Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Silke Burmester
Von Gauland und Gabriel, Gastbeiträgen und Gehältern

Warum geht die "FAZ" so lax mit dem Gastbeitrag eines so fragwürdigen Mannes wie AfD-Chef Alexander Gauland um, fragt sich Silke Burmester. Aber noch etwas anderes regt unsere Kolumnistin diese Woche auf: die monatlichen Autorenhonorare von SPD-Politiker Sigmar Gabriel - so hoch wie manch ein Jahreseinkommen.

Von Silke Burmester | 11.10.2018
    Der Noch-Außenminister Sigmar Gabriel
    Ein monatliches Honorar zwischen 15.001 und 30.000 Euro wird Sigmar Gabriel vom Dieter-von-Holtzbrinck-Konzern für seine Autorentätigkeit bekommen, schätzt Silke Burmester (dpa/Marijan Murat)
    Hallo liebe Hörerinnen und Hörer dieser kleinen Kolumne!
    Heute mache ich mal die Wagenknecht. Das heißt, ich mache eine Sammlungskolumne. Nicht als Ergebnis eines Machtkonflikts, sondern weil ich mich zwischen drei Aufregern nicht entscheiden kann.
    Aufreger Nr. 1 – Gauland
    Erstens: Der Gauland-Gau für die "FAZ". Die fand es angebracht, den Vorsitzenden der AFD Alexander Gauland als Gastautor Platz einzuräumen. Jetzt stellt sich raus, Gauland hat für seinen Text Passagen anderer Autoren bemüht. Er hat geklaut. Der Streit dreht sich nun darum, ob er beim Blogger Michael Seemann oder bei Hitler geklaut hat. Oder bei beiden. Ich lass das mal so stehen.
    Nicht stehen lassen möchte ich den Umgang einer Redaktion mit dem Text eines Mannes, der seine Berufung als Gesellschaftsbrandstifter gefunden hat. Wie kann es sein, dass die Paraphrasierung von Hitlers Elitenverschwörung durch Gauland niemandem aufgefallen ist? Bei der "FAZ"?! Der Zeitung, bei der man früher ohne abgeschlossenes Studium nicht mal ein Schülerpraktikum bekommen hat. Der Zeitung, bei der angeblich die Schlausten der Schlauen schreiben, zumal die Konservativen.
    Porträt von Silke Burmester
    @mediasres-Kolumnistin Silke Burmester (imago / Sven Simon)
    Wie kann es sein, dass so ein Haus so lax mit dem Gastbeitrag eines so fragwürdigen Mannes umgeht? Prüft denn keiner, was da steht? Ruft einer dem anderen zu, "Der neue Gauland ist da!", und dann sagt der andere: "Ok, ich sag dem Sätzer Bescheid"? Kommen wir zu Punkt zwei.
    Aufreger Nr. 2 - Gabriel
    Der Fall Gabriel. Die Redakteurin Anne Fromm von der taz hat bei Sigmar Gabriel in die Auskunft über die Nebeneinkünfte geschaut und entdeckt, dass er seine Autorentätigkeit für den Dieter-von-Holtzbrinck-Konzern mit einem Einkommen der "Stufe 4" angibt. Das bedeutet, ein Honorar zwischen 15.001 und 30.000 Euro.
    Das dürfte dem Jahresumsatz - wohl gemerkt dem Umsatz, nicht dem Einkommen - vieler freie Journalistinnen und Journalisten entsprechen. Nur, Gabriel bekommt das im Monat. Jetzt will ich, wenn die Dinge im Zusammenhang mit der SPD stehen, keinen Sozialneid schüren, soll der Sozialdemokrat doch nehmen, was sein Konto dick macht, nein, auch hier geht der Blick in Richtung Verlag.
    Die Holtzbrinck-Gruppe bringt Blätter wie den Tagesspiegel heraus, Wirtschaftswoche, Die Zeit, Handelsblatt. 2015 hat der Tagesspiegel von einem auf den anderen Tag die Tätigkeit aller freien Journalistinnen und Journalisten gestoppt. Ohne Vorwarnung. Weil kein Geld mehr da war. Die Zeit hat ihre schnöden Honorare über die Jahre ein wenig angehoben, angemessen sind sie immer noch nicht. Das Handelsblatt hatte 2017 die lustige Idee, für den jungen Onlineableger "Orange by Handelsblatt" junge Schreiber*innen anzuwerben. Das Honorar auch sehr orange - zwischen 50 und 100 Euro pro Text, Foto oder Filmbeitrag.
    Aber für einen, der sowieso schon genug hat, zahlt man Zehntausende? Was für eine Männerwirtschaft? Das Stichwort "Männerwirtschaft" bringt mich zu Punkt drei.
    Aufreger Nr. 3 - Plasberg
    Frank Plasberg, Fernsehmoderator und Inhaber einer Fernsehproduktionsfirma, hat in seiner Sendung "Hart aber fair" am Montag freie Journalistinnen und Journalisten pauschal des Steuerbetrugs bezichtigt. Etwa würden sie den Restaurantbesuch mit Freunden, als "Informantengespräch" ausgegeben. Der Einspielfilm zeigt eine Rechnung von 209 Euro.
    Ich kenne keinen freien Kollegen und keine freie Kollegin, die es sich leisten könnten, 209 Euro im Restaurant auszugeben. Aber vielleicht hatte Plasberg sich selbst und diesen neuen Journalisten-Typus vor Augen, den Gabriel-de-Luxe-Freien.