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Silke Burmester
Hushpuppie-Pathos und Dauergeplärre im Wahlkampf

Silke Burmester sehnt das Ende des Wahlkampf-Fernsehens herbei. Und fragt sich, warum selbst in diesen Tagen die immer selben Politikmoderatoren zu sehen sind: Darf Sandra Maischberger bis in alle Ewigkeit die wichtigen Sendungen moderieren?

Von Silke Burmester | 14.09.2017
    Die Moderatoren (l-r) Sandra Maischberger (ARD), Claus Strunz (ProSieben/SAT.1), Maybrit Illner (ZDF) und Peter Kloeppel (RTL) stehen am 03.09.2017 beim TV-Duell in den Fernsehstudios in Adlershof in Berlin nebeneinander. Im Hintergrund unterhalten sich die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel und der SPD-Kanzlerkandidat und SPD-Vorsitzende Martin Schulz.
    "Geht mit einem Moderationsposten für eine relevante politische Sendung ein 100jähriger Pachtvertrag einher?" (dpa / ARD-Pool / Herby Sachs)
    Hallo liebe Hörerinnen und Hörer dieser kleinen Kolumne!
    Fast möchte ich Sie begrüßen: "Liebe Besitzer der geschundenen Ohren". Denn das Geplärre dieses Wahlkampfes, oder dessen, was wir uns mittlerweile abgefunden haben, "Wahlkampf" zu nennen, kann einem mächtig auf die Gehörgänge gehen. Auf die Nerven. Letztlich aufs Gemüt. Ich werde drei Kreuze auf meinem Wahlzettel machen, damit mir in Zukunft der schwabenschwere Hushpuppie-Pathos von Cem Özdemir erspart bleibt, das selbstmitleidige Dauergeplärre von Alice Weidel und auch die Selbstgerechtigkeit von Angela Merkel, die immer so unglaublich bemüht ist, das Richtige zu sagen, wenn sie auf die Bevölkerung trifft. Und dann oft so krawumm daneben liegt.
    Moderatoren kann man ja nicht abwählen
    Fast ebenso sehr, wie mich die Frage drückt, wie man Alice Weidel auf Nimmerwiedersehen loswird, bewegt mich die Frage, wie man diese dauerpräsenten Fernsehmoderatoren loswird. Maischberger, Klöppel, Illner, Will, Plasberg. Seit Neuestem auch noch Slomka. Anders als Politiker kann man ja Moderatoren nicht einfach abwählen. Kaum steht irgendwo ein Politiker im Raum, wird einer von denen als Fragesteller vor die Kamera und ans Mikrofon gezerrt. Und ich frage mich, warum? Vor welchem Hintergrund muss man die Politikmoderatoren, die seit 20 Jahren den Fernseher vollquatschen und das mittlerweile gelangweilt, abgegessen und routiniert tun, auch noch im Wahlkampf ständig sehen?
    Porträt von Silke Burmester
    Silke Burmester (imago / Sven Simon)
    Man könnte meinen, weil sie die Besten sind. Nur, sind sie das? Mit Sicherheit: Sie waren es mal. Jetzt sind sie zu Tode versierte, desillusionierte, zu sehr etablierte Frageprofis. Ihre Runden gleichen dem Familienfest bei Tante Giesela. Weil die Zeit am schnellsten rumgeht, wenn man selbst beschäftigt ist, stellt man ein paar Fragen. Gerne was mit Politik, dann kommt schnell Leben in die Bude. Aber bitte auch nicht zu provozierend, sonst ist die schöne Stimmung kaputt. Anscheindend nicht um Nachwuchs gekümmert
    Man fragt sich, was haben die Fernsehverantwortlichen all die Jahre gemacht. Wie kommt es, dass sie sich anscheinend nicht um Nachwuchs gekümmert haben? Haben die Sandra Maischberger vor 150 Jahren eingestellt und ihr zugesagt, sie könne bis in alle Ewigkeit diejenige sein, die die wichtigen Sendungen moderiert? Geht mit einem Moderationsposten für eine relevante politische Sendung ein 100-jähriger Pachtvertrag einher? Wie kommen Fernsehverantwortliche darauf, dass sich 30-jährige Vertriebsangestellte und 19-jährige Deutsch-Türken, die gerade ihr Abitur gemacht haben, durch ein homogenes Team bestens verdienender, sich in den Zirkeln der Elite bewegender Menschen Anfang/Mitte 50 vertreten fühlen könnten?
    Wessen Interessen, so fragt man sich, werden hier eigentlich bedient, wenn die Gastgeber der großen Wahlsendungen festgelegt werden? Die der potentiellen Zuschauer, die derer, die das Ganze finanzieren, oder die alternder Moderatorinnen und Moderatoren, die um ihre Existenzberechtigung im Fernsehen zu bangen beginnen?
    Die immer gleichen Fragen
    Verstehen Sie mich nicht falsch, liebe Hörerinnen und Hörer, es geht nicht darum, eine einzelne dieser Personen als Moderatorin oder Moderator infrage zu stellen. Außer Claus Strunz, natürlich. Es geht darum zu fragen, was es soll, dass die Personen, die das ganze Jahr über den Politikern die immer gleichen Fragen stellen, das auch noch im Wahlkampf tun. Bei so viel routinierter Familienzusammenkunft freut man sich direkt, wenn eine Heulsuse wie Alice Weidel dabei ist, die wie eine Zehnjährige, der etwas nicht passt, beleidigt aus dem Zimmer läuft. Dann gibt es wenigstens etwas, an das man sich am Tag danach erinnert. Aber das sollte eigentlich nicht Alice Weidel sein.