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Siemens erzürnt Belegschaft mit Stellenabbau

Bei Siemens sollen weltweit 15.000 Stellen wegfallen, ein Drittel davon alleine in Deutschland. Mit der Zahl sorgte das Unternehmen bei der Belegschaft und bei Betriebsräten für Aufregung.

Von Michael Braun |
    Siemens zieht sein Effizienzprogramm durch, und 15.000 von weltweit knapp 370.000 Stellen sind betroffen, 5.000 in Deutschland. Der Gesamtbetriebsrat, sagt seine stellvertretende Vorsitzende Birgit Steinborn, sei überrascht:

    "Uns ist niemals eine so große Abbauzahl bekannt gemacht worden."

    Überraschte Betriebsräte sind nichts für die Absicht einer Unternehmensführung, die Mitarbeiter mitzunehmen. Das aber sei sein Wille, hatte Siemens-Chef Joe Kaeser bei seinem Amtsantritt vor zwei Monaten angekündigt:

    "Die Mitarbeiter müssen mit dabei sein. Wenn jemand vor Siemens Angst hat, dann müssen das die Mitbewerber sein."

    Die Mitteilung von gestern, 15.000 Stellen abzubauen, passte nicht in dieses Konzept. Siemens mag keine Neuigkeit angekündigt haben. Aber es hätte der Eindruck entstehen können - eine kommunikative Panne. Jürgen Kerner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall und Mitglied im Aufsichtsrat von Siemens, brachte Kritik am Vorstand und den Versuch, die Belegschaft zu beruhigen, im Bayerischen Rundfunk so zusammen:

    "Die Mitteilung von Siemens hat, glaube ich, Zehntausende von Mitarbeiten bei Siemens sehr verunsichert und sehr verstört. Es konnte ja der Eindruck entstehen, dass es sich um ein zusätzliches Programm handelt. Für uns ist es letztendlich wichtig, dass es zu diesen Themenstellungen Verhandlungen mit den Betriebsräten und der IG Metall jeweils vor Ort gibt."

    Das Programm ist also nicht neu, es wurde nur bisher in Euro ausgedrückt, nicht in Arbeitsplätzen. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Lothar Adler war dennoch über die Mitteilung von Siemens verärgert; schließlich habe man in bisherigen Verhandlungen "einen Abbau nach der Rasenmähermethode verhindern" können, sagte er in München. Das Siemens diesen Eindruck zuließ, dürfte auch Investoren nicht gefallen. Denn die einfache Formel – weniger Arbeitsplätze, weniger Kosten, mehr Gewinn – gelte heute nicht mehr, meint der Siemens-Analyst der Commerzbank, Stefan Schöppner:

    "Vielleicht vor zehn Jahren wurde das mit größerer Begeisterung aufgenommen, weil da hat man das dann abgezogen von den Kosten, hat höhere Gewinne gesehen. Und jetzt sieht man eher ein kontinuierliches Geschäft als wertvoller an."

    Dass bei Siemens nicht alles rund läuft, ist klar. Konkurrenten wie ABB waren zuletzt erfindungsreicher, zum Beispiel bei einer Sicherung für Hochspannungsgleichstromleitungen. Hinzu kommt eine größere Anfälligkeit für Konjunkturschwächen. Ulrich Trabert, Analyst vom Bankhaus Metzler:

    "Das Umsatzwachstum schwächelt. Das liegt daran, dass der Superboom in China sein Ende gefunden hat und möglicherweise auch so schnell nicht wieder aufflammen wird. Das liegt auch nach wie vor an der wirtschaftlichen Schwäche Gesamteuropas, wo Siemens immer noch einen großen Anteil seiner Umsätze erwirtschaftet. Und das bedeutet letzten Endes: Siemens kommt um eine Steigerung der Profitabilität nicht herum."

    Der Betriebsrat hat bisher mitgearbeitet. Er hat für die Hälfte der betroffenen Mitarbeiter, also für rund 7.500, die Bedingungen schon ausgehandelt. Darunter auch Weiterbildung und firmeninterne Versetzungen, sodass ein Teil der abgebauten Arbeitsplätze an anderer Stelle im Konzern wieder neu eingerichtet wird. Ob für die nächsten 7.500 Stellen ähnlich geräuschlos kooperiert wird, ist zweifelhaft. An Stellenstreichungen nach Rasenmähermethode mitzuarbeiten – diesen Ruf will der Betriebsrat unter allen Umständen vermeiden.

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