Nachmittag auf dem Campus der serbischen Universität Novi Sad: Kurz vor Semesterende ist in den Studentencafés im Freien kaum ein freier Platz zu bekommen. Über 40 000 Studierende sind in Novi Sad immatrikuliert. Doch die meisten haben "Null Bock" auf ein Auslandssemester.
"Das kostet doch einen Haufen Geld. Und deshalb kommt für mich ein Auslandsaufenthalt nicht infrage. Ich habe das Geld nicht, wüsste auch nicht, wo ich es herbekommen sollte. Und so ein Auslandsaufenthalt ist eben einfach teuer."
sagt Nikola Jikovic; er studiert im dritten Semester Elektrotechnik. Annah Ivanovic hat sich für den Studiengang 'Tourismus' entscheiden - und darf ab dem kommenden Semester für ein halbes Jahr an eine Uni in Spanien.
"Also bei mir hat das gut funktioniert. Allerdings: Ich beziehungsweise meine Eltern werden alle Kosten selbst finanzieren. Sonst hätte es auch nicht geklappt mit dem Ausland. Denn alle Institutionen, die angeblich Stipendien vergeben, haben mir nicht geholfen. Ich muss alles selbst bezahlen."
Will heißen: Wer keine gut betuchten Eltern hat, tut sich schwer mit einem oder mehreren Semestern in einem anderen Land - selbst wenn er Tourismus studiert:
"Also in meiner Gruppe im Tourismus-Studium haben sich zehn fürs Ausland beworben. Und aus finanziellen Gründen gehen aber nur drei weitere. Die anderen hatten keine Chance, die Kosten zu bezahlen."
Die Kosten für die Reise, für ein Zimmer irgendwo weit fort, für den teueren Lebensunterhalt in Westeuropa nennen die serbischen Studierenden häufig als Gründe dafür, lieber zuhause zu bleiben. Vladimir Todorowitsch, Studentensprecher an der Technischen Fakultät der Universität Novi Sad, sieht noch eine weitere Schwierigkeit:
"Das größte Problem, glaube ich, ist das Visa. Die Studenten hier können nicht so leicht Visa bekommen."
Selbst ehemalige osteuropäische 'Bruderländer, die jetzt zur EU gehören, sind für Studierende aus Serbien ohne Visum unerreichbar. Dabei sind Finanzierung und Visumshürden nicht die einzige Gründe. Studentensprecher Vladmir Todorowitsch hat noch eine andere Beobachtung gemacht:
"Die andere Sache ist ja, dass die sich gar nicht so wahnsinnig für die Stipendien interessieren. Die sind nicht so motiviert. Die wissen nicht genug über Stipendien."
Das bestätigt auch Professorin Fuada Stankovic, bis 2004 Rektorin der Universität Novi Sad. Heute leitet sie ein Unesco-Projekt zur Vertiefung internationaler Kontakte und vermittelt auch Stipendien. Allerdings:
"Es sind nur wenige Studenten, die sich auch tatsächlich bewerben. Und das sehen wir bei Stipendien genauso wie bei anderen Austauschprogrammen, wo Organisationen beispielsweise ein vierwöchiges Praktikum anbieten. Aber wie gesagt: Die Zahl der Bewerber bei uns ist eher gering."
Dabei verweist die Ex-Rektorin auf eine Statistik: Demnach kommt in Serbien auf drei Stipendien im Rahmen des europaweiten Erasmus-Mundus-Projektes nur ein Bewerber. Oder andersherum: Zwei von drei Stipendien bleiben ungenutzt. 80 Prozent aller serbischen Studierenden verlassen ihr Land während der Ausbildung an der Hochschule nicht. Diese Scheu vor einem oder mehreren Auslandssemester habe, so Fuada Satankovic, tiefere Ursachen, die mit der jüngsten Geschichte Serbiens zusammenhängen: Erst der Bosnien-Krieg, dann der Kampf ums Kosovo. Serbien, der Feind Westeuropas - so sah in den 90er Jahren ein gängiges Vorurteil aus. Und das sitze bis heute tief auch in den Köpfen der serbischen Studierenden, meint Fuada Stankovic:
"Viele unserer Studierenden haben ganz einfach Angst vor Westeuropa. Da herrscht noch der Irrglaube vor: Wenn die dort merken, dass ich aus Serbien komme, dann glauben die gleich, ich gehöre zu den Schrecklichen - was natürlich nicht wahr ist."
Deshalb setzt sich Fuada Stankovic für eine Intensivierung der Auslandskontakte ihrer Hochschule ein. Nur so können Vorurteile abgebaut werden. Auch Visa-Erleichterungen und die Ankündigung neuer Stipendien speziell für junge Menschen aus Serbien seien ein Schritt in die richtige Richtung - ein Schritt, der auch im ureigenen Interesse Westeuropas liege, glaubt Fuada Stankovic. Radikalisierungstendenzen könne man zuweilen vor allem in bestimmten Schichten beobachten, wenn sie auch in der Gesamtzahl der der Studierenden keine große Rolle spielten.
"Natürlich haben wir viele Studierende, die sich von diesen rechtsgerichteten Parteien bei uns beeinflussen lassen, vor allem diejenigen, die aus den verarmten Regionen Bosniens kommen, aus Flüchtlingsfamilien stammen oder wo die Eltern arbeitslos sind, also die Verlierer des Transformationsprozesses."
Solchen Tendenzen lasse sich, so Fuada Stankovic, am wirkungsvollsten mit einer Verbesserung der Auslands-Studienmöglichkeiten entgegen wirken. Die Mehrzahl der serbischen Studierenden wird, trotz der gegenwärtigen 'Auslands-Scheu', über kurz oder lang darauf zurückgreifen, glaubt Studentensprecher Vladimir Todorowitsch:
"Serbien geht über kurz oder lang seinen Weg in die Europäische Union. Und die jungen Leute sind die Hauptkraft, die auf diesen Weg wollen. Die jungen Leute sind für Europa, nicht für Russland, sondern in erster Linie für die Europäische Union."
"Das kostet doch einen Haufen Geld. Und deshalb kommt für mich ein Auslandsaufenthalt nicht infrage. Ich habe das Geld nicht, wüsste auch nicht, wo ich es herbekommen sollte. Und so ein Auslandsaufenthalt ist eben einfach teuer."
sagt Nikola Jikovic; er studiert im dritten Semester Elektrotechnik. Annah Ivanovic hat sich für den Studiengang 'Tourismus' entscheiden - und darf ab dem kommenden Semester für ein halbes Jahr an eine Uni in Spanien.
"Also bei mir hat das gut funktioniert. Allerdings: Ich beziehungsweise meine Eltern werden alle Kosten selbst finanzieren. Sonst hätte es auch nicht geklappt mit dem Ausland. Denn alle Institutionen, die angeblich Stipendien vergeben, haben mir nicht geholfen. Ich muss alles selbst bezahlen."
Will heißen: Wer keine gut betuchten Eltern hat, tut sich schwer mit einem oder mehreren Semestern in einem anderen Land - selbst wenn er Tourismus studiert:
"Also in meiner Gruppe im Tourismus-Studium haben sich zehn fürs Ausland beworben. Und aus finanziellen Gründen gehen aber nur drei weitere. Die anderen hatten keine Chance, die Kosten zu bezahlen."
Die Kosten für die Reise, für ein Zimmer irgendwo weit fort, für den teueren Lebensunterhalt in Westeuropa nennen die serbischen Studierenden häufig als Gründe dafür, lieber zuhause zu bleiben. Vladimir Todorowitsch, Studentensprecher an der Technischen Fakultät der Universität Novi Sad, sieht noch eine weitere Schwierigkeit:
"Das größte Problem, glaube ich, ist das Visa. Die Studenten hier können nicht so leicht Visa bekommen."
Selbst ehemalige osteuropäische 'Bruderländer, die jetzt zur EU gehören, sind für Studierende aus Serbien ohne Visum unerreichbar. Dabei sind Finanzierung und Visumshürden nicht die einzige Gründe. Studentensprecher Vladmir Todorowitsch hat noch eine andere Beobachtung gemacht:
"Die andere Sache ist ja, dass die sich gar nicht so wahnsinnig für die Stipendien interessieren. Die sind nicht so motiviert. Die wissen nicht genug über Stipendien."
Das bestätigt auch Professorin Fuada Stankovic, bis 2004 Rektorin der Universität Novi Sad. Heute leitet sie ein Unesco-Projekt zur Vertiefung internationaler Kontakte und vermittelt auch Stipendien. Allerdings:
"Es sind nur wenige Studenten, die sich auch tatsächlich bewerben. Und das sehen wir bei Stipendien genauso wie bei anderen Austauschprogrammen, wo Organisationen beispielsweise ein vierwöchiges Praktikum anbieten. Aber wie gesagt: Die Zahl der Bewerber bei uns ist eher gering."
Dabei verweist die Ex-Rektorin auf eine Statistik: Demnach kommt in Serbien auf drei Stipendien im Rahmen des europaweiten Erasmus-Mundus-Projektes nur ein Bewerber. Oder andersherum: Zwei von drei Stipendien bleiben ungenutzt. 80 Prozent aller serbischen Studierenden verlassen ihr Land während der Ausbildung an der Hochschule nicht. Diese Scheu vor einem oder mehreren Auslandssemester habe, so Fuada Satankovic, tiefere Ursachen, die mit der jüngsten Geschichte Serbiens zusammenhängen: Erst der Bosnien-Krieg, dann der Kampf ums Kosovo. Serbien, der Feind Westeuropas - so sah in den 90er Jahren ein gängiges Vorurteil aus. Und das sitze bis heute tief auch in den Köpfen der serbischen Studierenden, meint Fuada Stankovic:
"Viele unserer Studierenden haben ganz einfach Angst vor Westeuropa. Da herrscht noch der Irrglaube vor: Wenn die dort merken, dass ich aus Serbien komme, dann glauben die gleich, ich gehöre zu den Schrecklichen - was natürlich nicht wahr ist."
Deshalb setzt sich Fuada Stankovic für eine Intensivierung der Auslandskontakte ihrer Hochschule ein. Nur so können Vorurteile abgebaut werden. Auch Visa-Erleichterungen und die Ankündigung neuer Stipendien speziell für junge Menschen aus Serbien seien ein Schritt in die richtige Richtung - ein Schritt, der auch im ureigenen Interesse Westeuropas liege, glaubt Fuada Stankovic. Radikalisierungstendenzen könne man zuweilen vor allem in bestimmten Schichten beobachten, wenn sie auch in der Gesamtzahl der der Studierenden keine große Rolle spielten.
"Natürlich haben wir viele Studierende, die sich von diesen rechtsgerichteten Parteien bei uns beeinflussen lassen, vor allem diejenigen, die aus den verarmten Regionen Bosniens kommen, aus Flüchtlingsfamilien stammen oder wo die Eltern arbeitslos sind, also die Verlierer des Transformationsprozesses."
Solchen Tendenzen lasse sich, so Fuada Stankovic, am wirkungsvollsten mit einer Verbesserung der Auslands-Studienmöglichkeiten entgegen wirken. Die Mehrzahl der serbischen Studierenden wird, trotz der gegenwärtigen 'Auslands-Scheu', über kurz oder lang darauf zurückgreifen, glaubt Studentensprecher Vladimir Todorowitsch:
"Serbien geht über kurz oder lang seinen Weg in die Europäische Union. Und die jungen Leute sind die Hauptkraft, die auf diesen Weg wollen. Die jungen Leute sind für Europa, nicht für Russland, sondern in erster Linie für die Europäische Union."