Sandra Schulz: Formal gilt die Pendlerpauschale als abgeschafft - schon seit Beginn des vergangenen Jahres. Aber auf eine Härtefallregelung einigte sich damals die Große Koalition. Seitdem können Fahrtkosten erst ab Kilometer 21 steuerlich geltend gemacht werden. Konsequenz: Jeder, der nicht Tür an Tür mit seinem Arbeitgeber wohnt, zahlt drauf. Konsequenz auch: Seit ihrem Inkrafttreten beschäftigt die Neuregelung die Gerichte. Am Vormittag hat das höchste deutsche Steuergericht gesprochen, der Bundesfinanzhof in München, und den Pendlern den Rücken gestärkt.
Die Verhandlung und auch die Urteilsverkündung heute in München hat mein Kollege Joachim Jahn beobachtet aus dem Wirtschaftsressort der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Herr Jahn, es ist ein Zwischenerfolg für die Pendler. Aber bringt es die Steuerzahler auch dem Durchbruch näher?
Joachim Jahn: Das ist die große Frage. Jetzt blicken natürlich alle gespannt nach Karlsruhe. Der Medienauftritt hier war immens. Einige der Kläger sind auch selber gekommen. Letztendlich muss man aber sagen, das wirklich verbindliche letzte Wort spricht eben erst das Bundesverfassungsgericht. Streng genommen sind wir heute noch kein bisschen schlauer als vorher.
Schulz: Ergeben sich denn aus dem Urteil heute Konsequenzen für die Steuererklärungen, die jetzt ja anliegen für 2007 und 2008?
Jahn: Der Bundesfinanzhof hat hinterher, was sehr ungewöhnlich, aber auch sehr fair ist, so eine Art improvisierte Anhörung vor der Presse noch einmal der beiden Gegenparteien veranstaltet. Da war dann auch ein etwas höherrangiger Vertreter des Bundesfinanzministeriums, der natürlich genau diese Fragen beantwortet hat. Er hat sie relativ kompliziert beantwortet, weil: Die Lage ist auch kompliziert. Das Jahr 2007 ist nun mal abgelaufen. Da kann man jetzt auf der Lohnsteuerkarte auch keine Freibeträge mehr eintragen lassen, wenn man das nicht vorher schon gemacht hat. Da kann man jetzt nur seine Steuerklärung abgeben, dort die Pauschale in voller Höhe geltend machen. Das Bundesfinanzministerium hat auf meine Nachfrage dann noch mal zugesichert: Diese Bescheide vom Finanzamt ergehen dann mit einem Vorläufigkeitsvermerk. Der Steuerzahler kann sich im Grunde gespannt zurücklehnen und auf das Urteil aus Karlsruhe warten.
Schulz: Aber sie ergehen mit einem Vorläufigkeitsvermerk und erst mal der Anerkennung der vollen Pendlerpauschale oder ohne Anerkennung?
Jahn: Nein, genau andersherum. Es wird eben nicht in voller Höhe anerkannt, aber das Finanzamt schreibt dazu, in diesem Punkt ist ihr Einkommensteuerbescheid nur vorläufig. Dann droht nicht, irgendeine Frist zu verstreichen, wenn sie keinen Einspruch einlegen. Sie können dann einfach auf Karlsruhe warten.
Schulz: Welche Auswirkungen hat das politisch für die Große Koalition? Es hat sich jetzt die Variante durchgesetzt: Die Gelder der Steuerzahler werden erst mal einbehalten, um dann im Zweifel im Wahljahr 2008 oder auch im kommenden Wahljahr 2009 ausgezahlt zu werden, rückerstattet zu werden?
Jahn: Ja, das kann natürlich alles sein. Der Vertreter des Bundesfinanzministeriums hat sich hier relativ hartleibig gezeigt. Er hat gesagt, es ist halt ein geltendes Gesetz und wir haben nicht vor und auch keinen Anlass, daran zu drehen. Wir glauben weiterhin, dass wir im Recht sind und in Karlsruhe auch Recht bekommen werden. Der Steuerzahlerbund, der Präsident, der Herr Däke, hat hier natürlich gleich die Politik dazu aufgerufen, das Gesetz jetzt sofort zu ändern, um die Steuerzahler nicht in diese aufwendige Warterei zu treiben. Es besteht halt die Hoffnung, dass das Bundesverfassungsgericht zumindest noch in diesem Jahr entscheiden wird. Es geht bei denen normalerweise nicht so schrecklich schnell, aber diesmal haben sie halt gesagt, wir wollen diesen Fall im Jahr 2008 verhandeln.
Ich glaube es gibt tatsächlich so ein bisschen Hoffnung für die Steuerzahler deshalb, weil zumindest der Bundesfinanzhof hier eine sehr radikale Sicht eingenommen hat. Er hat gesagt, die Fahrtkosten sind nicht etwa gemischte Aufwendungen, also ein Mix aus privater Veranlassung und beruflicher Veranlassung, sondern er hat ganz radikal, geradezu fundamental, gesagt, das sind reine Erwerbsaufwendungen. Wenn das Bundesverfassungsgericht sich dem anschließen sollte, wäre der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers relativ klein.
Schulz: Gibt es denn schon Einschätzungen, wie Karlsruhe urteilen könnte?
Jahn: Es hat natürlich jetzt eine Vorlage bekommen, die sehr grundlegend ausgefallen ist. Aus Münchner Sicht ist eigentlich da wenig Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber. Andererseits ist das Bundesverfassungsgericht dafür bekannt, dass sie sich da durchaus eine sehr eigene Meinung bilden. Im Extremfall werden da ja auch Urteile der anderen Bundesgerichte aufgehoben. Insofern, die müssen sich dem wahrlich nicht anschließen, und ich persönlich würde da auch keine Prognose wagen.
Schulz: Welche rechtlichen Argumente stehen denn in Karlsruhe im Mittelpunkt jetzt im Vergleich zu den steuerrechtlichen Fragen, die in München im Mittelpunkt standen?
Jahn: Der Bundesfinanzhof hat gesagt, das Ziel der Haushaltskonsolidierung kann eine Verfassungswidrigkeit jedenfalls nicht rechtfertigen. Da wird man eben sehen müssen, ob das Bundesverfassungsgericht vielleicht eine andere Abwägung trifft. Ansonsten geht es um die Grundrechte, die immer geltend gemacht werden: Gleichbehandlung, Behandlung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip und bei verheirateten Steuerzahlern um den Schutz der Ehe und der Familie.
Schulz: Die Konsolidierung war eines der stärksten Argumente, damals noch in einer anderen Haushaltslage. Wird sich das auch auf die politische Debatte in Berlin auswirken?
Jahn: Ich vermute mal, dass man sich tatsächlich doch erst mal nach Karlsruhe richten wird, den Blick nach Karlsruhe richten wird und sagt, sie entscheiden ja relativ bald, so dass man bis dahin das gesetzgeberische Fass sozusagen nicht wieder wird aufmachen wollen.
Schulz: Joachim Jahn war das, Wirtschaftsredakteur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Vielen Dank Ihnen für diese Einschätzungen.
Die Verhandlung und auch die Urteilsverkündung heute in München hat mein Kollege Joachim Jahn beobachtet aus dem Wirtschaftsressort der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Herr Jahn, es ist ein Zwischenerfolg für die Pendler. Aber bringt es die Steuerzahler auch dem Durchbruch näher?
Joachim Jahn: Das ist die große Frage. Jetzt blicken natürlich alle gespannt nach Karlsruhe. Der Medienauftritt hier war immens. Einige der Kläger sind auch selber gekommen. Letztendlich muss man aber sagen, das wirklich verbindliche letzte Wort spricht eben erst das Bundesverfassungsgericht. Streng genommen sind wir heute noch kein bisschen schlauer als vorher.
Schulz: Ergeben sich denn aus dem Urteil heute Konsequenzen für die Steuererklärungen, die jetzt ja anliegen für 2007 und 2008?
Jahn: Der Bundesfinanzhof hat hinterher, was sehr ungewöhnlich, aber auch sehr fair ist, so eine Art improvisierte Anhörung vor der Presse noch einmal der beiden Gegenparteien veranstaltet. Da war dann auch ein etwas höherrangiger Vertreter des Bundesfinanzministeriums, der natürlich genau diese Fragen beantwortet hat. Er hat sie relativ kompliziert beantwortet, weil: Die Lage ist auch kompliziert. Das Jahr 2007 ist nun mal abgelaufen. Da kann man jetzt auf der Lohnsteuerkarte auch keine Freibeträge mehr eintragen lassen, wenn man das nicht vorher schon gemacht hat. Da kann man jetzt nur seine Steuerklärung abgeben, dort die Pauschale in voller Höhe geltend machen. Das Bundesfinanzministerium hat auf meine Nachfrage dann noch mal zugesichert: Diese Bescheide vom Finanzamt ergehen dann mit einem Vorläufigkeitsvermerk. Der Steuerzahler kann sich im Grunde gespannt zurücklehnen und auf das Urteil aus Karlsruhe warten.
Schulz: Aber sie ergehen mit einem Vorläufigkeitsvermerk und erst mal der Anerkennung der vollen Pendlerpauschale oder ohne Anerkennung?
Jahn: Nein, genau andersherum. Es wird eben nicht in voller Höhe anerkannt, aber das Finanzamt schreibt dazu, in diesem Punkt ist ihr Einkommensteuerbescheid nur vorläufig. Dann droht nicht, irgendeine Frist zu verstreichen, wenn sie keinen Einspruch einlegen. Sie können dann einfach auf Karlsruhe warten.
Schulz: Welche Auswirkungen hat das politisch für die Große Koalition? Es hat sich jetzt die Variante durchgesetzt: Die Gelder der Steuerzahler werden erst mal einbehalten, um dann im Zweifel im Wahljahr 2008 oder auch im kommenden Wahljahr 2009 ausgezahlt zu werden, rückerstattet zu werden?
Jahn: Ja, das kann natürlich alles sein. Der Vertreter des Bundesfinanzministeriums hat sich hier relativ hartleibig gezeigt. Er hat gesagt, es ist halt ein geltendes Gesetz und wir haben nicht vor und auch keinen Anlass, daran zu drehen. Wir glauben weiterhin, dass wir im Recht sind und in Karlsruhe auch Recht bekommen werden. Der Steuerzahlerbund, der Präsident, der Herr Däke, hat hier natürlich gleich die Politik dazu aufgerufen, das Gesetz jetzt sofort zu ändern, um die Steuerzahler nicht in diese aufwendige Warterei zu treiben. Es besteht halt die Hoffnung, dass das Bundesverfassungsgericht zumindest noch in diesem Jahr entscheiden wird. Es geht bei denen normalerweise nicht so schrecklich schnell, aber diesmal haben sie halt gesagt, wir wollen diesen Fall im Jahr 2008 verhandeln.
Ich glaube es gibt tatsächlich so ein bisschen Hoffnung für die Steuerzahler deshalb, weil zumindest der Bundesfinanzhof hier eine sehr radikale Sicht eingenommen hat. Er hat gesagt, die Fahrtkosten sind nicht etwa gemischte Aufwendungen, also ein Mix aus privater Veranlassung und beruflicher Veranlassung, sondern er hat ganz radikal, geradezu fundamental, gesagt, das sind reine Erwerbsaufwendungen. Wenn das Bundesverfassungsgericht sich dem anschließen sollte, wäre der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers relativ klein.
Schulz: Gibt es denn schon Einschätzungen, wie Karlsruhe urteilen könnte?
Jahn: Es hat natürlich jetzt eine Vorlage bekommen, die sehr grundlegend ausgefallen ist. Aus Münchner Sicht ist eigentlich da wenig Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber. Andererseits ist das Bundesverfassungsgericht dafür bekannt, dass sie sich da durchaus eine sehr eigene Meinung bilden. Im Extremfall werden da ja auch Urteile der anderen Bundesgerichte aufgehoben. Insofern, die müssen sich dem wahrlich nicht anschließen, und ich persönlich würde da auch keine Prognose wagen.
Schulz: Welche rechtlichen Argumente stehen denn in Karlsruhe im Mittelpunkt jetzt im Vergleich zu den steuerrechtlichen Fragen, die in München im Mittelpunkt standen?
Jahn: Der Bundesfinanzhof hat gesagt, das Ziel der Haushaltskonsolidierung kann eine Verfassungswidrigkeit jedenfalls nicht rechtfertigen. Da wird man eben sehen müssen, ob das Bundesverfassungsgericht vielleicht eine andere Abwägung trifft. Ansonsten geht es um die Grundrechte, die immer geltend gemacht werden: Gleichbehandlung, Behandlung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip und bei verheirateten Steuerzahlern um den Schutz der Ehe und der Familie.
Schulz: Die Konsolidierung war eines der stärksten Argumente, damals noch in einer anderen Haushaltslage. Wird sich das auch auf die politische Debatte in Berlin auswirken?
Jahn: Ich vermute mal, dass man sich tatsächlich doch erst mal nach Karlsruhe richten wird, den Blick nach Karlsruhe richten wird und sagt, sie entscheiden ja relativ bald, so dass man bis dahin das gesetzgeberische Fass sozusagen nicht wieder wird aufmachen wollen.
Schulz: Joachim Jahn war das, Wirtschaftsredakteur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Vielen Dank Ihnen für diese Einschätzungen.