Archiv


"Sieben Schulpsychologen für 36.000 Schüler"

Nach dem Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium wurde in Thüringen ein Psychologenteam eingestellt zur Gewaltprävention. 15 Schulpsychologen für ganz Thüringen - mittlerweile sind alle wieder gekündigt worden. Berlin hat damals auch ein Team von Schulpsychologen aufgebaut, es wurden 15 Stellen geschaffen, aber parallel wurden 75 Stellen für Schulpsychologen gekürzt.

Von Jens P. Rosbach |
    Wer Berliner Teenager nach ihrer Einstellung zu Schulpsychologen befragt, erntet häufig skeptische Blicke, Stirnrunzeln und Kopfschütteln. Denn die Vorbehalte sind groß.

    Umfrage: "Ich halte eigentlich nicht viel von Psychologen oder so. Da muss ich irgendwie schon ein totales Drama erlebt haben, um zu dem hinzugehen."

    "Ich würde nicht hingehen, weil ich das auch meinen Eltern erzählen kann, was ich den Schulpsychologen erzählen kann."

    "Ich selbst würde nicht dahin gehen, weil ich einer fremden Person nicht meine Geheimnisse anvertrauen will."

    "Zum Beispiel wenn man ein Geheimnis hat, zum Beispiel man ist runter gefallen aus der Treppe und jemand hat sie ausgelacht und das ist dann eigentlich peinlich. "

    Klaus Seifried ist seit 16 Jahren Schulpsychologe in Berlin. Der grauhaarige Mann mit Lese-Brille und Birkenstock-Sandalen kennt die Vorbehalte der Kinder genau – aber auch die Methoden, damit umzugehen. Der 55-Jährige hat in seinem Büro Klangkugeln liegen, Krokodile zum Aufziehen und ein großes Kuschel-Kamel.

    "Es ist die Aufgabe eines Psychologen, sich in andere Menschen einzufühlen und eine Tür zu finden zu diesem Menschen. Und wenn das Kamel dann hier liegt und so schöne braune Augen hat und dann streicheln sie das Kamel und irgendwann werden sie auch mit mir reden."

    Seifried ist Chef des Schulpsychologischen Beratungszentrums Berlin Tempelhof-Schöneberg. Zusammen mit seinen sechs Kollegen hält er Sprechstunden in seinem Büro sowie direkt an den Schulen des Bezirkes ab. Für Kinder, die Lernprobleme haben, die gemobbt werden oder die gewalttätig sind.

    "Wenn zum Beispiel eine Morddrohung gegen einen Lehrer ausgesprochen wird, dann muss man hier schnell reagieren – auch immer in Zusammenarbeit mit der Polizei. Es gibt auch viele andere Krisen. Zum Beispiel hatten wir im letzten Schuljahr hier im Bezirk drei Suizide von Jugendlichen. Das war natürlich eine Riesen-Aufregung für den Schulleiter, für die Klasse, für die Lehrer. "

    Umfrage: "Also ich hatte eine Freundin, die war schlecht in der Schule und sie ist auch zum Schulpsychologen gegangen, weil sie jeder beleidigt hat, weil sie schlecht in der Schule ist. Und sie ist dann zum Schulpsychologen gegangen, der half ihr weiter und jetzt geht’s ihr eigentlich besser. "

    Rund 20 Prozent der Kinder haben im Laufe ihrer Schulzeit Beratungsbedarf. So die Erfahrung des Experten Klaus Seifried. Doch nur zwei bis drei Prozent könne man versorgen, erklärt der studierte Pädagoge, Psychologe und Therapeut. Auch die vielen überlasteten Lehrer mit ihren Burnout-Problemen schaffe man nicht zu betreuen, klagt der Fachmann. In Berlin gebe es einfach zu wenig Berater.

    "Wir haben zurzeit hier in Tempelhof-Schöneberg sieben Schulpsychologen für 36.000 Schüler. "

    Seifried und seine Kollegen können sich nur um die Notfälle kümmern. Kinder mit Lernproblemen etwa müssen wochenlang auf einen Termin warten. Viele Schulleiter, wie Mechthild Noblé von der Teltow-Grundschule, schimpfen über die Unterversorgung.

    "Wir haben halt weiter die Kinder mit den Problemen in unseren Schulen und ihnen wird nicht geholfen. Und diese Kinder machen dann natürlich auch Probleme, die sich auf die ganze Klasse, in der sie sind, auswirken und wir haben dann vermehrt Gewaltvorfälle, weil im Grunde genommen eben keine wirksame Hilfe erfolgt. "

    Termine beim Jugendamt, Gespräche im Schulamt, Lehrer-Fortbildungen - 50 Überstunden schiebt Klaus Seifried vor sich her. Bei all dem Stress muss der Schulpsychologe manchmal aufpassen, dass er nicht selbst zum Problemfall wird.

    "Ich persönlich versuche mir die Freude an der Arbeit zu erhalten, die psychologische Arbeit mit Menschen ist ne schöne Arbeit. Ich fühle mich manchmal auch überfordert aufgrund der Vielzahl der Probleme und versuche Ausgleich zu schaffen. Burnout betrifft nicht nur Lehrer, das kann auch psychologische Berater betreffen. "