Donnerstag, 25. April 2024

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"Die Landbevölkerung steht mit überwältigender Mehrheit hinter Mugabe"

Bei der Wahl in Simbabwe seien nicht Stimmzettel gefälscht, sondern vor allem die Wählerregister manipuliert worden, vermutet Hein Möllers von der Informationsstelle südliches Afrika (ISSA). Jedoch genieße Präsident Robert Mugabe auf dem Land auch breite Zustimmung.

Hein Möllers im Gespräch mit Thielko Grieß | 05.08.2013
    Thielko Grieß: Wir blicken jetzt ins südliche Afrika, nach Simbabwe. Dort ist gewählt worden vor einigen Tagen und das Ergebnis ist ja nun auch bekannt. Aber Kritiker meinen, das Geld für Wahlzettel und Wahlurnen, das hätte sich das Land sparen können, denn an den Machtverhältnissen ändert sich nichts und es habe zugleich wieder Unregelmäßigkeiten gegeben. Der Präsident, Robert Mugabe, regiert Simbabwe weiter. Das löst Reaktionen aus, auch im benachbarten Ausland.

    Er ist nun 33 Jahre schon an der Macht, seit Süd-Rhodesien unabhängig wurde. Ganze Generationen kennen niemand anderes im Präsidentenamt. Immerhin: Diesmal gibt es, anders als vor fünf Jahren, keine ausufernde Gewalt zwischen Anhängern des Präsidenten und der Opposition um Morgan Tsvangirai.

    Am Telefon ist jetzt Hein Möllers, Geschäftsführer der Informationsstelle südliches Afrika. Das ist ein Institut in Bonn, das sich seit vielen Jahren intensiv mit der Entwicklung der Region beschäftigt. Herr Möllers, guten Tag!

    Hein Möllers: Guten Tag, ich grüße Sie.

    Grieß: Es gibt zahlreiche Berichte über Wahlfälschungen. Halten Sie die für glaubhaft?

    Möllers: Da kann ich gar nicht so einfach drauf antworten. Zunächst einmal denke ich, dass bei den Wahlen selbst an den Urnen wenig manipuliert worden ist, sondern die Fälschung lag vorher, nämlich das, was auch immer in der Presse und in den verschiedenen Meldungen vorkommt, die Manipulation der Wahlregister. Das heißt, man spricht von einer Million, die an den Wahlen gehindert wurden, weil sie einfach nicht auf den Listen waren, oder falsch registriert waren.

    Grieß: Das ist von langer Hand dann vorbereitet gewesen?

    Möllers: Ja. Das nehme ich auch ganz einfach an. Das, was Mugabe oder seine Partei Zanu-PF dagegen aufwendet, oder sie spricht ja auffällig wenig davon, das kann ich nicht unterschreiben. Und ich weiß auch nicht, was man auch sagen kann: Die Wahlkommission selbst, die hat schon in der Vergangenheit gezeigt, dass sie nicht in der Lage ist, Wahlen ordnungsgemäß durchzuführen. Sie hat schlicht und einfach nicht das Know-how.

    Grieß: Dennoch, Herr Möllers, gibt es ja einige Millionen – zwei Millionen hat der Kollege aus Südafrika gerade berichtet -, zwei Millionen Stimmen für Robert Mugabe. Wer wählt Robert Mugabe?

    Möllers: Die Höhe hat mich zunächst einmal überrascht. Dass Mugabe siegen würde, selbst bei einer völlig freien Wahl, da hätte ich gedacht, er kriegt die 50 Prozent oder gerade so viel, dass er mit Tsvangirai hätte in die Stichwahl gemusst. Aber 61 Prozent, das war schon eine dicke Überraschung. Aber wer wählt ihn? Zunächst einmal – und das wird hier häufig unterschätzt: Wir erleben immer die Bilder von den Oppositionellen in den Städten. Das sind die gebildeten Schichten, die Schichten, die in der Industrie arbeiten, die also eine gute Ausbildung und dergleichen haben und mit der Politik Robert Mugabes, der ja die Wirtschaft vor die Wand gefahren hat, nicht einverstanden sein können.

    Aber die große Wählerschaft, die Mugabe einfach hat, die lebt auf dem Lande und sie erlebt, so kriminell die Landreform auch über die Bühne gebracht wurde, durchaus positive Entwicklungen auf dem Lande. Es sind immerhin doch 250.000 ungefähr Kleinbauern in diesen letzten zehn Jahren an Land gekommen. Man muss auf der anderen Seite – aber das sieht man als Wähler nicht so unbedingt gleich – auch sehen, dass mit der Enteignung, dieser Zwangsenteignung und zum Teil blutigen Enteignung der Großfarmer, eben auch die Farmarbeiter von ihren Plätzen geflogen sind, und die kommen ja aus Sambia oder Mosambik, sind eigentlich gar keine Simbabwer, und das Argument zieht. Das heißt, die Landbevölkerung steht weiterhin sehr geschlossen und mit überwältigender Mehrheit hinter Mugabe und seiner Zanu-PF.

    Grieß: Hinter dem System Mugabes steht, sagen Sie, das Prinzip Divide et impera, teile und herrsche?

    Möllers: Ja.

    Grieß: Welche Rolle spielt denn Angst?

    Möllers: Auffällig war eigentlich bei diesen jetzigen Wahlen, dass direkt gar keine Gewalt da war und die Leute ja auch tatsächlich in Schlangen sich vor die Wahllokale gestellt haben und man auch die Wahllokale länger offen gelassen hat, als eigentlich vorgesehen war. Das heißt also, aktuell war die Angst nicht so sehr vorhanden. Aber die Angst war natürlich unterschwellig da, denn jeder in Simbabwe erinnert sich an die Vorkommnisse von 2008, wo es über 200, 300 Tote gegeben hat, noch unmittelbar nach der Verkündigung der Wahlergebnisse und auch während der Wahlen, wo schlicht und einfach Wähler zusammengeschlagen wurden im Wahllokal und vor den Wahllokalen. Und ich denke, das bleibt auch sitzen in den Köpfen der Bevölkerung, sodass diesmal eigentlich die Erwartung war, bringen wir das Ganze friedlich über die Bühne, so friedlich, wie es eben geht, und dann müssen wir halt sehen, was für ein Ergebnis ist da rausgekommen. Es lässt sich aus dem Wahlergebnis auch eine gewisse Apathie, Wählerapathie, Politikverdrossenheit feststellen, die diese lange Übergangszeit – die fängt ja schon 1998 an – die Wähler und Wählerinnen in Simbabwe zermürbt hat.

    Grieß: Nun gibt es ja in vielen arabischen Ländern einen arabischen Frühling, oder es hat ihn gegeben, mit allerdings auch sehr unterschiedlichen Resultaten. Aber in Simbabwe gibt es ja noch nicht einmal diesen Frühling. Warum gibt es dort keine Afrobellion, keine junge Generation, die sich vernetzt?

    Möllers: Hier hat Mugabe eigentlich die Gefahr sehr frühzeitig erkannt und ist hier auch gewaltsam gegen solche Leute vorgegangen. Ich kann mich erinnern, dass, als in Ägypten es losging, auch in Simbabwe bestimmte Kreise diese Videos sich in Gemeinschaft anguckten und diskutierten, welche Konsequenzen kann das auch haben für Simbabwe. Daraufhin wurden die sofort alle verhaftet, soweit man ihrer habhaft werden konnte, und eingesperrt. Das heißt, Mugabe hat hier schon sehr früh eine Sympathie für den arabischen Frühling versucht zu kaschieren, um hier erst gar keinen Widerstand oder überhaupt nur Diskussionsrunden aufkommen zu lassen. Hier, denke ich, war der Sicherheitsapparat Mugabes sehr schlagkräftig, und vor allen Dingen, was er gelernt hat, ist, so vorzugehen, dass das nicht so stark als richtige brutale Unterdrückung in die Medien geht oder auch in die internationale Öffentlichkeit geht.

    Grieß: Und den verbliebenen Oppositionellen rund um Morgan Tsvangirai zum Beispiel, denen ist der Herr Tsvangirai keine Führungsfigur?

    Möllers: Nein. Tsvangirai hatte durchaus seine große Chance gehabt 2000, dann auch 2008, wo er ja mit knapp 50 oder 49 Prozent waren es, glaube ich, vor Mugabe in der Präsidentschaftswahl gelegen hat und auch seine Partei im Parlament eine Mehrheit bekommen hat, eine absolute Mehrheit bekommen hat. Das war die letzte große Chance und war er sehr unsicher, unsicher einfach deswegen, weil er ja auch dann zusammengeschlagen wurde und zeitweise ins Ausland fliehen musste, nach Südafrika und nach Botswana, und sich dann als Konsequenz daraus nicht mehr für die Stichwahl zur Verfügung gestellt hat, und das hat dann diese lange Übergangszeit bedeutet. Das heißt, da hat er zu lange gezögert, obwohl man das sehr gut nachvollziehen kann, denn es ging ja für ihn um Leib und Leben und auch seine Frau ist ja auf sehr mysteriöse Weise bei einem Autounfall umgekommen.

    Grieß: Hielten Sie ihn denn eigentlich für den besseren Präsidenten? Hier im Westen wird er ja als die hoffnungsvolle Alternative gehandelt.

    Möllers: Nein, das hätte ich 2008 gesagt. Heute denke ich, er war keine bessere Alternative zu Robert Mugabe. Er hat einfach es vergessen, seine Partei mitzunehmen. Er hat es vergessen, seine Partei, die ja gespalten ist, zu einen, und er hat es versäumt, bei der Kandidatenwahl die Opposition hinter sich zu bringen. Es waren vier Gegenkandidaten zu Mugabe da und damit war einfach die Wahlzersplitterung da und das kam sicher auch bei der Wahlbevölkerung sehr schlecht an, denn die wollte ganz klare Alternativen haben und diese klare Alternative hat Tsvangirai nicht herstellen können.

    Grieß: Die Opposition wird zusätzlich dadurch geschwächt, dass das benachbarte Ausland nicht mehr hinter ihr steht. Südafrikas Präsident Zuma hat sehr deutlich gratuliert, dem Amtsinhaber gratuliert zu dessen Wiederwahl, Widersprüche bei der Wahl hin oder her. Warum tut er das?

    Möllers: Zumas Interessen sind unterschiedlich. Ich denke, das Hauptinteresse war, er will endlich Ruhe im Umfeld Südafrikas haben, in der Region haben, aus ganz verschiedenen Gründen. Zunächst einmal weiß er mit Mugabe, woran er ist. Er weiß, dass er machtbewusst ist, ähnlich wie Zuma auch, und weiß, wenn er das Ganze im Griff hat und aus den Schlagzeilen der internationalen Medien oder der internationalen Öffentlichkeit herauskommt, dass er dann durchaus jemand ist, der im Stillen seine alte Politik weiterführen kann. Das Erste, was für ihn sicher wichtig ist: Der Flüchtlingsstrom hört auf. Drei Millionen von den zwölf Millionen Simbabwern sind im Ausland, davon der größte Teil in Südafrika, ein zweitgrößtes Kontingent in Großbritannien. Und wir wissen ja, dass gerade in Südafrika diese Fremdenfeindlichkeit in den letzten Jahren mehrfach in die Schlagzeilen gekommen ist, und hier war immer eine Gruppe, die gewalttätig angegriffen wurde: das waren die simbabwischen Flüchtlinge neben den mosambikanischen. Dieses Problem, denkt er, kann sich dadurch abschwächen oder langsam auch lösen. - Der zweite Punkt ist der …

    Grieß: Den müssen wir aber kurz machen. Die Zeit drängt, Herr Möllers.

    Möllers: Der zweite Punkt ist sicher: Simbabwe ist die zweitgrößte Wirtschaftsmacht in der Region, sieht man mal von Angola, da ist es etwas zweifelhaft, oder vom Kongo, da ist es noch zweifelhafter, ab. Zuma oder Südafrika braucht endlich hier wieder einen verlässlichen Nachbarn, der rauskommt aus den Sanktionen und dergleichen mehr, und damit auch mit antreten kann zur Fortentwicklung der wirtschaftlichen Entwicklung in der gesamten Region.

    Grieß: Herr Möllers, Sie hören es, da drängt sich die Musik schon rein. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das ausführliche Gespräch. Simbabwe und das System Robert Mugabe war unser Thema. Hein Möllers, Leiter der Informationsstelle südliches Afrika in Bonn, danke für Ihre Zeit und auf Wiederhören.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.