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Sichtbares Zeichen im Geiste der Versöhnung

Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat das vom Bundeskabinett beschlossene Berliner Dokumentationszentrum zu Flucht und Vertreibung als einen "herausragenden Schritt im Hinblick auf die Aufarbeitung eines schmerzlichen Teils deutscher und europäischer Geschichte des 20. Jahrhunderts" bezeichnet. Über sechs Jahrzehnte nach dem zweiten Weltkrieg sei es mehr als an der Zeit, an die dadurch ausgelösten Schicksale von Vertriebenen zu erinnern.

Moderation: Rainer B, Schossig |
    Rainer Berthold Schossig: Heute also hat das Bundeskabinett in Berlin erwartungsgemäß die Einrichtung einer Erinnerungs- und Dokumentationsstätte über Vertreibungen in der Stadt Berlin beschlossen, ein sichtbares Zeichen, wie der Kompromissbegriff so schön lautet. Die Ausstellung - das wird es wohl sein - soll an die Vertreibungen von Millionen Deutschen aus dem Osten erinnern, allerdings im historischen Kontext mit den Verbrechen der Nationalsozialisten. Im Deutschlandhaus nahe dem Potsdamer Platz soll die Schau eingerichtet werden. Vor der Sendung habe ich mich mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann darüber unterhalten, und ich habe ihn zunächst gefragt: Wie ist dieses lange diskutierte, sichtbare Zeichen denn nun konzipiert?

    Bernd Neumann: Der heutige Beschluss des Kabinetts zum Aufbau einer Dokumentationsstätte in Berlin als sichtbares Zeichen gegen Flucht und Vertreibung ist ein herausragender Schritt im Hinblick auf die Aufarbeitung eines schmerzlichen Teils deutscher und europäischer Geschichte des 20. Jahrhunderts. Denn mehr als sechs Jahrzehnte nach dem zweiten Weltkrieg ist es mehr als an der Zeit, an die dadurch ausgelösten Schicksale von Vertriebenen zu erinnern, unter denen sich allein 12 bis 14 Millionen Deutsche befanden, und Ursache und Folgen aufzuarbeiten. Und das ist auch der Ausgangspunkt der Dokumentationsstätte. Wir wollen im Geiste der Versöhnung in Berlin ein sichtbares Zeichen setzen, um an das Unrecht von Vertreibung zu erinnern und Vertreibung für immer zu ächten, und dies in Partnerschaft mit unseren Nachbarländern, insbesondere mit Polen.

    Schossig: Es wird also kein rein deutsches Projekt sein ohne polnische Beteiligung? Da gab es aber Skepsis, als sie in Polen waren. Wie ist das geregelt?

    Neumann: Es ist ein deutsches Projekt, aber die Abstimmung mit der polnischen Seite war mir sehr wichtig. Deswegen habe ich am 5. Februar in Polen gegenüber der dortigen Regierung unser Konzept vorgestellt, die polnische Seite hat die Information und Aufklärung über das Projekt begrüßt, hat es akzeptiert als eine deutsche Angelegenheit und hat angeboten, im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung durch polnische Historiker beratend daran mitzuwirken.

    Schossig: Noch mal ganz konkret, Herr Neumann - die Vertriebenen hatten ja ein Zentrum gegen Vertreibungen gefordert. Nun also das sichtbare Zeichen, ein Kompromissbegriff für das, was Sie vorhaben. Können Sie schon konkret sagen, zum Beispiel wie man sich diese Ausstellung, um die es ja sich hauptsächlich handeln wird im Deutschlandhaus, sich vorstellt, wie sie aussehen könnte?

    Neumann: Ja, ein Schwerpunkt im Deutschlandhaus wird eine Dauerausstellung sein. Und da werden Flucht und Vertreibung der Deutschen den Hauptakzent spielen. Sie müssen sich die Ausstellung so vorstellen, wie es zum Beispiel das Haus der Geschichte schon mal praktiziert hat. Das Haus der Geschichte hat vor zwei Jahren eine Ausstellung gezeigt unter dem Titel "Flucht, Vertreibung, Integration". Eine solche Ausstellung wird auch Einzelschicksale, um sie lebendig zu machen, dokumentieren. Sie wird die Zusammenhänge, die geschichtlichen Zusammenhänge aufzeigen, also Ursache: durch das nationalsozialistische Deutschland ausgelöster Krieg mit all den Folgen. Und es wird auch Wechselausstellungen geben zu aktuellen Themen. Wir wollen also auch die Dokumentation jüngster Vertreibungen, die es leider immer wieder gibt, einbeziehen. Wir wollen auch dort Veranstaltungen stattfinden lassen, das heißt, es soll kein totes Museum werden, sondern ein lebendiger Ort, bei dem die Ursachen für Flucht und Vertreibung aufgezeigt werden, die Folgen dann - durch Bildmaterial, durch mediale Angebote, und auch durch Diskussionen, bei denen wir insbesondere junge Leute ansprechen wollen.

    Schossig: Erinnern nach vorn also. Das war Kulturstaatsminister Bernd Neumann zum Projekt Erinnerungs- und Dokumentationsstätte über Vertreibungen in Berlin, das heute im Bundeskabinett beschlossen wurde.