Simbabwe - Das ist ein Land, in dem es keine Rechte mehr gibt. Drei Millionen Einwohner sind schon, um überhaupt überleben zu können, nach Südafrika oder Mozambik ausgewandert. Andrea Jeska stellt diese Verhältnisse in ihrem Buch differenziert dar und erschöpft sich nicht nur in der Wut auf den machtgierigen Diktator Mugabe. Die Autorin vergisst nicht die entsetzlichen Phasen der weißen Fremdherrschaft und Kolonial-Arroganz vor 1979, also der Lancaster-Konferenz und der Unabhängigkeit von Rhodesien. Mit Cecil Rhodes habe ein Unrecht begonnen, an dessen Folgen Simbabwe bis heute trägt und dessen Schatten so lang sind, "dass sie bis in das Kabinett von Robert Mugabe reichen“. Zu Recht weist die Autorin darauf hin, dass diese weiße Minderheit immer Minderheit blieb und dass sich heute, 35 Jahre nach dem rhodesischen Buschkrieg das Land und seine weißen Bewohner als Fremde gegenüberstehen.
"Es gibt diese Gruppe von Weißen, die sich bis heute "Rhodies“ nennen, abgeleitet vom ehemaligen Rhodesien. Unverbesserliche sind das, die zwar wissen, dass ihre Zeit vorbei ist, aber sich vom Gedanken der Überlegenheit noch nicht verabschiedet haben. Nicht alle, aber die meisten von ihnen trinken gerne Bier, sie kiffen, sie gehen auf Großwildjagd und rotten sich an Orten zusammen, wo sie unter sich sind. Dann können sie entweder alten Zeiten nachtrauern oder ihrem Rassismus freien Lauf lassen."
Immer wieder kommt die Autorin auf diesen halbbewussten Kolonialismus zurück. Immer wieder zitiert sie den Satz der dänischen Schriftstellerin Karen Blixen, der in den Ohren der Weißen weiter sehr gut klingt: "Ich hatte eine Farm in Afrika“. Man wache am Morgen auf und fühle, man sei dort, wo man hingehöre. Andrea Jeska formuliert ein gegensätzliches Urteil. Sie besucht das Grab von Cecil Rhodes in Matopos, rekapituliert die Folgen seines Erbes. Und ihr wird mehr als deutlich, eben nicht in dieses Land zu gehören.
Eindrucksvolle, lebendige Porträts
Jeska liefert gelungene Reportagen und Porträts aus verschiedenen Regionen und Klassen des gegenwärtigen Simbabwe. Überdies bietet sie immer wieder Rückblicke in die Geschichte, die viele der heutigen Probleme erklären. Es gibt kleine Fehler, die ein Lektorat hätte verhindern können. Die Bevölkerung Simbabwes etwa umfasst nicht 35 Millionen, sondern ca. 12 Millionen.
Die Autorin hat die Fähigkeit, mit wenigen Sätzen jemanden wie die Anwältin Beatrice Mtetwa, eine Gegnerin des Mugabe-Regimes, so eindrucksvoll zu beschreiben, dass man sie bildlich vor sich sieht, wie sie durch die Hallen des Supreme Court stakst, laut, stolz, unüberhörbar. Aber sie hat wie jeder Aufmüpfige im Staat von Robert Mugabe einiges an Willkür über sich ergehen lassen müssen:
Als die Autorin Beatrice Mtetwa das erste Mal sah "hielt sie ihren blanken Hintern in die Kamera. Darauf ein riesiger Bluterguss, der sich vom Oberschenkel bis hinauf zur Hüfte zog. Man hatte sie mit Stöcken und Rohren geschlagen. Auch auf die Oberarme, die Schultern, die ähnlich blau und schwarz waren, die Haut aufgeplatzt. Eine Woche hatte man sie eingesperrt, weil sie bei einer Verhaftungsaktion gegen Menschenrechtler ein Transparent hochgehalten hatte, darauf stand: Hört auf mit Eurem Tun! Es ist ungesetzlich, unmoralisch und unmenschlich! Die Polizisten nahmen sie gleich mit. Ihr Antrag auf Kaution wurde abgelehnt. Eine Woche hielt man sie fest, und als sie wieder frei war, machte sie die Spuren der Schläge öffentlich."
Jeska beschreibt die grausamen Aktionen, die Diktator Robert Mugabe gegen seine Bevölkerung betreibt, z.B. Murambatsvina, zu deutsch: "den Dreck herauskehren“. Das war eine Aktion, die am 19. Mai 2005 begann und nur wenige Tage dauerte. Die Slumhütten und Behausungen von 700.000 Menschen um die Städte Bulawayo und Harare wurden zerstört. Hintergrund war, dass gerade in den großen Städten die Menschen bei den Wahlen gegen Mugabe gestimmt hatten. Das empfand er als Majestätsbeleidigung und rächte sich.
Ebenso portraitiert die Autorin die wenigen Weißen, die in der Oppositionspartei MDC, "Movement for Democratic Change“ weiter auf Veränderung im Land hoffen.
Scheinbare Übermacht des Präsidenten
Es sind bewegende Miniaturen bestimmter Zustände und Orte Simbabwes. So, wenn Andrea Jeska beschreibt, dass sie nachts durch das unheimliche Harare zum Flughafen fährt. Harare sei ein Ort der Angst und der Furcht geworden.
"Die Angst mag aus der scheinbaren Übermacht des Präsidenten entstehen. Im ganzen Land hängt sein Konterfei mit der Pergamenthaut und dem seltsam zynischen Mund. Drei bis vier mal am Tag, wahrscheinlich mehr, sondert Mugabe eine seiner Hassbotschaften gegen die Weißen ab, die an Simbabwes Untergang schuld sind."
Etwas gewaltsam biegt sich das Buch am Ende auf Zuversicht und Aufbruch. Jeska argumentiert, dass Simbabwe nicht in die schlimmste Katastrophe hineingeschlittert sei, den Bürgerkrieg. Deshalb gebe es auch weiterhin eine gute Verkehrs- und Tourismus-Infrastruktur. Und die Autorin hält das Regime Mugabe für brüchig. Ein Aufbruch, eine neue Reformbewegung im südlichen Afrika könnte ihrer Ansicht nach für einen politischen Wechsel sorgen. Und damit das Volk von einem Alptraum befreien, den die Autorin ausführlich und anschaulich beschrieben hat.
Andrea Jeska: "Simbabwe. Agonie oder Aufbruch?" Verlag Brandes & Apsel, 164 Seiten, Preis: 19,90 Euro, ISBN: 978-3-95558-041-4.