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Silber gegen Bakterien

Chemie. - Die antibakterielle Wirkung von Silber ist schon seit langer Zeit bekannt. Jetzt wird das Edelmetall für immer mehr Anwendungen entdeckt, bei denen es auf Keimfreiheit ankommt. In einem Krankenhaus wird etwa gerade ein Wandanstrich mit Nanosilber ausprobiert.

Von Klaus Herbst | 07.11.2008
    Dispersionsfarben sind zähflüssige Anstriche, die aus verschiedenen Komponenten bestehen: aus Binde- und Lösungsmitteln sowie aus Farbpigmenten. Bei bestimmten Anwendungen können ihnen auch Stoffe gegen Keime und Bakterien, so genannte Biozide, beigemischt werden. Sie sind gedacht , zum Beispiel als keimtötende Wandfarben im Krankenhaus. Theoretisch können diese Stoffe aber auch Menschen schaden. In einem Moskauer Krankenhaus läuft der erste Test für einen neuen, innovativen Anstrich, der Partikel aus Nanosilber in der Farbe verwendet.

    "In diesem Fall sprechen wir von einer Dispersionfarbe, die Nanosilber als Zusatzfunktionalisierung enthält für eine Antischimmelausrüstung. Das ist eine Innovation dahingehend, dass dieser Wirkstoff die bekannten Biozide ersetzt. Hiermit kommen wir in die Ebene der Verwendung eines nicht humantoxischen Wirkstoffs mithilfe der Nanotechnologie","

    sagt der Chemiker Helmut Schmid. Er leitet das Fachgebiet Nanotechnologie im Fraunhofer Institut für Chemische Technologie. Mit einem Trick, auf den der Chemiker besonders stolz ist, greift sein Nanosilber Eiweiße an der Oberfläche des Bakteriums an. Dadurch gelingt es Staphylokokken zu zerstören, die häufig im Krankenhaus anzutreffen sind. Es ist ein Erreger, der bei geschwächten Menschen schnell eine Lungenentzündung auslöst, weil er mittlerweile resistent gegen die meisten Antibiotika ist. Die Nanopartikel selbst treten dabei nicht aus. Sie werden von der Wandfarbe auch nicht freigesetzt. Helmut Schmid erklärt warum:

    ""In der Zellwand des Erregers sind unter anderem auch Strukturproteine. Da gibt es praktisch diese chemische Wechselwirkung Strukturproteinen-Nanosilberpartikelchen. Das ist ein sehr komplexer Mechanismus. Bei unserer Produktformulierung ist es so, dass das Prinzip in einer Grenzflächenreaktion besteht, wo die Strukturproteine der Zellwand angegriffen werden über dieses Nanosilberpartikelchen, und durch diese Interaktion, die dann wieder relaxiert, eine abtötende Wirkung des Bakteriums erzielt wird. Mit anderen Worten, wir haben keinen Austritt des Wirkstoffs aus unserem Medium, und haben auch keinen Verbrauch des Materials. Insofern ist auch die Nachhaltigkeit dieses Wirkprinzips garantiert."

    Einzelheiten, wie das Nanosilber in die Dispersion gelangt, will der Forscher aus patentrechtlichen Gründen nicht preisgeben. Aber offensichtlich wird Nanosilber in der flüssigen Phase synthetisiert und geschmolzen der Dispersion zugefügt.- Von festem Silber weiß man schon lange, dass es Bakterien abtötet. Schmid:

    "Neu daran ist, dass wir jetzt auch in der Lage sind, den Wirkstoff Silber in Nanoform vorzulegen. Damit haben wir natürlich ein sehr effektives System, das heißt wir können die antimikrobiellen Wirkungen nutzen bei ganz geringem Materialeinsatz. Das haben wir in diesen vorliegenden Fall, in diesem Beispiel der Dispersionfarbe dadurch realisiert, dass wir Nanosilber in Form einer Suspension in dieser Dispersionfarbe integrieren konnten. Die Nanosilbersynthese erfolgt bei unserem Verfahren direkt in flüssiger Phase. Näheres möchte ich dazu nicht äußern, weil das geheimhaltungsbedürftig ist.""

    Wichtig allgemein und erst recht im Krankenhaus ist, dass die erwünschte Substanz nicht selbst zur Gefahr wird. Das könnte nur passieren, wenn sie beispielsweise beim Alterungsprozess als Faser selbst in die Umgebung gelangt. Das tut tue sie aber nicht, versichert der Chemiker.

    "Wir sprechen also nicht von Nanopulvern, wir sprechen noch nicht von Nanofasern. Bei Nanopulvern, bei Nanofasern gibt es prinzipielle Risiken durch Inhalation vordringlich. Bei unserem System sind von vornherein Maßnahmen ergriffen, dass wir den Schritt der Pulver oder auch den Schritt der Fasern von vornherein vermeiden können und auch im Produktlebenszyklus sicherstellen, dass hier keine Freisetzung von Nanopartikeln und Pulvern in Erscheinung tritt."

    Jetzt hoffen Chemiker und Krankenhäuser , mit den neuen Nanofarben den Einsatz der bislang verwendeten so genannten humantoxischen Biozide reduzieren zu können. Diese gängigen Substanzen gegen Bakterien und Schimmel wirken zwar und sind gut erprobt, können sich aber im Ernstfall selbst als giftig erweisen. Sie hätten dann eine humantoxische Wirkung. Ausgiebige Testreihen zeigten den Effekt. Das will der Karlsruher Chemikern vermeiden. Die Technologie sei bezahlbar und fast beliebig mit anderen Materialien zu kombinieren. Schmid stellt sich schon eine Fülle neuer Nanosilber-Produkte vor, die auch an anderen Orten und bei weiteren neuen Anwendungen vor Bakterien und Schimmel schützen sollen. Schon im Frühjahr sollen neue Produkte für innovative Anwendungen mit Nanopartikeln auf den Markt kommen.