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Sind die Gurken wirklich frisch?

Am Gemüseregal im Supermarkt stets dieselbe Frage: Sind die Tomaten oder Gurken wirklich frisch? Bei der Wahrheitsfindung hilft bisher nur eines: riechen, gucken, tasten. Doch manchmal trügen die eigenen Sinne, und im Warenkorb landet schließlich doch das Zeug von gestern. Damit könnte bald Schluss sein. Denn am Institut für Biophysik in Neuss haben findige Wissenschaftler ein Gerät entwickelt, das in Sekundenschnelle die Frische von Obst und Gemüse ermittelt. Verbraucher sollen es zu jedem Einkauf mitnehmen können. Bis zur Serienreife müssen sie sich allerdings gedulden. Denn noch ist der zukünftige Einkaufshelfer ein wenig zu sperrig und ein wenig zu teuer für den Alltagsgebrauch.

Von Thomas Kalus |
    Jetzt stecken wir einen Tannenzweig rein. In diese Dunkelkammer, jetzt wird die Kammer abgeschlossen und jetzt starten wir ein Programm, jetzt wird diese Tannennadel zehn Sekunden beleuchtet durch ein künstliches Licht mit 150 Watt. So, jetzt wird die Lichtquelle abgeschaltet, und dann sehen Sie die Photonstrahlung von diesem Tannenzweig auf dem Bildschirm.
    Ganz frisch ist er, der Tannenzweig, sagen die bunten Datenbalken, die auf dem Bildschirm zu sehen sind. Recht hat die Apparatur, denn der chinesische Biologe Yu Yan hat den Zweig gerade von einem Baum im Garten des Institutes für Biophysik in Neuss abgebrochen. Das Gerät nutzt die Eigenschaft von pflanzlichen und tierischen Zellen, Licht zu speichern und wieder abzugeben - eine Entdeckung, die der Leiter des Neusser Institutes, Professor Fritz-Albert Popp, bereits in den 70er Jahren gemacht hat. Er folgerte, …

    ... dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Qualität von Lebensmitteln und der sehr schwachen Lichtemission. Wenn man dann zusätzlich das Lebensmittel mit Licht belichtet, kann man erkennen, wie es mit dem Licht umgeht, wie es das Licht zu speichern vermag. Und diese Speicherfähigkeit für Licht ist von elementarer Bedeutung für die Qualität von Lebensmitteln. Denken Sie an die Pflanzen: Die leben ja von Sonnenlicht. Und je besser sie das Licht verwerten können, desto besser ist auch ihre Qualität.

    Das aus dieser theoretischen Betrachtung heraus entwickelte Frischetest-Gerät funktioniert nach der Biophotonen-Analyse. Zunächst werden die pflanzlichen Stoffe mit Kunstlicht bestrahlt. Dann messen höchst empfindliche Photosensoren die ultraschwachen Licht-Absonderungen des pflanzlichen Gewebes. Vereinfacht ausgedrückt: Je stärker die Emission und je länger sie dauert, desto besser geht es der Pflanze. Gesundheit, Frische, Vitalität, Schadstoffbelastung: Mit dem Gerät lässt sich eine ganz Menge über das Testobjekt sagen. Sogar, ob Eier aus freier Tierhaltung oder aus der Legebatterie stammen. Denn Eier von Freilandhühnern weisen eine deutlich höhere Lichtspeicherkapazität auf. Noch ist die Maschine groß, sperrig und unhandlich. Etwa einen Quadratmeter Platz nimmt der Prototyp im Neusser Labor ein. Überall hängen Strippen und Kabel heraus. Rund 80.000 Euro würde der Apparat jetzt kosten. Aber dank der Entwicklung eines amerikanischen Forschers könnte das Gerät in naher Zukunft weitaus kleiner und preiswerter werden, erklärt Biologe Yu Yan:
    Er hat einen neuartigen Photo-Sensor entwickelt. Mit diesem Photo-Sensor kann man das Gerät wesentlich kleiner bauen, dass es so groß ist, wie ein Handy.
    Nach Schätzungen des Institutes könnte das Messgerät in drei bis fünf Jahren Serienreife erlangen. Je nach Produktionsmenge würde es dann unter 100 Euro kosten. Nach den Vorstellungen von Yu Yan und seinen Kollegen muss der Supermarktkunde zukünftig nicht mehr viel tun, um die Frische von Obst und Gemüse zu überprüfen:

    Eigentlich nur die Knöpfe drücken. Wir stellen uns vor, für jedes Produkt wie Möhren, Karotten, Äpfel und Birnen eine Datenbank zu erstellen, das heißt, man braucht nur den Produktnamen zu wählen, das Gerät auf das Produkt halten, dann ganz kurz gemessen, dann wird das Analyseergebnis auf dem Gerät gezeigt, in Textform wahrscheinlich.

    Klingt ganz einfach. Und was halten die Verbraucher von all dem? Ob sich die Supermarktkunden das Wunderding zulegen? Darüber gibt es geteilte Meinungen:

    Ich glaube nicht. Ich teste das mit meiner Hand und gucke und überlege, ob´s frisch ist. - Ach, das wäre gar nicht schlecht, weil alte Sachen manchmal wieder neu verpackt werden.

    Nicht nur für die Endverbraucher wäre das handliche Testgerät interessant. Auch der Einzelhändler, der seine Ware im Großmarkt kauft, oder der Großhändler, der seine Produkte direkt aus dem Herkunftsland bezieht, gehören zur potentiellen Zielgruppe. Professor Popp ist sich der Tragweite seiner Entwicklung durchaus bewusst. Ein Patent ist bereits angemeldet.