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Simbabwe
Unternehmer warten auf die Wende

Knapp ein Jahr nach dem umstrittenen Wahlsieg von Simbabwes autokratischem Präsidenten Robert Mugabe herrscht politischer Stillstand. Die Staatskasse ist leer. Die Wirtschaft steht erneut vor dem Abgrund. Jeden Tag melden Unternehmen Insolvenz an, die Arbeitslosigkeit liegt bei über 80 Prozent. Die Stimmung der Bevölkerung ist auf dem Tiefpunkt.

Von Leonie March | 09.08.2014
    Simbabwer stehen Schlange bei den Präsidentschaftswahlen 2013 in einem Vorort der Hauptstadt Harare.
    Simbabwer stehen Schlange bei den Präsidentschaftswahlen 2013 in einem Vorort der Hauptstadt Harare. (dpa / picture alliance / Aaron Ufumeli)
    Bis auf zwei Angestellte ist der kleine Baumarkt in Harare gähnend leer. Der eine sortiert Farbtöpfe, Schrauben und Werkzeuge in den Regalen, der andere fegt den Boden. Seitdem der letzte Kunde hier war, sind Stunden vergangen. Die Geschäfte laufen momentan nicht besonders gut, meint Ladenbesitzer Nigel Mugamu. Er sei schon zufrieden, wenn er nicht schließen müsse.
    "Der Wirtschaft geht es nicht gerade großartig. Simbabwe steckt in einer schweren Liquiditätskrise. Etliche Unternehmen können ihren Angestellten schon seit Monaten keinen Lohn zahlen. Viele Firmen sind bankrottgegangen. Erst heute früh, kam einer meiner Lieferanten vorbei, um mir zu sagen, dass er sein Geschäft aufgibt. Es rechne sich einfach nicht mehr."
    Arbeitslosigkeit wird landesweit auf über 80 Prozent geschätzt
    Nigel Mugamu lehnt in der Ladentür und schaut auf die Straße. Allein in Simbabwes Hauptstadt Harare schließen jeden Monat rund zehn Unternehmen, erzählt er. Die Arbeitslosigkeit wird landesweit auf über 80 Prozent geschätzt. Die Staatskasse ist leer und auch viele Bürger haben ihre letzten Ersparnisse aufgebraucht. Sie halten sich irgendwie über Wasser: Mit improvisierten Marktständen oder als fliegende Händler, wer ein Auto besitzt, versucht es als Taxifahrer.
    Die Staatskasse ist leer
    "Die Leute sind wütend. Viele gehen schon bei Kleinigkeiten in die Luft. Derart angespannt sind ihre Nerven. Denn das Leben ist extrem schwierig. Alle warten nur darauf, dass sich etwas ändert. Das ist die generelle Stimmung momentan. Irgendwann würden sich die Dinge in Simbabwe schon wieder zum Guten wenden, sagte mir heute der Lieferant. Und er spricht damit vielen aus dem Herzen. Die Frage ist nur, wie lange wir noch darauf warten müssen."
    Damals deutete sich ein Aufschwung an
    Nachdenklich geht der smarte Mittdreißiger in sein kleines Büro. Er hat in Australien und Schottland BWL studiert, fand dort einen guten Job und hätte bleiben können. So wie viele seiner Landsleute: Mehrere Millionen leben inzwischen im Ausland, vor allem gut ausgebildete junge Simbabwer wie Nigel Mugamu. Doch ihn zog es 2010 zurück in seine Heimat. Damals deutete sich nach dem dramatischen politischen und wirtschaftlichen Kollaps ein vorsichtiger Aufschwung an.
    "Es war eine emotionale Entscheidung zurückzukehren. Ich hatte das Gefühl, dass unser Land uns brauchte. Ich wollte mithelfen, es wieder aufzubauen. Diese Entscheidung habe trotz allem bis heute nicht bereut."
    Facebook, Twitter & Co. sind für die jungen Simbabwer wichtig
    Voller Tatendrang übernahm Nigel Mugamu das kleine Familienunternehmen und eröffnete neben dem Baumarkt noch eine Buchhandlung. Seine eigentliche Leidenschaft aber gilt den neuen Medien, Facebook und Twitter. Mittlerweile gehört er zu den bekanntesten Bloggern Simbabwes.
    "Angesichts von Statistiken, wonach 70% der Simbabwer jünger sind als 30 Jahre, habe ich mich gefragt, wo ihre Stimmen in der öffentlichen Debatte bleiben. Sie werden Simbabwe einmal führen, heißt es immer. Aber was fühlen und denken sie? Welche Ideen haben sie für unser Land? Ich biete ich ihnen ein Forum, in dem sie diskutieren und sich austauschen können."
    Erstaunlich offene Tweets
    Nigel Mugamu klappt den Laptop auf seinem Schreibtisch auf. Auf dem Bildschirm erscheint sein Twitter-Account, dem inzwischen über 19.000 Menschen folgen. Er stößt Debatten zu einer ganzen Bandbreite von Themen an: Von häuslicher Gewalt und Homophobie über Mode und Technologie bis zum politischen Stillstand und der verheerenden wirtschaftlichen Lage. Die Tweets sind erstaunlich offen für ein Land, in der die Pressefreiheit eingeschränkt ist und Menschen schon wegen Facebook-Kommentaren festgenommen worden sind. Mugamu zuckt unbeeindruckt mit den Schultern.
    "Unser Land braucht diesen Dialog. Gewisse Themen können einfach nicht ignoriert werden. Wir brauchen eine Erneuerung der politischen Führung, sowohl in der Regierungspartei als auch in der Opposition. In der Wirtschaftspolitik, muss die Regierung endlich mit einer Stimme sprechen. Momentan sagt jeder etwas anderes. Solange diese Unsicherheit herrscht, wird niemand investieren. Simbabwe hat ein großes Potenzial, aber davon werden die Leute nicht satt. Wir müssen es auch ausschöpfen können. Es ist also eine schwierige Zeit, die wir gerade durchmachen. Aber ich bin optimistisch, dass wir es schaffen werden."