize - von Buchstabenkombinationen bis hin zu bunten Bildern. Dabei zeichneten sie per EEG auf, wie das Gehirn darauf reagiert. Jedes Gehirn reagiere anders, sagt Zhanpeng Jin, weil jeder Mensch andere Erinnerungen und anderes Wissen habe.
    "Ich wurde zum Beispiel, als ich klein war, von einem Hund gebissen. Seitdem werde ich jedes Mal nervös, wenn ich ein Bild von einem Hund sehe. Das ist meine unverwechselbare Erinnerung. Und manchmal reagieren wir auch besonders auf etwas, weil wir nicht viel darüber wissen. Ich weiß zum Beispiel nicht viel über Tiere. Wenn ich ein Bild von einem Tier sehe, reagiere ich deshalb nervös."
    Brainprints für Hochsicherheitsbereiche
    Wie das Gehirn auf solche Reize reagiert, können wir nicht bewusst steuern. Das bedeutet auch: Wenn eine Person unter Druck gesetzt werden würde, ihren Brainprint zu verraten, würde die Stresssituation den Brainprint verändern und ihn nutzlos machen. Die Zugangsdaten sind also einigermaßen diebstahlsicher im Gehirn verschlossen. Und sollte es doch einmal eine Sicherheitslücke geben, sei das kein Problem, sagt Jin:
    "Wir haben es mit einem löschbaren biometrischen Merkmal zu tun. Denn es wird allein von einem äußeren Reiz ausgelöst. Wenn ich den Reiz ändere, kann ich ein anderes Set von biometrischen Hirn-Daten generieren."
    Nicht benutzerfreundlich
    Auch wenn sich Erinnerungen und Wissen im Gehirn verändern, müssen die Daten neu gewonnen werden. Aber in einer Studie blieb der Brainprint bei Versuchspersonen über sechs Monate hinweg stabil. Die ersten Ergebnisse sind also vielversprechend. Doch um das Verfahren weiter entwickeln zu können, müssen die Wissenschaftler jetzt Studien mit mehreren hundert Versuchspersonen durchführen. Und dann ist da noch das Problem mit der Benutzerfreundlichkeit.
    "Aufzeichnung der EEG-Signale zu vereinfachen. Wir können nicht von Nutzern verlangen, diese unhandlichen Hauben zu tragen. Normalerweise wollen Forscher bis zu 64 Kanäle in einem EEG aufzeichnen, aber das ist alles andere als benutzerfreundlich."
    Drei oder vier Elektroden am Hinterkopf würden wahrscheinlich genügen, um Brainprints sicher zu erkennen, sagt Zhanpeng Jin. In fünf Jahren könnte das Verfahren dann schon marktreif sein. Dass es ein Massenprodukt wird, glaubt er aber nicht. Eher etwas für Hochsicherheitsbereiche, zu denen nur wenige Menschen Zutritt haben.