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Sie können auch anders

Ulrike Burgwinkel: Dass ein bestimmtes Studium auf jeden Fall zuverlässig in einen bestimmten Beruf mündet, ist heute wirklich nur noch die Ausnahme, aber das muss ja gar kein Nachteil sein. Im Gegenteil: Auf Umwegen zum Erfolg, so heißt ein soeben erschienenes Buch, und eine der Autorinnen begrüße ich jetzt am Telefon, Sibylle Kirch. Frau Kirch, Sie haben in Ihrem Buch ganz viele verschiedene Lebensläufe gesammelt. Was war denn Ihr Auswahlkriterium.

    Sibylle Kirch: Unser Auswahlkriterium beruhte erst mal auf Zufällen, also dass sich mehrere Bekannte und Freunde gefunden haben, die immer interessante und vielfältige Lebensläufe hatten. Daraus ergab sich dann, dass wir das Buch schreiben wollten und lauter Leute mit abgeschlossenem Studium und mit möglichst breitem Spektrum an Studienabschlüssen gesucht haben.

    Burgwinkel: Das mussten aber doch nicht nur Leute sein mit verschiedenen Studienabschlüssen, sondern, wenn ich das richtig verstanden habe, mussten das doch Biografien mit Brüchen sein beziehungsweise Patchwork-Biografien.

    Kirch: Genau, das war das Allerwichtigste dann, dass die Leute ihr Studium schon vor ein paar Jahren abgeschlossen hatten, also zwei drei Jahre vorher, und seitdem schon verschiedenste Patchwork-Erfahrungen gemacht haben und auch Erfahrungen gemacht haben mit Unsicherheit und Arbeitslosigkeit, also nicht vordergründig, aber immer wieder, es sollten schon mindestens zwei bis drei Brüche drin sein.

    Burgwinkel: Und man kann sagen, dass Sie sich im Grunde genommen mit dem Arbeitsmarkt für Akademiker in Ihrem Buch beschäftigen. Viele Fallbeispiele sind da, aber es sind natürlich auch ganz allgemein gehaltene Regeln und Tipps drin. Wie schätzen Sie denn generell den Arbeitsmarkt für Akademiker ein? Gibt es zum Beispiel viele neue Berufe, an die man jetzt im Moment noch gar nicht gedacht hat?

    Kirch: Es gibt eine Menge neuer Berufe. Wir haben ja auch darüber geschrieben, dass wir beim Übergang zur Wissensgesellschaft sind, und von daher ergeben sich schon neue Berufe, also dass der Generalist eigentlich immer mehr gefragt, der in verschiedensten Firmen dann Wissen zusammenträgt, oder auch vermittelt zwischen verschiedenen Fachparteien. Es gibt ja schon eine ganze Menge neue Berufe wie Fundraiser, Webmaster, PR-Manager, Wissensmanager usw. Das sind alles Berufe, die eigentlich keine Ausbildung haben, sondern meistens aus Fortbildungen oder aus Selbstlernen hervorgegangen sind.

    Burgwinkel: Und eine große Chance, zum Beispiel für Geisteswissenschaftler, aber auch vielleicht für Theologen.

    Kirch: Ja, eine große Chance für Geisteswissenschaftler, aber eigentlich auch für alle Akademiker, weil mittlerweile sind ja auch viele Architekten, Techniker, usw. arbeitslos. Es sieht im Moment generell nicht gut aus, so dass wirklich eher spezialisierte Berufsgruppen ohne Arbeit dastehen, und auch für diese Leute ist das natürlich eine große Chance, weil sie eben die gleichen Fähigkeiten aus ihrem Studium mitbringen wie Teamarbeit oder auch die Fähigkeit, sich selbst Wissen anzueignen, die ja alle Akademiker mitbringen, und das ist das Wichtigste.

    Burgwinkel: Hat sich denn eigentlich die Selbständigkeit als Lösung auch ergeben bei Ihren Recherchen?

    Kirch: Ja, es ist häufig eine Lösung, häufig auch eine Zwischenlösung. Wir haben es unter neuer Selbständigkeit zusammengefasst. Das ist eben der Gegensatz zum klassischen Unternehmer, wie wir ihn noch kennen, derjenige, der eine große Firma aufmacht mit vielen Angestellten. Das sind meistens Akademiker, die kleine Aufträge bekommen und sie von Zuhause abarbeiten oder eben sogar in Büros sitzen, nur nicht angestellt sind, woraus ja auch der Konflikt entstanden ist, wo ist die Grenze zwischen Selbständigkeit und abhängig Beschäftigten. Daher wurde ja auch das Scheinselbständigengesetz erlassen. Die Problematik ist, dass die neuen Selbständigen, eben meistens gar nicht gut davon leben können.

    Burgwinkel: Hart an der Grenze zum Selbstausbeuten?

    Kirch: Ja, hart an der Grenze zum Existenzminimum. Teilweise bleiben manchmal monatelang die Aufträge aus und die Betroffenen sind ja nicht sozialversichert, also sie können nicht zwischendurch zum Arbeitsamt, und müssen dann das, was sie vielleicht gerade mal ein bisschen angesammelt haben, auch wieder verbrauchen, und dahin geht der Trend eindeutig.

    Burgwinkel: Das hört sich jetzt nicht so schrecklich positiv an, aber in Ihrem Buch gibt es auch, wie ich finde, sehr schöne Ansätze, zum Beispiel Mut haben, Fantasie entwickeln, die Träume verwirklichen, wo Sie wirklich auch zu raten. Kann man das eigentlich alles auch alleine leisten?

    Kirch: Ja, Viele können es alleine lassen. Es gibt Leute, die genau wissen, was sie wollen. Sie haben einen bestimmten Traum im Kopf und haben vielleicht Glück und treffen die richtigen Leute. Es gibt auch neue Gründerinnenzentren oder Gründerzentren wie die Weiberwirtschaft in Berlin, wo sich mehrere Leute zusammenfinden. Und Andere, die vielleicht nicht so genau wissen, wie ihr Traum aussieht, gehen dann eher zur Berufsberatung, zu Coaches, und lassen sich dann da auf die Sprünge helfen. Da werden Fragen gestellt, und Viele finden da erst raus, was sie eigentlich wirklich können und wollen und verabschieden sich dabei auch von ihren negativen Glaubenssätzen.

    Burgwinkel: Was wahrscheinlich auch ganz wichtig ist.

    Kirch: Ganz wichtig, ja. Das ist auch unsere Erfahrung, auch mit diesem Buch. Wir sind jetzt keine Autorinnen gewesen und haben auch nicht Germanistik studiert, sondern wir haben einfach gesagt, wir träumen davon, ein Buch zu machen, und wir haben es einfach gemacht, und es hat geklappt.

    Burgwinkel: Vielen Dank für das Gespräch.

    "Auf Umwegen zum Erfolg" von Sibylle Kirch ist im Ch.-Links-Verlag erschinen, ISBN 3861532735, und kostet 14,90 Euro.