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Sind schärfere Kontrollen für Öltanker notwendig?

    Meurer: 10.000 Tonnen Schweröl sind bereits ausgelaufen, aber das Schlimmste könne noch kommen. Das Gros der Ladung, 65.000 Tonnen, befindet sich immer noch an Bord des Öltankers 'Prestige', der gestern in zwei Teile zerbrochen und gesunken ist. Welche Folgen hat die Katastrophe? Wie kam es dazu? Darüber möchte ich mich unterhalten mit Bernd Kröger. Er ist der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder. Herr Kröger, was kann man jetzt eigentlich noch machen?

    Kröger: Man muss natürlich all das tun, was die Spanier derzeit ja auch tun, um eine weitere Ölverschmutzung zu verhindern. Man wird aber wohl aus dem inzwischen sehr tief liegendem Wrack das Öl, was noch in den Tanks ist, nicht mehr auspumpen können, so dass die Hoffnung derzeit besteht, dass die Tanks halten und nicht durch den Wasserdruck aufbrechen. Sollten Sie das tun, gibt es eine weitere Hoffnung, dass das Öl verklumpt und auf dem Meeresboden liegen bleibt. Das wird man aber abwarten müssen.

    Meurer: Wie schnell kann das Öl verklumpen? Geht das sofort, oder muss das erst einige Monate sozusagen in den Tanks liegen?

    Kröger: Es ist ja nicht so, dass es unmittelbar ausläuft, sondern das ist ein Prozess. Im Moment sieht es aber noch so aus, als würde das Wrack halten, aber das ist Spekulation.

    Meurer: War es ein verhängnisvoller Fehler, dass die spanische Regierung keinen Nothafen zur Verfügung gestellt hat, dass das Schiff also im Gegenteil auf offene See gezogen wurde?

    Kröger: Ja, die Schifffahrt hat ein wenig mit Sorge verfolgt, dass die Spanier dies in einem frühen Stadium nicht erlaubt haben. Beides hat ein Risiko. Die Entscheidung, einen Nothafen zu öffnen, hätte auf der einen Seite bedeuten können, dass das Schiff in ruhigere Gewässer kommt, dass das Abpumpen des Öls problemlos möglich gewesen wäre, und dass die Verschmutzung wahrscheinlich dann zu einem wesentlich geringeren Grade eingetreten wäre. Das Risiko, das in einer solchen Entscheidung liegt, ist, dass das Schiff dennoch, diesmal dann in Küstennähe zerbrochen wäre, was eine große Ölverschmutzung dann zur Konsequenz gehabt hätte. Die Spanier haben sich für das Rausschleppen entschieden. Damit war die Gefahr des Auseinanderbrechens und Sinkens, was wir jetzt erleben, leider vergrößert worden.

    Meurer: Also war es die falsche Entscheidung?

    Kröger: Das ist schwer von Hamburg aus zu bewerten. Das kann man nur bewerten, wenn man die Situation vor Ort gesehen hat. Die spanischen Behörden haben hier eine Entscheidung getroffen, die sie zu verantworten haben. Wir haben generell das Problem, dass in Südeuropa – wir haben das vor einigen Monaten mit der 'Castor' schon einmal erlebt –, speziell in Spanien und in Portugal, die Tendenz zu sagen, ich schließe meine Häfen, ich lasse hier niemanden hinein, der potentiell eine Gefährdung darstellt, zunimmt. Dafür ist es erforderlich, dass in Europa Leitlinien entwickelt werden, nach denen Hafenstaaten sich zu richten hätten, wenn sie eine solche Entscheidung treffen. Wir brauchen in solchen Katastrophenfällen und bei havarierten Schiffen einfach die Möglichkeit, Schiffe in Nothäfen einlaufen lassen zu können, um ein potentielles Risiko zu verringern.

    Meurer: Die 'Prestige', der Öltanker, war 26 Jahre alt. War sie ein Seelenverkäufer?

    Kröger: Das sieht nicht so aus. Von außen könnte es so scheinen, aber das sieht nicht so aus. Mit 26 Jahren hätte das Schiff bis 2005 weiterfahren dürfen, dann hätte es vom Markt genommen werden müssen. Das Schiff war aber bei einer der großen und international renommierten Klassifikationsgesellschaften geklasst. Klassifikationsgesellschaften sind der TÜV der Schifffahrt, und dieser TÜV für dieses Schiff, also die Klasse war ABS, das ist die American Bureau of Shipping. Das ist insbesondere für Tanker eine der großen renommierten internationalen Klassifikationsgesellschaften, und die hat erklärt, sie habe das Schiff in Dubai im Mai diesen Jahres zuletzt besichtigt, und es seien bei dieser Besichtigung keine nennenswerten Probleme aufgetreten.

    Meurer: Also eigentlich sollen alte Schiffe sozusagen bis 2005 abgezogen und verschrottet werden; die neuen haben die berühmten doppelten Wände. Wie groß sind denn die Schlupflöcher aber, dass es auch nach 2005 die alten Tanker geben wird?

    Kröger: Relativ gering. Es kommt darauf an, wohin Sie fahren. Öltanker fahren im Regelfall in Industriestaaten und zwischen Industriestaaten, also Europa, USA, Japan, um drei große Bereiche zu nennen. Und Sie müssen davon ausgehen, dass in diesem Netz der Industriestaaten mehrere Kontrollen aufgebaut sind. Die eine Kontrolle ist die, von der ich sprach, das ist die eigentlich wichtigste, die der Klassifikationsgesellschaft. Wenn es eine der großen Klassifikationsgesellschaften in der Welt ist, dann kann man davon ausgehen, dass dort anständig gearbeitet wird, und die Europäische Union hat für solche Klassifikationsgesellschaften, die in Europa arbeiten wollen, auch relativ scharfe Regeln aufgestellt.

    Meurer: Aber glauben Sie wirklich, dass es bis 2005 fast nur noch Öltanker mit doppelter Schiffshülle geben wird?

    Kröger: Nein, das kann es nicht sein. Das ist ja international beschlossen worden, stufenweise ein Ausphasen von alten Öltankern vorzunehmen, und die ersten sind 2005, das nächste Datum ist 2007 und das letzte ist dann 2015, so dass stufenweise diese Schiffe vom Markt genommen werden, aber nicht ab 2005 alle weg.

    Meurer: Sie zeigen jetzt auf die Europäische Union, wenn ich das richtig sehe. Tun denn die Reeder selbst genug für die Sicherheit?

    Kröger: Ich meine schon, dass sie das tun. Ich würde mal sagen, es gibt, nochmals gesagt, drei Kontrollen: die Klassifikationsgesellschaften, die Hafenstaatenkontrollen in Europa und anderen Teilen der Welt und die Kontrollen der Charterer selbst, denn ein Charterer, der auf sich hält, chartert einfach nicht wild in der Gegend herum, sondern guckt sich das Schiff an, mit dem sein Öl befördert wird, so dass nach meiner Einschätzung die Netze der Sicherheit in Europa und in den anderen Industriestaaten der Welt so eng geworden sind, dass es außerordentlich schwierig ist, da durchzuschlüpfen, und das ist auch in Ordnung so.

    Meurer: Kennen Sie diese griechische Reederei? Können Sie etwas über den Ruf dieser Reederei sagen?

    Kröger: Dazu kann ich überhaupt nichts sagen; sie ist mir ganz unbekannt.

    Meurer: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio