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Sieben Meilen unter dem Meer

Ozeanographie. - Die Weltmeere sind weiterhin zum größten Teil unerforscht. Mit immer neuen Tauchgeräten dringen die Menschen allerdings im tiefer in die Ozeane vor. Auf dem Kongress "Oceans 09" in Bremen wurden jetzt die jüngsten Entwicklungen vorgestellt.

Von Christoph Kersting |
    Zwei große gelbe Tanks, an denen eine Art Einkaufswagen ohne Räder hängt - wie eine Tiefseevariante von Raumschiff Enterprise sieht er aus, der Unterwasserroboter "Nereus", der in der Tiefseeforschung neue Maßstäbe setzt, sagt Christoph Waldmann vom Bremer Zentrum für marine Umweltwissenschaften Marum:

    "Im Bereich von Unterwasserfahrzeugen unterscheidet man zwischen Kabel gesteuerten Systemen und autonomen Systemen. Beide sind jetzt soweit entwickelt, dass man sie auch in der Tiefsee einsetzen kann. Das ist eine der neuen Aufgaben, die man sich stellt im wissenschaftlichen Bereich, und man kann sagen, dass heute alle Wassertiefen abgedeckt sind, bis hinunter in den Marianengraben, der bekanntermaßen 11 000 Meter tief ist."

    Damit hat "Nereus" dem Unterseeroboter "ROV Kiel 6000" den Rang abgelaufen, der noch vor einem Jahr mit einer Reichweite von 6000 Metern das non plus ultra in der Tiefseerobotik darstellte. Außerdem kann "Nereus" beides: Kabel gesteuert oder autonom unterwegs sein. Meeresforscher sprechen hier von "Remotely" und "Autonomously Operated Vehicle" - kurz ROV oder AOV. Die neueste Generation der Unterseeroboter taucht nicht nur tiefer, sondern liefert auch wesentlich genauere Daten, wenn es etwa um die Kartierung des Meeresbodens geht. Dafür haben die ROV's spezielle Sonartechnik an Bord, erklärt Peter Gimpel von der Firma Elac Nautik:

    "Sie verwenden frequenzkodierte Signale, das heißt Sie senden nicht nur einen Fächer ab, sondern hier in diesem Fall zwei Fächer in unterschiedlichen Frequenzen, und damit erreichen Sie eine höhere Datenmenge und letztendlich indirekt eine bessere Auflösung des Meeresbodens, also Sie können kleinere Strukturen erkennen und haben ein effektiveres Verfahren, um den Meeresboden zu kartieren."

    Denn nach wie vor sind die Weltmeere kartographisch schlechter erfasst als etwa der Mond. Dabei ist die Erforschung der Tiefsee nicht wissenschaftlicher Selbstzweck, sondern kann laut Christoph Waldmann vom Bremer Marum durchaus praktischen Nutzen bringen:

    "Es ist ja bekannt, dass der mittelatlantische Rücken ein Gebiet ist verstärkten Vulkanismus. Dort kommt es zu Austritten von Flüssigkeiten und von Gasen. Und man möchte das gerne quantifizieren, man möchte wissen, in welchem Umfang Flüssigkeiten und Gase dort austreten und auch die Lebensgemeinschaften dort näher untersuchen. Man hat festgestellt, dass die Flüssigkeiten, die dort austreten, hoch toxisch sind. Das ist also für die Forschung im Bereich Medizin extrem interessant, wie das möglich ist, dass diese Lebewesen diese extreme Belastung dort überleben können."

    Zudem schlummern in den Meerestiefen wertvolle Rohstoffe. Experten gehen davon aus, dass etwa die Gasvorkommen im Meer hundertmal größer sind als jene an Land. Neuartige Tauchroboter wie "Nereus" können wertvolle Erkenntnisse liefern, wie genau diese Methanvorkommen nutzbar gemacht werden können. Unterwasserroboter arbeiten aber nicht nur in Tiefseeregionen, sondern auch in flacheren Gefilden, in Häfen etwa, wo sie Sicherheitsinspektionen übernehmen. "Seawolf" und "Seaotter" heißen die kleinen Brüder von "Nereus", die ursprünglich entwickelt wurden, um Unterseeminen aufzuspüren, erklärt Walter Wagner von der Firma Atlas Elektronik:

    "Mit dem etwas kleineren, zwei Meter langen Seewolf können wir genau diese Aufgabe erledigen, dass wir Schiffsinspektionen machen oder im Hafen, in einem etwas engeren Bereich, wo ja mehrere Teile liegen, viele Schiffe liegen, da können wir den Seewolf einsetzen, der dann Inspektionen an Schiffshüllen oder auch an Spundwänden vornehmen kann. Wir haben verschiedene Sonare an Bord, wir haben ein so genanntes Forward-looking sonar, was nach vorne schaut, wir haben ein Tiefenlot, und wir haben als wichtigen Sensor auch ein so genanntes Side-scan sonar. Damit kann der Seewolf die Schiffshüllen inspizieren."

    Auch bei der Einrichtung von Meeresobservatorien sind die Forscher auf Unterseeroboter angewiesen. So wird in diesem Sommer der Marum-eigene Roboter "Quest" Messinstrumente in der Arktis aussetzen, die der erste Schritt zu einem arktischen Meeresobservatorium in 3000 Meter Tiefe sein werden.