Müller: Nach der Steuerreform soll es das Reformwerk der rot/grünen Koalition in dieser Legislaturperiode werden: die Neugestaltung der Altersvorsorge. Die Pläne von Arbeitsminister Walter Riester sind ähnlich umstritten wie die damals von Hans Eichel, und das auch in den eigenen Reihen, innerhalb der SPD-Fraktion wie auch bei den grünen Parlamentariern. Heute legt Riester den Rentenreformentwurf offiziell vor. Die Regierungsfraktionen haben bereits gestern darüber beraten und schließlich grünes Licht gegeben. - Am Telefon begrüße ich nun Wilhelm Schmidt, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Guten Morgen nach Berlin!
Schmidt: Guten Morgen Herr Müller.
Müller: Herr Schmidt, wie haben Sie Ihre internen Kritiker überzeugt?
Schmidt: Es ist so, dass wir ja über das Reformkonzept nicht erst seit gestern diskutieren, sondern nun schon seit Monaten. Es hat sich ja stufenweise entwickelt, auch durch Einfluss von außen. Damit sind auch eine ganze Reihe von den Punkten untergebracht worden, einbezogen worden, die aus der kritischen Ecke kamen. Von daher sind einige Kritiker dadurch beruhigt, dass ihre Vorstellungen jedenfalls zu einem nicht unbeträchtlichen Teil eingeflossen sind.
Müller: Welche Zugeständnisse haben Sie gemacht?
Schmidt: Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten insbesondere die Frage des Ausgleichsfaktors, also des Rentenniveaus neu geordnet. Es ist ja so, dass zum Teil wilde Spekulationen entstanden waren, wie tief geht das Rentenniveau im Laufe von Jahrzehnten. Wir sind jetzt sicher, nach dem was uns der Arbeitsminister vorgelegt hat, dass wir bis 2030 jedenfalls nicht unter 64 Prozent Rentenniveau beim Eckrentner kommen. Das ist das, was man vertreten kann, und vor allen Dingen auch das, was deswegen gemacht werden muss, weil wir ja den zusätzlichen Ausgleichsfaktor durch die private Vorsorge haben. Dadurch kommen dann alle diejenigen, die sich in dieser Weise entsprechend betätigen, wieder auf ein Rentenniveau von 72 Prozent. Das ist alles sehr verträglich, wie wir finden.
Müller: Und nach 2030?
Schmidt: Nach 2030 muss man jetzt wirklich nicht rechnen. Wer hat schon je eine Rentenreform gemacht, die 30 Jahre in die Zukunft blickt. Insofern sind wir schon sehr weit gegangen und haben diese Form der Vorsorge auch entsprechend gesichert, Klarstellungen getroffen. Wir werden für die Frauen, insbesondere auch für die Familien mit Kindern sehr viel mehr machen, als das bisher der Fall war. Das heißt, die Renten werden auch sicherer und gerechter.
Müller: Nun geht es ja auch um die private Vorsorge. Sie haben es angesprochen. Bis 2030 sagen Sie 64 Prozent. Danach könnte es weiter heruntergehen. Nun gibt es ja viele, die jetzt bereits beziehungsweise ab dem nächsten Jahr dann in diese private Vorsorge einzahlen oder sie auf den Weg bringen müssen. Die könnten dann in 35 Jahren eventuell bei 60 Prozent landen?
Schmidt: Ich will jetzt wirklich diese Spekulation beenden, weil ich glaube, es macht wenig Sinn, dort immer noch weiter Ängste zu schüren. Wir sind bei 64 Prozent auf einer soliden Basis. Das zweite ist: durch die private Vorsorge kommen wir wieder auf 72 Prozent. Das was dahintersteckt ist, dass wir diesen privaten Vorsorgeanteil mit erheblichen Steuervergünstigungen fördern, so dass auch jeder wirklich in den Genuss kommen kann, der guten Willens ist, seine eigene Vorsorge ein bisschen mit in die Hand zu nehmen. Die dafür notwendigen Steuergelder stellen wir bereit. Das ist zwischen Arbeitsminister und Finanzminister geklärt worden.
Müller: Um das noch einmal festzuhalten, Herr
Schmidt: Die jüngere Generation zahlt immer mehr ein und bekommt immer weniger heraus. Ist das richtig?
Schmidt: Nein, das ist eben nicht so. Wir sichern auf diesem Weg gleichzeitig auch die Beitragsstabilität. Das heißt, wir gelangen in dieser Zeit nie über 20 Prozent Beitrag. Das ist ja auch ein wichtiger Faktor, auf den wir uns verständigt haben. Wir wollen die Arbeitskosten weder für Unternehmen, die ja die Hälfte des Beitrages zahlen, noch für die Arbeitnehmer, die die andere Hälfte des Beitrages zahlen, in die Höhe schnellen lassen. Wir werden auch den Staatszuschuss zur Rente, der ja jetzt schon erheblich ist, sichern und ganz leicht immer wieder ausbauen, so dass mit allen drei Komponenten, nämlich mit dem Beitrag, dem Staatszuschuss und mit der privaten Vorsorge eine auf mindestens 30 Jahre gesicherte Rentenzukunft vorhanden ist.
Müller: Bis 2030 sollen die Beiträge auf 22 Prozent steigen, melden die Agenturen. Ist das falsch?
Schmidt: Nur im letzten Jahr ist dann nicht mehr ganz auszuschließen, dass es dann auf 22 Prozent kommt. Ich sage aber noch einmal: was wollen wir jetzt im Jahre 2000 uns über das Jahr 2030 hinwegbewegen. Das ist genau der Punkt, auf den wir uns konzentrieren sollten. Wir machen eine langfristig orientierte Rentenreform, auf die sich jeder verlassen kann.
Müller: Machen Sie sich mehr Gedanken über die jetzigen Wähler, also über die amtierenden Rentner, denn über die, die dann folgen?
Schmidt: Nein, nein! Wir sind schon sehr offen mit dieser Sache. Erinnern Sie sich mal an das Blümsche Rentenmodell. Dort ist weder eine solche Komponente noch eine andere vorhanden gewesen. Das heißt, wir gehen damit sehr offen und sehr ehrlich um. Wir sichern aber auch gleichzeitig denjenigen, die jetzt in die Rente gehen würden, in nächster Zeit Klarheit über das, was auf sie zukommt, und jeder kann sich darauf einrichten.
Müller: Ihr Parteifreund Otmar Schreiner sagt, die Schlacht ist noch nicht geschlagen. Fürchten Sie dessen Bataillone?
Schmidt: Wir werden dort erstens keine Kriege ausfechten, und das zweite ist: wir haben an der Stelle alle miteinander ein offenes Verhältnis. Es ist so, dass wir jetzt ja mit diesem Konzept auf die CDU/CSU und die anderen Parteien im Bundestag zugehen, auch auf die Gewerkschaften und sagen ihnen, das ist es nun und nun beeinflusst im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auch noch mit eueren Vorstellungen den einen oder anderen Eckwert, den wir hier gefunden haben. Wir sind also weiter offen für die eine oder andere Veränderung an Ecken, die durchaus noch diskussionsfähig sind. Aber das entscheidende ist: Das ist jetzt das Konzept. Das ist in ein Gesetzgebungswerk geformt worden, und dies werden wir nun auch in den nächsten Monaten nach draußen tragen und weiter diskutieren. Im Laufe des Jahres 2001 wird das dann endgültig beschlossen werden, so dass es 2002 in Kraft treten kann.
Müller: Letzte Frage, Herr
Schmidt: Warum wollen Sie den Konsens mit der Union?
Schmidt: Wir sind nach wie vor überzeugt davon, dass eine so wichtige, vor allen Dingen auch eine so grundlegende Entscheidung für so viele Menschen in unserem Lande möglichst gemeinschaftlich erledigt werden muss. Das ist das Angebot an die CDU/CSU, auch an die FDP. Von daher wollen wir mal sehen, wie das denn weitergeht, weil wir finden, dies muss aus dem Parteienstreit herausgehalten werden, wenn es denn geht.
Müller: Wilhelm Schmidt war das, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. - Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin! Mitgehört hat Hermann-Josef Arentz, stellvertretender Vorsitzender der CDA und zugleich Mitglied im CDU-Präsidium. Guten Morgen Herr Arentz!
Arentz: Guten Morgen Herr Müller.
Müller: Werden Sie denn jetzt zustimmen?
Arentz: Jedenfalls so, wie Herr Riester die Pläne gestern Abend vorgelegt hat, sind sie überhaupt nicht zustimmungsfähig. Dort sind massive Veränderungen notwendig. Ich will das gerne an den Punkten einmal klar machen, die der Herr Kollege Schmidt eben genannt hat. Der erste Punkt ist die Frage: bleibt das Rentenniveau wirklich beim Minimum von 64 Prozent oder sinkt es darunter. Der Verband der Deutschen Rentenversicherungsträger hat öffentlich geäußert - man kann es heute Morgen in den Zeitungen nachlesen -, dass mit der Riester-Reform die Rente eben nicht nur bis 64 Prozent, sondern bis 61 Prozent heruntergeht.
Müller: Bis wann?
Arentz: Bis 2030. - Riester erreicht das durch einen statistischen Schwindeltrick. Er nimmt nämlich die als privat deklarierte Eigenvorsorge, um rechnerisch damit das Nettoeinkommen der Arbeitnehmer zu verringern. Er tut also statistisch so, als wenn es jeder tun würde und tun müßte. Das widerspricht dem Prinzip der Freiwilligkeit. Damit kommt er aber statistisch zu einer Absenkung der Nettoeinkommen der Arbeitnehmer. Auf dem statistisch abgesenkten Niveau berechnet er die Rente. Die sinkt stärker als bei Norbert Blüm. Das ist der erste Punkt.
Müller: Sie werfen ihm Trickserei vor?
Arentz: Ja, massive Trickserei ist das. - Der zweite Punkt ist: Die private Eigenvorsorge wird auf diese Art und Weise eigentlich zu einer Pflicht. Deswegen müßte Herr Schmidt, wenn er ehrlich gewesen wäre, sagen: Erstens geht nach Riesters Plänen der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung bis 22 Prozent hoch im Jahre 2030. Das haben Sie eben völlig richtig eingeworfen. Zusätzlich müßte jeder vier Prozent von seinem Einkommen sparen, um die Zahlen zu erreichen, die Herr Schmidt genannt hat. Das heißt, die Belastung der jungen Generation steigt bis auf 26 Prozent im Riester-Modell und nicht nur bis auf 20 Prozent. Das ist der zweite Punkt, worüber ehrlich gesprochen werden muss. Der dritte Punkt ist die Förderung der Familien mit Kindern. Das Modell der Bundesregierung sieht vor, dass die notwendige Förderung pro Kind, die wir als Union ja gefordert haben in den letzten Monaten, nur derjenige bekommt, der tatsächlich auch die vollen vier Prozent spart. Nehmen Sie eine Familie mit drei oder vier Kindern. Die können vielleicht nur zwei Prozent zusätzlich von ihrem Einkommen im Jahr für die private Altersvorsorge zurücklegen. Die würden 0,0 Pfennig Kinderförderung bekommen. Ich halte das für einen Tatbestand, der ausgesprochen unsozial und ungerecht ist und den wir deswegen so nicht akzeptieren werden. Jetzt nehme ich den vierten Punkt, den Herr Schmidt genannt hat, nach dem Sie ihn gefragt haben, nämlich die Frage der Generationengerechtigkeit. Die Generationengerechtigkeit wird grob verletzt, weil durch den Ausgleichsfaktor, den Riester in die Rentenversicherung einführen will, das Rentenniveau für jeden Neurentner ab dem Jahre 2011 Jahr für Jahr abgesenkt wird. Das ist eine Prämierung für die Frühverrentung und eine Ohrfeige für die junge Generation. Deswegen werden wir diesen Riesterschen Ausgleichsfaktor in der vorliegenden Form nicht mitmachen.
Müller: Herr Arentz, ich habe ja auch noch ein paar Fragen an Sie. Warum ist es denn so, dass die CDU beziehungsweise Sie auch argumentieren können, dass die ganze Reform, die ja notwendig ist - das sagen Sie ja auch -, viel billiger zu haben ist?
Arentz: Ich sage nicht, dass sie billiger zu haben ist, aber ich sage, dass sie gerechter zu haben ist. Norbert Blüm hatte mit dem sogenannten demographischen Faktor eine gerechte und sozialverträgliche Antwort auf die Frage gegeben, wie finanzieren wir die Rentenversicherung, wenn die Menschen immer länger in Rente sind, weil sie immer älter werden. Das ist ja das Problem, vor dem wir objektiv stehen. Dann können sie entweder sagen, sie flachen ab sofort den Rentenzuwachs ab. Dann wird der ganze Bestand sozusagen ein wenig günstiger finanziert von den Beitragszahlern, aber läuft eben auch bis zum Jahre 2030 auf einer Ebene, dass junge Beitragszahler von heute nicht diejenigen sind, die in diesem Rentenversicherungssystem letztlich die gekniffenen sind.
Müller: Gehen Sie denn von anderen Portemonnaies aus?
Arentz: Nein! Wir gehen von genau den gleichen Portemonnaies aus, aber wir bedauern eigentlich den mangelnden Mut Riesters und der SPD, auch der heutigen Rentnergeneration die Wahrheit zu sagen. Das ist der Punkt. Das können Sie übrigens noch an einem anderen Punkt festmachen. Dass Herr Eichel flucht- und panikartig seine Pläne zur nachgelagerten Besteuerung zurückziehen musste, spricht Bände. Wir werden natürlich der Bundesregierung die Frage nicht ersparen können: Was passiert denn mit der Rentenreform, die sie jetzt vorlegt, wenn das Bundesverfassungsgericht im nächsten Jahr beschließt, dass Rentner und Pensionäre bei den Steuern gleichbehandelt werden müssen. Da kann man nicht einfach die Augen zumachen und weglaufen, sondern da muss man zumindest Antworten geben, was würde ein solches Urteil für die Rentenreform bedeuten.
Müller: Nun hat die Regierung jetzt erst einmal gesagt, abwarten auf das Urteil. War das falsch?
Arentz: Da fast alle kundigen davon ausgehen, dass dieses Urteil eine steuerliche Gleichbehandlung von Pensionären, also von früheren Beamten, und von früheren Angestellten und Arbeitern in der Rentenversicherung verlangt, würde ich sagen, es ist zumindest fahrlässig. Ob man es jetzt macht oder nicht muss man sehen, aber man muss die Bundesregierung natürlich an der Stelle zur Wahrheit zwingen, indem sie zumindest sagt, was sie denn in einem solchen Fall vor hätte.
Müller: Hermann-Josef Arentz war das, stellvertretender Vorsitzender der christlichen Arbeitnehmerorganisation. - Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!
Link: Interview als RealAudio
Schmidt: Guten Morgen Herr Müller.
Müller: Herr Schmidt, wie haben Sie Ihre internen Kritiker überzeugt?
Schmidt: Es ist so, dass wir ja über das Reformkonzept nicht erst seit gestern diskutieren, sondern nun schon seit Monaten. Es hat sich ja stufenweise entwickelt, auch durch Einfluss von außen. Damit sind auch eine ganze Reihe von den Punkten untergebracht worden, einbezogen worden, die aus der kritischen Ecke kamen. Von daher sind einige Kritiker dadurch beruhigt, dass ihre Vorstellungen jedenfalls zu einem nicht unbeträchtlichen Teil eingeflossen sind.
Müller: Welche Zugeständnisse haben Sie gemacht?
Schmidt: Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten insbesondere die Frage des Ausgleichsfaktors, also des Rentenniveaus neu geordnet. Es ist ja so, dass zum Teil wilde Spekulationen entstanden waren, wie tief geht das Rentenniveau im Laufe von Jahrzehnten. Wir sind jetzt sicher, nach dem was uns der Arbeitsminister vorgelegt hat, dass wir bis 2030 jedenfalls nicht unter 64 Prozent Rentenniveau beim Eckrentner kommen. Das ist das, was man vertreten kann, und vor allen Dingen auch das, was deswegen gemacht werden muss, weil wir ja den zusätzlichen Ausgleichsfaktor durch die private Vorsorge haben. Dadurch kommen dann alle diejenigen, die sich in dieser Weise entsprechend betätigen, wieder auf ein Rentenniveau von 72 Prozent. Das ist alles sehr verträglich, wie wir finden.
Müller: Und nach 2030?
Schmidt: Nach 2030 muss man jetzt wirklich nicht rechnen. Wer hat schon je eine Rentenreform gemacht, die 30 Jahre in die Zukunft blickt. Insofern sind wir schon sehr weit gegangen und haben diese Form der Vorsorge auch entsprechend gesichert, Klarstellungen getroffen. Wir werden für die Frauen, insbesondere auch für die Familien mit Kindern sehr viel mehr machen, als das bisher der Fall war. Das heißt, die Renten werden auch sicherer und gerechter.
Müller: Nun geht es ja auch um die private Vorsorge. Sie haben es angesprochen. Bis 2030 sagen Sie 64 Prozent. Danach könnte es weiter heruntergehen. Nun gibt es ja viele, die jetzt bereits beziehungsweise ab dem nächsten Jahr dann in diese private Vorsorge einzahlen oder sie auf den Weg bringen müssen. Die könnten dann in 35 Jahren eventuell bei 60 Prozent landen?
Schmidt: Ich will jetzt wirklich diese Spekulation beenden, weil ich glaube, es macht wenig Sinn, dort immer noch weiter Ängste zu schüren. Wir sind bei 64 Prozent auf einer soliden Basis. Das zweite ist: durch die private Vorsorge kommen wir wieder auf 72 Prozent. Das was dahintersteckt ist, dass wir diesen privaten Vorsorgeanteil mit erheblichen Steuervergünstigungen fördern, so dass auch jeder wirklich in den Genuss kommen kann, der guten Willens ist, seine eigene Vorsorge ein bisschen mit in die Hand zu nehmen. Die dafür notwendigen Steuergelder stellen wir bereit. Das ist zwischen Arbeitsminister und Finanzminister geklärt worden.
Müller: Um das noch einmal festzuhalten, Herr
Schmidt: Die jüngere Generation zahlt immer mehr ein und bekommt immer weniger heraus. Ist das richtig?
Schmidt: Nein, das ist eben nicht so. Wir sichern auf diesem Weg gleichzeitig auch die Beitragsstabilität. Das heißt, wir gelangen in dieser Zeit nie über 20 Prozent Beitrag. Das ist ja auch ein wichtiger Faktor, auf den wir uns verständigt haben. Wir wollen die Arbeitskosten weder für Unternehmen, die ja die Hälfte des Beitrages zahlen, noch für die Arbeitnehmer, die die andere Hälfte des Beitrages zahlen, in die Höhe schnellen lassen. Wir werden auch den Staatszuschuss zur Rente, der ja jetzt schon erheblich ist, sichern und ganz leicht immer wieder ausbauen, so dass mit allen drei Komponenten, nämlich mit dem Beitrag, dem Staatszuschuss und mit der privaten Vorsorge eine auf mindestens 30 Jahre gesicherte Rentenzukunft vorhanden ist.
Müller: Bis 2030 sollen die Beiträge auf 22 Prozent steigen, melden die Agenturen. Ist das falsch?
Schmidt: Nur im letzten Jahr ist dann nicht mehr ganz auszuschließen, dass es dann auf 22 Prozent kommt. Ich sage aber noch einmal: was wollen wir jetzt im Jahre 2000 uns über das Jahr 2030 hinwegbewegen. Das ist genau der Punkt, auf den wir uns konzentrieren sollten. Wir machen eine langfristig orientierte Rentenreform, auf die sich jeder verlassen kann.
Müller: Machen Sie sich mehr Gedanken über die jetzigen Wähler, also über die amtierenden Rentner, denn über die, die dann folgen?
Schmidt: Nein, nein! Wir sind schon sehr offen mit dieser Sache. Erinnern Sie sich mal an das Blümsche Rentenmodell. Dort ist weder eine solche Komponente noch eine andere vorhanden gewesen. Das heißt, wir gehen damit sehr offen und sehr ehrlich um. Wir sichern aber auch gleichzeitig denjenigen, die jetzt in die Rente gehen würden, in nächster Zeit Klarheit über das, was auf sie zukommt, und jeder kann sich darauf einrichten.
Müller: Ihr Parteifreund Otmar Schreiner sagt, die Schlacht ist noch nicht geschlagen. Fürchten Sie dessen Bataillone?
Schmidt: Wir werden dort erstens keine Kriege ausfechten, und das zweite ist: wir haben an der Stelle alle miteinander ein offenes Verhältnis. Es ist so, dass wir jetzt ja mit diesem Konzept auf die CDU/CSU und die anderen Parteien im Bundestag zugehen, auch auf die Gewerkschaften und sagen ihnen, das ist es nun und nun beeinflusst im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auch noch mit eueren Vorstellungen den einen oder anderen Eckwert, den wir hier gefunden haben. Wir sind also weiter offen für die eine oder andere Veränderung an Ecken, die durchaus noch diskussionsfähig sind. Aber das entscheidende ist: Das ist jetzt das Konzept. Das ist in ein Gesetzgebungswerk geformt worden, und dies werden wir nun auch in den nächsten Monaten nach draußen tragen und weiter diskutieren. Im Laufe des Jahres 2001 wird das dann endgültig beschlossen werden, so dass es 2002 in Kraft treten kann.
Müller: Letzte Frage, Herr
Schmidt: Warum wollen Sie den Konsens mit der Union?
Schmidt: Wir sind nach wie vor überzeugt davon, dass eine so wichtige, vor allen Dingen auch eine so grundlegende Entscheidung für so viele Menschen in unserem Lande möglichst gemeinschaftlich erledigt werden muss. Das ist das Angebot an die CDU/CSU, auch an die FDP. Von daher wollen wir mal sehen, wie das denn weitergeht, weil wir finden, dies muss aus dem Parteienstreit herausgehalten werden, wenn es denn geht.
Müller: Wilhelm Schmidt war das, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. - Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin! Mitgehört hat Hermann-Josef Arentz, stellvertretender Vorsitzender der CDA und zugleich Mitglied im CDU-Präsidium. Guten Morgen Herr Arentz!
Arentz: Guten Morgen Herr Müller.
Müller: Werden Sie denn jetzt zustimmen?
Arentz: Jedenfalls so, wie Herr Riester die Pläne gestern Abend vorgelegt hat, sind sie überhaupt nicht zustimmungsfähig. Dort sind massive Veränderungen notwendig. Ich will das gerne an den Punkten einmal klar machen, die der Herr Kollege Schmidt eben genannt hat. Der erste Punkt ist die Frage: bleibt das Rentenniveau wirklich beim Minimum von 64 Prozent oder sinkt es darunter. Der Verband der Deutschen Rentenversicherungsträger hat öffentlich geäußert - man kann es heute Morgen in den Zeitungen nachlesen -, dass mit der Riester-Reform die Rente eben nicht nur bis 64 Prozent, sondern bis 61 Prozent heruntergeht.
Müller: Bis wann?
Arentz: Bis 2030. - Riester erreicht das durch einen statistischen Schwindeltrick. Er nimmt nämlich die als privat deklarierte Eigenvorsorge, um rechnerisch damit das Nettoeinkommen der Arbeitnehmer zu verringern. Er tut also statistisch so, als wenn es jeder tun würde und tun müßte. Das widerspricht dem Prinzip der Freiwilligkeit. Damit kommt er aber statistisch zu einer Absenkung der Nettoeinkommen der Arbeitnehmer. Auf dem statistisch abgesenkten Niveau berechnet er die Rente. Die sinkt stärker als bei Norbert Blüm. Das ist der erste Punkt.
Müller: Sie werfen ihm Trickserei vor?
Arentz: Ja, massive Trickserei ist das. - Der zweite Punkt ist: Die private Eigenvorsorge wird auf diese Art und Weise eigentlich zu einer Pflicht. Deswegen müßte Herr Schmidt, wenn er ehrlich gewesen wäre, sagen: Erstens geht nach Riesters Plänen der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung bis 22 Prozent hoch im Jahre 2030. Das haben Sie eben völlig richtig eingeworfen. Zusätzlich müßte jeder vier Prozent von seinem Einkommen sparen, um die Zahlen zu erreichen, die Herr Schmidt genannt hat. Das heißt, die Belastung der jungen Generation steigt bis auf 26 Prozent im Riester-Modell und nicht nur bis auf 20 Prozent. Das ist der zweite Punkt, worüber ehrlich gesprochen werden muss. Der dritte Punkt ist die Förderung der Familien mit Kindern. Das Modell der Bundesregierung sieht vor, dass die notwendige Förderung pro Kind, die wir als Union ja gefordert haben in den letzten Monaten, nur derjenige bekommt, der tatsächlich auch die vollen vier Prozent spart. Nehmen Sie eine Familie mit drei oder vier Kindern. Die können vielleicht nur zwei Prozent zusätzlich von ihrem Einkommen im Jahr für die private Altersvorsorge zurücklegen. Die würden 0,0 Pfennig Kinderförderung bekommen. Ich halte das für einen Tatbestand, der ausgesprochen unsozial und ungerecht ist und den wir deswegen so nicht akzeptieren werden. Jetzt nehme ich den vierten Punkt, den Herr Schmidt genannt hat, nach dem Sie ihn gefragt haben, nämlich die Frage der Generationengerechtigkeit. Die Generationengerechtigkeit wird grob verletzt, weil durch den Ausgleichsfaktor, den Riester in die Rentenversicherung einführen will, das Rentenniveau für jeden Neurentner ab dem Jahre 2011 Jahr für Jahr abgesenkt wird. Das ist eine Prämierung für die Frühverrentung und eine Ohrfeige für die junge Generation. Deswegen werden wir diesen Riesterschen Ausgleichsfaktor in der vorliegenden Form nicht mitmachen.
Müller: Herr Arentz, ich habe ja auch noch ein paar Fragen an Sie. Warum ist es denn so, dass die CDU beziehungsweise Sie auch argumentieren können, dass die ganze Reform, die ja notwendig ist - das sagen Sie ja auch -, viel billiger zu haben ist?
Arentz: Ich sage nicht, dass sie billiger zu haben ist, aber ich sage, dass sie gerechter zu haben ist. Norbert Blüm hatte mit dem sogenannten demographischen Faktor eine gerechte und sozialverträgliche Antwort auf die Frage gegeben, wie finanzieren wir die Rentenversicherung, wenn die Menschen immer länger in Rente sind, weil sie immer älter werden. Das ist ja das Problem, vor dem wir objektiv stehen. Dann können sie entweder sagen, sie flachen ab sofort den Rentenzuwachs ab. Dann wird der ganze Bestand sozusagen ein wenig günstiger finanziert von den Beitragszahlern, aber läuft eben auch bis zum Jahre 2030 auf einer Ebene, dass junge Beitragszahler von heute nicht diejenigen sind, die in diesem Rentenversicherungssystem letztlich die gekniffenen sind.
Müller: Gehen Sie denn von anderen Portemonnaies aus?
Arentz: Nein! Wir gehen von genau den gleichen Portemonnaies aus, aber wir bedauern eigentlich den mangelnden Mut Riesters und der SPD, auch der heutigen Rentnergeneration die Wahrheit zu sagen. Das ist der Punkt. Das können Sie übrigens noch an einem anderen Punkt festmachen. Dass Herr Eichel flucht- und panikartig seine Pläne zur nachgelagerten Besteuerung zurückziehen musste, spricht Bände. Wir werden natürlich der Bundesregierung die Frage nicht ersparen können: Was passiert denn mit der Rentenreform, die sie jetzt vorlegt, wenn das Bundesverfassungsgericht im nächsten Jahr beschließt, dass Rentner und Pensionäre bei den Steuern gleichbehandelt werden müssen. Da kann man nicht einfach die Augen zumachen und weglaufen, sondern da muss man zumindest Antworten geben, was würde ein solches Urteil für die Rentenreform bedeuten.
Müller: Nun hat die Regierung jetzt erst einmal gesagt, abwarten auf das Urteil. War das falsch?
Arentz: Da fast alle kundigen davon ausgehen, dass dieses Urteil eine steuerliche Gleichbehandlung von Pensionären, also von früheren Beamten, und von früheren Angestellten und Arbeitern in der Rentenversicherung verlangt, würde ich sagen, es ist zumindest fahrlässig. Ob man es jetzt macht oder nicht muss man sehen, aber man muss die Bundesregierung natürlich an der Stelle zur Wahrheit zwingen, indem sie zumindest sagt, was sie denn in einem solchen Fall vor hätte.
Müller: Hermann-Josef Arentz war das, stellvertretender Vorsitzender der christlichen Arbeitnehmerorganisation. - Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!
Link: Interview als RealAudio
