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Siebenschläferplage hält Osnabrücker Region in Atem

Wenn Trippeln, Scharren und Kratzen zu hören sind, ist es schon zu spät. So wie bei Familie Thiel in Bissendorf bei Osnabrück. Immer so um Mitternacht wird es lebhaft auf dem Dachboden:

Von Markus Wollnik | 25.06.2004
    Ich hörs scharren, ich hörs krabbeln wie eine ganze Meute, die da oben rumrennt. Und es hört auch ewig nicht auf. Ich hab jede Nacht nur ca. zwei Stunden Schlaf, das ist richtig heftig.
    In ihrer Not haben die Thiels Deutschlands einzigen Siebenschläfer-Jäger gerufen. Konrad Brockmann fängt die Nager und setzt die geschützten Tiere dann irgendwo 20 Kilometer entfernt wieder aus. Doch zunächst klärt Brockmann, ob die Hausbewohner nicht womöglich von Ratten oder Mardern geplagt werden. Und der ehemalige Kreisjägermeister kennt die Tiere so genau, dass er auch ihre Geräusche nachmachen kann:

    Der Siebenschläfer macht zum Beispiel das Geräusch: ein bisschen Laufen - dieses Trippel,Trippel - und dann eben das typische scharrende, kratzende Geräusch - kratz, kratz. Und wenn die Leute sagen: Mensch genau, das ist es, dann kann ich sagen: Guck, das ist ein Siebenschläfer, eindeutig, denn sehen können wir die Tiere nicht.

    Siebenschläfer sind etwa so groß wie Eichhörnchen, haben große dunkle Knopfaugen, weiches grau-braunes Fell und einen buschigen Schwanz. Sie gehören zur Familie der Bilche, der zum Beispiel auch die Haselmaus angehört. Und Siebenschläfer gelten als regelrecht gefräßig. Genau das macht sich Siebenschläfer-Fänger Konrad Brockmann zunutze. Mit Bananen- oder Birnenstückchen versucht er die Tiere in die 30 Zentimeter lange Drahtröhren zu locken. Doch auf dem Dachboden der Thiels hat das bislang noch nicht funktioniert. Alle aufgestellten Fallen - bisher leer. Ein letzter Anlock-Versuch:

    Ich gebe jetzt hier Honig auf die Nüsse, Nüsse haben sie nicht angerührt. Es ist wahrscheinlich, dass sie an den Honig auch nicht herangehen. Aber man sollte nichts unversucht lassen. Und da versuchen wir’s jetzt als allerletztes mit Honig, und dann sehen wir mal.

    Vermutlich haben die Siebenschläfer bereits Junge - und sind jetzt noch misstrauischer als sonst. Dem vielen Kot nach zu urteilen: 50 bis 60 Tiere. Hier in Osnabrück und der näheren Umgebung ist der Siebenschläfer eine Plage. Doch bundesweit geht seine Zahl zurück. Deshalb wurde er auch
    zum Wildtier des Jahres auserkoren. Der Mensch hat seine Lebensräume drastisch beschnitten. Beispiel die heutigen Nutzwälder mit monotonen Fichtenbeständen. Siebenschläfer aber brauchen Mischwälder, naturnah mit Totholz und ganz unterschiedlicher Schichtung, erläutert Helmut Schmitz, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde in Osnabrück:

    Das heißt, dass ein Wald besteht aus Altbäumen, aus mittlerem Bestand und aus Jungbestand, also in allen Ebenen bis in die Krautschicht hinein begrünt ist, dass die Siebenschläfer, die gute Kletterer sind, auch die Höhlen in dem Altbaumbestand erreichen können. Wenn sie dann also unten nur einen ausgeräumten "gefegten" Wald haben, ist der Bilch nicht in der Lage, diese Höhlen zu erreichen, die normalerweise im Altbaumbestand sind.

    Helmut Schmitz vermutet, die Tiere seien auf natürlichem Wege eingewandert - weil Osnabrück ihnen nun mal viel naturbelassenen Lebensraum biete:
    Und wir hier im Stadtgebiet von Osnabrück sehr gute Laubwälder noch haben. Eigentlich die richtigen Voraussetzungen für die Bilche, die geschichtete Wälder brauchen mit Laubwaldbeständen in warmer Lage, und das findet sich da, und wir sind froh, dass wir so was im Stadtgebiet haben.

    Siebenschläfer-Jäger Konrad Brockmann hat dagegen eine andere Theorie:

    Sie sind halt eben ausgebüchst im Zoo, es soll 1952 gewesen sein. Einer erzählt, es seien zwei Pärchen gewesen, andere sagen: drei Pärchen, die sich irgendwo eine Bleibe gesucht haben und dann eine Population aufgebaut haben.

    Woher die Tiere ursprünglich kommen, ist den Thiels aber eigentlich egal. Sie wollen noch ein paar Tage abwarten, ob nicht doch einer der Siebenschläfer in die Falle tappt. Sonst wird Nager-Experte Brockmann zu einem – auch für die Hausbewohner - übelriechenden Mittel greifen: Weinessig. Beißende Essigsäure hat nämlich schon so manchen der flinken Kletterer verjagt. Daniela Thiel:

    Entweder vertreibt er sie oder er fängt sie weg. Hoffentlich. Hoffentlich bald, ich möchte wieder schlafen können.