Archiv


Sie werden noch lange gebraucht

Hochhäuser säumen die Kreuzung am Rand von Sarajevo: 15, 20 Stockwerke, graue Fassaden. Einschusslöcher in den Hauswänden zeugen vom vergangenen Krieg. Seit zehn Jahren ist er zu Ende. Menschen hasten zu Kiosken, zur Straßenbahn. Unten in den Häusern laden kleine Cafes und Läden ein. Im Schatten der Bäume sitzen Taxifahrer auf einer Bank, warten auf Kunden, plaudern. Die Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas macht einen ruhigen Eindruck. Nur noch 6.000 Soldaten der EU-Militärtruppe sichern den Frieden. In Sarajewo hört man nur selten Polizeisirenen.

Von Thomas Franke |
    Zwar werden auch in Sarajevo Autos gestohlen, es gibt Raub und Diebstahl, Drogenhandel, die übliche Kleinkriminalität, auch Morde. Doch die Stadt sei sicherer als Hauptstädte in der Europäischen Union, behauptet der Däne Jesper Knut Friedrichsen. Friedrichsen ist einer der Leiter der Polizeimission der Europäischen Union in Bosnien-Herzegowina.

    "Ich hab in diesem Land noch nie ein Verbrechen beobachtet. Wirklich, hab' ich nicht. Ich möchte dazu sagen, dass ich überall in diesem Land herumgereist bin, aber trotzdem noch nie Zeuge eines Verbrechens wurde.(Lachen) Sie sehen nicht so häufig wie in unseren Heimatländern betrunkene Leute auf der Straße oder so etwas. (...) Ich habe in den eineinhalb Jahren hier noch nie einen Betrunkenen auf der Straße gesehen."

    Andererseits werden durch Bosnien-Herzegowina Waffen, Drogen und Menschen geschmuggelt. Die Korruption blüht, Kriegsverbrecher verstecken sich. Bosnien-Herzegowina war während des Krieges und ist auch jetzt noch ein Eldorado für Kriminelle.

    Die EU-Polizeimission hat kein Exekutivmandat, das heißt: sie darf bei Verbrechen nicht selbst eingreifen. Darin unterscheidet sie sich entscheidend von ihrer Vorgängerin, der internationalen Polizeimission IPTF unter Leitung der Vereinten Nationen.

    Die IPTF war gleich nach dem Krieg in Bosnien-Herzegowina etabliert worden. Jedem patrouillierenden einheimischen Polizisten wurde damals ein internationaler Polizist an die Seite gestellt. Einmal, um die bosnischen Polizisten zu überwachen, zum anderen, um professionelle Standards weiterzugeben. Vor knapp zwei Jahren lief das Mandat der IPTF aus. Seitdem gehen die bosnischen Polizisten wieder allein auf Streife.

    Die Nachfolgemission unter Leitung der EU begann 2003 und war zunächst auf zwei Jahre befristet. Im November haben die Außenminister der EU ein Folgemandat beschlossen. Bisher waren etwa 500 EU-Polizisten in dem Balkan-Staat tätig. Künftig sollen es noch 180 sein, dafür aber höherrangige Polizisten. Außerdem wird die EU-Polizei in Zukunft den gesamten Kampf gegen organisierte Kriminalität koordinieren. Das umfasst auch die polizeiliche Arbeit der EU-Forces, der Militärmission der EU.


    Die EU-Polizeimission ist Teil des Programms, mit dem die Union den Aufbau von Institutionen in dem Balkanland unterstützt. Die Mission soll eine leistungsfähige Polizeiführung aufbauen und organisierte Kriminalität und Korruption verhindern. Weiter soll sie die Arbeit der Polizeistreifen verbessern und Unabhängigkeit und Verantwortungsbewusstsein fördern.

    Die EU-Polizeimission untersteht dem Büro des Beauftragten für Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Javier Solana. Die EU hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Balkan – und damit auch Bosnien - zu stabilisieren. Dafür wurde der Stabilitätspakt ins Leben gerufen.

    Die EU-Polizisten arbeiten in nahezu allen Bereichen mit den bosnischen Behörden zusammen. Sie beobachten, wie sich die einheimischen Polizisten verhalten, leiten sie an und bilden sie fort. Sie stärken die Kriminalpolizei, verbessern die Aus- und Fortbildung und bauen ein Kontrollwesen innerhalb der bosnischen Polizei auf, damit Korruption oder andere Arten von Fehlverhalten geahndet werden können. Außerdem beraten die EU-Polizisten ihre bosnischen Kollegen bei der Öffentlichkeitsarbeit und finanziell; sie bauen einen Grenzschutz auf und etablieren ein landesweites Kriminalamt.

    Die Regierung Bosnien-Herzegowinas sei mit der Arbeit der EU zufrieden, sagt Bojan Zec-Filipovic, Sprecher der Regierung Bosnien-Herzegowinas.

    "Wir sparen mit dieser massiven europäischen Präsenz bei uns Zeit. Die bringen ihre Sachkenntnis mit und ihre Erfahrung, und wir nehmen das schnell auf und setzen es um. Wir versuchen, damit die Zeit aufzuholen, die wir in den letzten zehn Jahren verloren haben."

    Gerade im Bereich der Polizei gibt es jedoch große Hindernisse. Bosnien-Herzegowina ist noch immer gespalten. Vertreter der drei großen Volksgruppen blockieren wechselweise politische Fortschritte. Das politische System Bosniens erinnert an einen wild zusammengenähten Flickenteppich. Es gibt zehn Kantone, dementsprechend viele Regionalregierungen. Insgesamt gibt es in dem Balkanland mit nicht mal fünf Millionen Einwohnern weit mehr als 100 Minister. Die Administration verschlingt nach Angaben von Insidern 70 Prozent des Staatsbudgets. Reformen funktionieren häufig nur auf Druck der immer noch weisungsbefugten UN-Vertreter, an deren Spitze künftig der CDU-Politiker Christian Schwarz-Schilling stehen wird.

    Es hat lange gedauert, bis sich die Politiker einigen konnten, die Polizeireform auf den Weg zu bringen. Der Umbau der Polizei zählt zu einem der letzten Mammutwerke in dieser Phase der Nachkriegszeit.

    Ortstermin am Ufer der Save. Bosnische Grenzpolizisten machen ein weißes Motorboot klar. Auf der anderen Seite des Flusses ist Serbien-Montenegro. Die Grenzschützer nennen es die "Blaue Grenze". Die Ufer sind bewaldet, hier und da stehen Häuser am Ufer, dichtes Gebüsch.

    Die Staatsgrenze Bosniens wird mit Hilfe der EU ausgebaut. Allein die Bundesrepublik hat dazu bisher zwei Millionen Euro beigesteuert. An den Grenzübergängen durchleuchten Grenzer Dokumente mit neuester Technik, alles ist computergestützt, neu, sauber, großzügig. Die Maßnahmen sind Teil eines größeren Programms der EU, die zur Zeit alle Anrainerstaaten mit Technik ausstattet und Experten trainiert.

    Die Grenze ist trotzdem nicht hundertprozentig kontrollierbar. Dragan Kulic, der Chef der bosnischen Grenzpolizei, steht auf der Wiese und bindet sich eine rosa Schwimmweste um.

    "Eigentlich sollte diese blaue Grenze ein natürliches Hindernis sein. Aber es gibt kaum Felsen oder so etwas. Die Grenze ist einfach zu queren. Sie liegt auf der so genannten Balkanroute. Die Schmugglerbanden versuchen alles, um diese Grenze auf dem Weg nach Westeuropa zu überqueren."

    Nach dem Krieg waren in der Grenzgegend zahlreiche Zwangsprostituierte und illegale Bordelle. Das berichten Polizisten und Vertreterinnen von Hilfsorganisationen einhellig. Mittlerweile gäbe es viel weniger Bordelle und Menschenschmuggel an diesem Teil der Grenze, sagt Dragan Kulic, Chef der bosnischen Grenzpolizei:

    "Es ist schwierig zu sagen, ob Menschenschmuggel hier einfacher ist oder woanders. Diese Gegend hier wird von der so genannten Albaner-Connection kontrolliert. Das Kosovo und Mazedonien sind die Sammelpunkte, und dann geht es weiter nach Bosnien, Serbien oder Kroatien."

    Es sei gar nicht möglich, eine Grenze rund um die Uhr zu überwachen und illegale Grenzübertritte vollständig zu verhindern, erläutert der Franzose Lambert Lucas. Lucas ist stellvertretender Leiter der EU-Polizeimission. Es gäbe jedoch Fortschritte.

    "In den letzten Jahren gab es nur noch 23 Fälle illegalen Menschenhandels, vor allem Frauen, die aus Bosnien in andere Länder verschleppt wurden. Der Punkt ist, dass wir jetzt hier die Transitroute sind, im Schmuggel mit Frauen, Kindern, illegalen Migranten aus Osteuropa und aus dem fernen Osten des Kontinents. Viele dieser Frauen kommen aus Moldau, Rumänien, der Ukraine. Die kommen nach Bosnien, bleiben hier einige Tage oder Monate und werden dann nach Westeuropa gebracht."

    Mittwochabend in einem Fernsehstudio in Sarajevo. Der Trailer zu der Sendung "Nerijesen Slucaj" läuft. "Nerijesen Slucaj", "Ungelöste Fälle", ist eine Art bosnisches "XY-Ungelöst". Polizeiwagen fahren durch das Bild, ein Auto wird von Maschinengewehren durchlöchert, der ermordete Fahrer sackt zusammen. Fingerabdrücke füllen den Bildschirm, schummeriges Licht, eine Telefonnummer wird eingeblendet. Seit Anfang Oktober sendet der öffentlich-rechtliche Fernsehkanal BHT 1 die Sendung jeden Monat. Das Projekt wird von der EU gefördert. Es soll helfen, mehr Verbrechen aufzuklären.

    In den ersten Sendungen ging es unter anderem um Morde und Diebstähle, Autobesitzer haben erfahren, wie die Codes ihrer Autos geknackt werden und wie sie sich dagegen schützen können. Die Fälle sollen Stück für Stück härter werden.

    In Bosnien-Herzegowina haben viele Menschen Angst, mit der Polizei zu arbeiten. Immer wieder ist es vorgekommen, dass Zeugen, die der Polizei Hinweise gegeben haben, von Kriminellen angegriffen wurden. Auch Amarilo Gutic, Redaktionsleiter von "Nerijesen Slucaj", ist in der Vergangenheit mehrfach bedroht worden.

    "Nerijesen Slucaj" ist ein Projekt in Zusammenarbeit mit Sipa, der State Investigation- and Protection-Agency, einer Art bosnisches Bundeskriminalamt. Sipa gibt es seit dem Sommer 2004. Bis Ende des Jahres soll Sipa 900 Mitarbeiter haben.

    Sipa beschäftigt sich mit dem Schmuggel durch organisierte Banden, mit Drogenhandel und Falschgeld, Korruption, auch bei Politikern oder Polizisten, selbst mit der Jagd nach Kriegsverbrechern und Terroristen. Sipa schützt Politiker und Mächtige. Sipa soll überregional ermitteln und die unterschiedlichen Dienste koordinieren. Stellvertretender Leiter von Sipa ist Dragan Lukac.

    "Ich beobachte, dass Sipa sich als Institution auf der höchsten Ebene der Polizei in Bosnien-Herzegowina verankert hat und auf der lokalen Ebene fußt. Ich denke, da sind wir auf dem richtigen Weg."

    Sipa hat, um die Angst der Bevölkerung zu durchbrechen, eine Telefon-Hotline eingerichtet. "Krimo Lovzi", "Verbrecherjagd", heißt sie. Dort können Bürger anonym anrufen und Straftaten anzeigen oder Hinweise zu Verbrechen geben. Im ersten Jahr gingen mehr als 4.000 verwertbare Hinweise ein.

    Richtig heikel wird es, wenn Sipa die korrupten Verflechtungen zwischen der Unterwelt und Politikern, aber auch die zwischen Kriminellen und der Polizei aufdecken und bekämpfen soll. Dafür muss Sipa unabhängig sein. Weder Politiker noch andere Polizisten sollen dessen Ermittlungen beeinflussen können. Gleichzeitig muss Sipa gesellschaftlich und politisch kontrolliert werden. Das ist gefährlich in einem Land wie Bosnien-Herzegowina, denn es gibt keine gefestigten demokratischen Institutionen und auch keine zivilgesellschaftliche Tradition. David Hamilton, ein Kriminalrat aus Nordirland, baut seit Mai dieses Jahres auf der EU-Seite Sipa auf.

    "Es gibt in jeder Polizeiorganisation der Welt Leute, die sich nicht korrekt verhalten. Deshalb etablieren wir eine interne Kontrolle. Und wir EU-Polizisten beobachten und untersuchen deren Arbeit, damit den Beschwerden, die aus der Bevölkerung kommen, auch nachgegangen wird."

    Wer bestechlich ist, der müsse die Polizei verlassen, unterstreicht Hamilton. Himzo Selimovic, der Polizeichef der Region Sarajevo, meint, die EU müsse noch lange vor Ort bleiben und den Bosniern sagen, was richtig oder falsch sei.

    "Das dauert so lange, bis die Leute, die in hohen Positionen sitzen, begriffen haben, dass sie die Interessen der Bevölkerung vertreten müssen, vor ihren eigenen. Ich wäre froh, wenn das bereits heute oder morgen so weit wäre."

    Besonders sichtbar wird das Problem, wenn es um die Jagd nach Kriegsverbrechern geht. Die lange Liste des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag mit schweren Kriegsverbrechern, ist zwar mittlerweile auf sieben geschrumpft, die beiden Hauptverdächtigen der bosnischen Serben, Radovan Karadzic und Ratko Mladic, sind jedoch immer noch nicht verhaftet. Seit zehn Jahren suchen Soldaten und Polizisten die mutmaßlichen Kriegsverbrecher, ergebnislos. Es heißt, die beiden hielten sich im serbisch dominierten Teil des Landes auf und würden dort von der Bevölkerung, von Politikern und Teilen der Polizei gedeckt. In Teilen der Republika Srpska gelten die Kriegsverbrecher als Helden. Dazu Lambert Lucas, stellvertretender Leiter der EU-Polizeimission:

    "Ich habe keine Hinweise darauf, dass die Polizei in der Republika Srpska kriminelle Netzwerke unterstützt, die Kriegsverbrecher decken. Wir können uns vorstellen, dass so etwas vielleicht in der Vergangenheit passiert ist. Aber jedesmal, wenn wir so etwas mitbekommen, wird unsere Reaktion so nachdrücklich sein, wie unser Mandat es erlaubt. Und wir werden nicht zögern, jede Möglichkeit zu nutzen, um das zu korrigieren und die Polizisten zu feuern, die so etwas machen. Man muss sehr vorsichtig sein und darf, sagen wir mal, Einzelfälle, nicht generalisieren. Natürlich wissen wir von Korruptionsfällen oder Vorschriften, die nicht eingehalten werden. Das ist ein Prozess, so etwas passiert nicht über Nacht. Sie brauchen Zehntausende Ermittler, um diese Strukturen aufzubrechen. Diese Netzwerke werden eines nach dem anderen zerstört, und die lokale Polizei wird dann ihren Job anständig machen können."

    In der Provinz sind Clanstrukturen sehr weit verbreitet, und die Polizisten waren und sind immer noch häufig ein Teil davon. Diese Strukturen aufzubrechen sei zwar schwer, doch lösbar, sagt David Hamilton, Leiter der Sipa bei der EU-Polizeimission.

    "Wir fordern die Polizisten auf, die Art der Arbeit zu ändern, die sie seit Jahren kennen. Wir haben deshalb auch ein Ethiktraining etabliert, gerade für junge Polizisten. Diese Polizisten sollen gleich besser ausgebildet anfangen."

    Dragan Lukac, Chef des bosnischen Kriminaldienstes Sipa, verweist auf die Erfolge in den zehn Jahren nach dem Krieg.

    "Ich glaube, dass die alten politischen Strukturen zusammengebrochen sind. Es gibt in Bosnien-Herzegowina nur noch wenige, die auf dem Posten arbeiten, den sie vor dem Krieg hatten. Genau das ist auch der Grund, warum wir der Ausbildung des neuen Personals besondere Aufmerksamkeit widmen. Denn so wie früher kann man hier nicht mehr arbeiten."

    Ganz ohne die alten Eliten geht es aber auch in Bosnien-Herzegowina nicht. Es gibt zu wenig unbelastete Leute, auch in der Polizei. Darunter leide derzeit vieles, versichert auch Himzo Selimovic, Polizeichef des Kantons Sarajevo. Er geht gleich einen Schritt weiter. Die Vermögen der alten Eliten müssten überprüft werden, um Verbrechen der Vergangenheit auf die Spur zu kommen.

    "Wir müssen bei gewissen Leuten vergleichen, wieviel Vermögen sie vor dem Krieg hatten und was sie heute besitzen. Wenn man dabei im Hinterkopf hat, wie schlecht die Bezahlung war, dann kann das kriminelle Machenschaften und Zusammenhänge aufdecken, und die Leute können zu Verantwortung gezogen werden. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es jemals die Bereitschaft geben wird, so etwas zu tun."

    Auch weil Polizisten sich in der Vergangenheit auf Kosten der Bevölkerung bereichert haben, ist das Vertrauen der Menschen in die Polizei nachhaltig gestört. Mit Hilfe der EU-Polizeimission soll es wiederhergestellt werden. Polizisten sollen wieder ein Teil des Gemeinschaftslebens werden, jedoch mit der nötigen Distanz und Integrität. Sie sollen nicht die Profiteure lokaler krimineller Machenschaften sein.

    Die EU-Polizisten leben die Distanz gegenüber der Bevölkerung vor, erläutert EU-Polizeioffizier Jesper Knud Friedrichsen.

    "Zum Beispiel gab es da ein Fußballspiel in Banja Luka, bei dem es hinterher einige Verstimmung gab. Bei dem Spiel sprang einer aus dem Publikum auf das Feld und rannte zwischen den Spielern herum. Schließlich schlug er einen Fußballer. Und es war meine Aufgabe, den Bosniern mitzuteilen, dass sie sich in Zukunft anders verhalten müssen. Da kann man mit den Leuten nicht befreundet sein. Da braucht man eine professionelle Haltung, mit der man klarmacht, wie die Polizei in Bosnien-Herzegowina arbeiten soll. Wir haben dann diskutiert, wie man vermeiden kann, dass solche Leute überhaupt ins Stadion kommen und wie man so etwas verhindert."

    Dabei ginge es auch um ein distanziertes Verhältnis der Polizisten untereinander, unterstreicht Friedrichsen.

    "Wir sind Profis, und ich möchte diesen professionellen Ansatz hierher bringen. Also, ich gehe zu den bosnischen Kollegen und wir diskutieren. Aber wir machen das bei Konferenzen. Ich habe bisher an keinem privaten Treffen oder Mittagessen teilgenommen. Profis sollten, meiner Ansicht nach, so nicht arbeiten. Wir tauschen zwar auch Privates aus, zum Beispiel, dass ich drei Kinder habe, aber auf einer geschäftlichen Ebene, höflich. Man wird dann nicht so weit hineingezogen. Das wäre nicht professionell. Denn ich hab auch die Macht und die Pflicht, die Kollegen anzuleiten, und ich muss sagen, wenn ich mit dem, was sie machen, nicht zufrieden bin."

    Bei allen Fortschritten in den letzten zehn Jahren wird es noch eine ganze Zeit dauern, bis sowohl die Soldaten der militärischen EU-Mission als auch die EU-Polizeimission das Land verlassen können. Jesper Knud Friedrichsen, einer der Leiter der Polizeimission, befürwortet eine Strategie, die auf weitere zehn bis 20 Jahre angelegt ist.

    "Um in Europa integriert zu werden, müssen die Bosnier den, wie soll man sagen, professionellen, vielleicht sogar bürokratischen Ansatz, verinnerlichen, den wir in Europa bevorzugen. Denn dieser Ansatz sorgt für Transparenz, und die Leute sehen, wie die Behörden arbeiten."

    Auch die Bosnier möchten noch nicht auf die Unterstützung durch die EU-Polizisten verzichten, versichert Himzo Selimovic, Polizeichef des Kantons Sarajevo.

    "Um unsere derzeitigen und die kommenden Probleme zu lösen und eine gute Polizei zu etablieren, kann die nächste Mission kleiner sein. Und die Polizeioffiziere sollten Managementerfahrung haben. Außerdem müssen die angefangenen Projekte beendet werden. Auch die Kooperation zwischen der Bevölkerung und der Polizei muss verbessert werden. Meiner Ansicht nach sollte das Mandat etwas stärker sein. Wenn die EU-Polizeimission das starke Mandat der Internationalen Polizeitruppe IPTF gehabt hätte, wäre einiges schneller verlaufen."