Vier junge Mütter sitzen auf einer einfachen Holzbank: Hüfte an Hüfte; bunte, groß gemusterte Röcke vor einer grauen, unverputzten Wand. Vor fünf Minuten noch schien draußen eine gleißende Tropensonne. Jetzt knallt ein Gewitterguss unablässig auf das Wellblechdach über uns.
"Ich bin 30 Jahre alt und habe sieben Kinder", sagt die erste Frau; 22 Jahre, drei Kinder, die nächste; die dritte hat drei, nein, vier Kinder - und ist 26. Und ihre Freundin: 22 Jahre, drei Kinder. Das Dorf Gwara-Gwara im Osten Ugandas liegt fernab der Hauptstraßen. Es passiert nicht oft, dass sich Ärzte oder Krankenschwestern hierher verirren. Doch heute ist Robina Abalo hier von der ugandischen Gesellschaft für Familienplanung. Abalo spricht von gewollten und ungewollten Schwangerschaften, von den Risiken einer Geburt, von Verhütungsmitteln.
Mehr als sieben Kinder bekommt eine Frau hier im Durchschnitt in ihrem Leben. Familienplanung, Verhütung, davon haben die meisten nur eine vage Vorstellung. Das Interesse ist groß, doch ebenso groß ist die Angst, vor den Nebenwirkungen der Pille zum Beispiel. Nur 23 Prozent der Frauen in Uganda nutzen Verhütungsmittel. Es kursieren die wildesten Gerüchte.
"Sie denken, dass sie dann missgebildete Kinder kriegen", sagt Robina Abalo. "Kinder ohne Kopf, ohne Beine, ohne Brüste." Die Männer wiederum argwöhnen, dass ihre Frauen nur fremdgehen wollen, ohne schwanger zu werden.
"Das ist das, wogegen wir ankämpfen. Wenn jemand seiner Frau erlaubt, zu uns zu kommen, dann geht es nicht um Untreue, sondern um Leben und Tod."
Jeden Tag sterben in Uganda 14 Frauen an den Folgen einer Geburt, und 86 von 1000 Säuglingen erleben ihren ersten Geburtstag nicht. Trotzdem wächst die Bevölkerung nirgendwo in der Welt schneller als südlich der Sahara, und Ugandas ländliche Gebiete gehören zu den kinderreichsten des Kontinents.
Kinder gelten in der Region traditionell als Segen. Sie sind Teil des kulturellen Reichtums wie die Musik, wie der Tanz.
"Kinder sind unser Stolz. Je mehr, desto besser. In unserer Kultur wertschätzen wir drei Dinge: Land, Frauen und Kinder. Das ist Reichtum. Wer wenige Kinder hat im Dorf, der kann auch nicht wichtig sein."
Das sagt Amos Ndaabe. Er sagt es kühl und er sagt es mit Ungeduld. Ndaabe ist jung und will etwas verändern. Er ist Arzt in Iganga, einer Kleinstadt auf halbem Weg zwischen dem Dorf Gwara-Gwara und der Hauptstadt Kampala. Auch er verschreibt Verhütungsmittel, baut Vorurteile ab, will Leben retten. Seine Familienplanungsklinik besteht aus spartanisch eingerichteten Räumen, ein paar Tischen und Postern an den Wänden. Alles ist an seinem Platz; viel ist es nicht. Viel braucht es auch nicht, um Leben zu retten, sagt er auf dem Weg in sein Behandlungszimmer.
"Unsere Klienten sind hauptsächlich Frauen, weil sie am meisten von Verhütungsmethoden profitieren. Die meisten wollen eine Dreimonats-Spritze oder ein Implantat für fünf Monate oder die Spirale oder ganz klassisch die Pille."
Viele der Frauen müssen längst nicht mehr über die Nachtteile ständiger Schwangerschaften aufgeklärt werden. Mehr als 40 Prozent aller Uganderinnen wollen weniger Kinder. Sie wissen nur nicht, wie sie das anstellen sollen, oder aber sie haben schlicht keinen Zugang zu Beratung und Verhütungsmitteln.
Organisationen, die sich des Themas annehmen, stehen nicht gerade im Fokus der internationalen Entwicklungshilfe. Wenn sie sich auch um Krankheiten wie Aids kümmern, dann fließen die Gelder. Für Familienplanung allein ist es schwierig. Seit die Konservativen unter Bush in Amerika die Macht übernommen haben, ist es noch schwieriger.
Gerade ist wegen der Kämpfe in Kenia in Uganda das Benzin teurer geworden. Prompt haben Ärzte wie Amos Ndaabe keinen Sprit mehr, um auf die Dörfer zu fahren. Und nirgendwo ist das Problem offensichtlicher als dort. Die Mehrheit der Ugander lebt von Subsistenzlandwirtschaft, aber die Ackerfläche pro Bauer schrumpft mit jeder Generation, erklärt Mpimbaza Hashaka, Lokalpolitiker in Ostuganda.
"”Grund und Boden werden traditionell vererbt. Das Land wird zwischen den Kindern aufgeteilt. Wenn sie irgendwann selbst Kinder haben, machen sie es genauso. Bei so viel Nachwuchs heißt das, dass das Land immer stärker fragmentiert wird, und inzwischen sind viele Höfe so klein, die Böden so ausgelaugt, dass die Ernte nicht mehr ausreicht, die Familie zu ernähren.""
Szenenwechsel: Es ist kurz nach sechs Uhr morgens im Dorf Namachere, unweit der Provinzhauptstadt Mbale ganz im Osten Ugandas. Häuser und Felder schmiegen sich an die fruchtbaren Hänge des mächtigen Mount Elgon an der Grenze zu Kenia. Auf der anderen Seite des erloschenen Vulkans ist längst die Sonne aufgegangen. Namachere liegt noch für ein paar Stunden im Schatten, und die meisten Dorfbewohner sind noch in ihren Häusern.
Fred Mafabi gehört nicht dazu. Der junge Mann hat bereits seine beiden Kühe mit der Rinde von Bananenstauden gefüttert und die Setzlinge der Kaffeepflanzen kontrolliert. Sein Sohn Nalusunga steckt in einem zerschlissenen T-Shirt, drei Nummern zu groß, dass ihm bis in die Kniekehlen reicht. Aber er hat gefrühstückt und wird heute in die Schule gehen. Fred Mafabi ist arm, sein Hof klein, deshalb hat er eine Entscheidung getroffen.
"Ich finde, dass die Leute hier weniger Kinder haben sollten. Das Problem ist doch offensichtlich, wenn Kinder nicht zur Schule gehen können oder nicht genug zu essen haben. Meine Eltern hatten 30 Kinder, und jetzt schauen Sie sich an, unter welchen Bedingungen ich lebe. Ich habe nie eine Schule von innen gesehen. Hätte ich die Chance gehabt, würde es mir heute besser gehen. Ich habe nur drei Kinder, und dabei bleibt es; die drei werden zur Schule gehen."
Es beginnt wieder einmal zu regnen. Unter den Wassertropfen blitzen die Blätter der Cassava-Pflanze, rostrote Kaffeebohnen, goldgelbe Bananen. Fred Mafabi klettert in Windeseile in einen Jackfruit-Baum, klopft an den riesigen Früchten und springt mit einer reifen Jackfruit wieder auf den Boden. Sein Sohn versteckt sich vor dem Regen in einem winzigen Haus mit durchgerostetem Wellblechdach.
"Hey!", ruft er. "Schau! Dieses Haus ist für mich. Für mich ganz allein!" Und tatsächlich: Wenn es nach seinem Vater geht, dann wird der Sechsjährige hier einmal leben; nicht in den Slums von Kampala oder Jinja oder Mbale, wo viele seiner Freunde enden werden, um Geld zurück ins Dorf schicken zu können. Nalusunga will hierbleiben - außer vielleicht, um in Kampala zu studieren. Aber bis dahin, meint sein Vater, hat er ja noch ein paar Jahre Zeit.
"Ich bin 30 Jahre alt und habe sieben Kinder", sagt die erste Frau; 22 Jahre, drei Kinder, die nächste; die dritte hat drei, nein, vier Kinder - und ist 26. Und ihre Freundin: 22 Jahre, drei Kinder. Das Dorf Gwara-Gwara im Osten Ugandas liegt fernab der Hauptstraßen. Es passiert nicht oft, dass sich Ärzte oder Krankenschwestern hierher verirren. Doch heute ist Robina Abalo hier von der ugandischen Gesellschaft für Familienplanung. Abalo spricht von gewollten und ungewollten Schwangerschaften, von den Risiken einer Geburt, von Verhütungsmitteln.
Mehr als sieben Kinder bekommt eine Frau hier im Durchschnitt in ihrem Leben. Familienplanung, Verhütung, davon haben die meisten nur eine vage Vorstellung. Das Interesse ist groß, doch ebenso groß ist die Angst, vor den Nebenwirkungen der Pille zum Beispiel. Nur 23 Prozent der Frauen in Uganda nutzen Verhütungsmittel. Es kursieren die wildesten Gerüchte.
"Sie denken, dass sie dann missgebildete Kinder kriegen", sagt Robina Abalo. "Kinder ohne Kopf, ohne Beine, ohne Brüste." Die Männer wiederum argwöhnen, dass ihre Frauen nur fremdgehen wollen, ohne schwanger zu werden.
"Das ist das, wogegen wir ankämpfen. Wenn jemand seiner Frau erlaubt, zu uns zu kommen, dann geht es nicht um Untreue, sondern um Leben und Tod."
Jeden Tag sterben in Uganda 14 Frauen an den Folgen einer Geburt, und 86 von 1000 Säuglingen erleben ihren ersten Geburtstag nicht. Trotzdem wächst die Bevölkerung nirgendwo in der Welt schneller als südlich der Sahara, und Ugandas ländliche Gebiete gehören zu den kinderreichsten des Kontinents.
Kinder gelten in der Region traditionell als Segen. Sie sind Teil des kulturellen Reichtums wie die Musik, wie der Tanz.
"Kinder sind unser Stolz. Je mehr, desto besser. In unserer Kultur wertschätzen wir drei Dinge: Land, Frauen und Kinder. Das ist Reichtum. Wer wenige Kinder hat im Dorf, der kann auch nicht wichtig sein."
Das sagt Amos Ndaabe. Er sagt es kühl und er sagt es mit Ungeduld. Ndaabe ist jung und will etwas verändern. Er ist Arzt in Iganga, einer Kleinstadt auf halbem Weg zwischen dem Dorf Gwara-Gwara und der Hauptstadt Kampala. Auch er verschreibt Verhütungsmittel, baut Vorurteile ab, will Leben retten. Seine Familienplanungsklinik besteht aus spartanisch eingerichteten Räumen, ein paar Tischen und Postern an den Wänden. Alles ist an seinem Platz; viel ist es nicht. Viel braucht es auch nicht, um Leben zu retten, sagt er auf dem Weg in sein Behandlungszimmer.
"Unsere Klienten sind hauptsächlich Frauen, weil sie am meisten von Verhütungsmethoden profitieren. Die meisten wollen eine Dreimonats-Spritze oder ein Implantat für fünf Monate oder die Spirale oder ganz klassisch die Pille."
Viele der Frauen müssen längst nicht mehr über die Nachtteile ständiger Schwangerschaften aufgeklärt werden. Mehr als 40 Prozent aller Uganderinnen wollen weniger Kinder. Sie wissen nur nicht, wie sie das anstellen sollen, oder aber sie haben schlicht keinen Zugang zu Beratung und Verhütungsmitteln.
Organisationen, die sich des Themas annehmen, stehen nicht gerade im Fokus der internationalen Entwicklungshilfe. Wenn sie sich auch um Krankheiten wie Aids kümmern, dann fließen die Gelder. Für Familienplanung allein ist es schwierig. Seit die Konservativen unter Bush in Amerika die Macht übernommen haben, ist es noch schwieriger.
Gerade ist wegen der Kämpfe in Kenia in Uganda das Benzin teurer geworden. Prompt haben Ärzte wie Amos Ndaabe keinen Sprit mehr, um auf die Dörfer zu fahren. Und nirgendwo ist das Problem offensichtlicher als dort. Die Mehrheit der Ugander lebt von Subsistenzlandwirtschaft, aber die Ackerfläche pro Bauer schrumpft mit jeder Generation, erklärt Mpimbaza Hashaka, Lokalpolitiker in Ostuganda.
"”Grund und Boden werden traditionell vererbt. Das Land wird zwischen den Kindern aufgeteilt. Wenn sie irgendwann selbst Kinder haben, machen sie es genauso. Bei so viel Nachwuchs heißt das, dass das Land immer stärker fragmentiert wird, und inzwischen sind viele Höfe so klein, die Böden so ausgelaugt, dass die Ernte nicht mehr ausreicht, die Familie zu ernähren.""
Szenenwechsel: Es ist kurz nach sechs Uhr morgens im Dorf Namachere, unweit der Provinzhauptstadt Mbale ganz im Osten Ugandas. Häuser und Felder schmiegen sich an die fruchtbaren Hänge des mächtigen Mount Elgon an der Grenze zu Kenia. Auf der anderen Seite des erloschenen Vulkans ist längst die Sonne aufgegangen. Namachere liegt noch für ein paar Stunden im Schatten, und die meisten Dorfbewohner sind noch in ihren Häusern.
Fred Mafabi gehört nicht dazu. Der junge Mann hat bereits seine beiden Kühe mit der Rinde von Bananenstauden gefüttert und die Setzlinge der Kaffeepflanzen kontrolliert. Sein Sohn Nalusunga steckt in einem zerschlissenen T-Shirt, drei Nummern zu groß, dass ihm bis in die Kniekehlen reicht. Aber er hat gefrühstückt und wird heute in die Schule gehen. Fred Mafabi ist arm, sein Hof klein, deshalb hat er eine Entscheidung getroffen.
"Ich finde, dass die Leute hier weniger Kinder haben sollten. Das Problem ist doch offensichtlich, wenn Kinder nicht zur Schule gehen können oder nicht genug zu essen haben. Meine Eltern hatten 30 Kinder, und jetzt schauen Sie sich an, unter welchen Bedingungen ich lebe. Ich habe nie eine Schule von innen gesehen. Hätte ich die Chance gehabt, würde es mir heute besser gehen. Ich habe nur drei Kinder, und dabei bleibt es; die drei werden zur Schule gehen."
Es beginnt wieder einmal zu regnen. Unter den Wassertropfen blitzen die Blätter der Cassava-Pflanze, rostrote Kaffeebohnen, goldgelbe Bananen. Fred Mafabi klettert in Windeseile in einen Jackfruit-Baum, klopft an den riesigen Früchten und springt mit einer reifen Jackfruit wieder auf den Boden. Sein Sohn versteckt sich vor dem Regen in einem winzigen Haus mit durchgerostetem Wellblechdach.
"Hey!", ruft er. "Schau! Dieses Haus ist für mich. Für mich ganz allein!" Und tatsächlich: Wenn es nach seinem Vater geht, dann wird der Sechsjährige hier einmal leben; nicht in den Slums von Kampala oder Jinja oder Mbale, wo viele seiner Freunde enden werden, um Geld zurück ins Dorf schicken zu können. Nalusunga will hierbleiben - außer vielleicht, um in Kampala zu studieren. Aber bis dahin, meint sein Vater, hat er ja noch ein paar Jahre Zeit.