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Sinfonische Musik
Schottische Fantasie neu interpretiert

Die schottische Geigerin Nicola Benedetti und das BBC Scottish Symphony Orchestra haben die Schottische Fantasie von Max Bruch auf Vinyl gebracht. Man hört der Aufnahme an, dass die Interpreten hier ein musikalisches "Heimspiel" haben.

Eine Sendung von Jochen Hubmacher | 07.09.2014
    Das Bild zeigt die "Macdonald" Stradivarius Viola, die 1719 von Antonio Stradivari (1641-1737) geschaffen hat. Bei Sotheby's wurde sie in Paris am April 15, 2014 versteigert. Sotheby's hat den Preis in New York auf 45 Million US Dollars geschätzt. AFP PHOTO BERTRAND GUAY
    Die Geigerin Nicola Benedetti hat das neue Album "Homecoming – A Scottish Fantasy" herausgebracht (Bertrand Guay/AFP)
    Hier die bunte Glitzerwelt Hollywoods, dort die herbe Schönheit Schottlands. In diesem musikalischen Spannungsfeld bewegen wir uns in der heutigen Sendung. Am Mikrofon begrüßt Sie Jochen Hubmacher.
    1. Satz: Moderato nobile (Ausschnitt) aus: Violinkonzert D-Dur, op. 35
    Erich Wolfgang Korngold gehörte zu den jüdischen Komponisten aus ganz Europa, für die Hollywood zum Zufluchtsort vor der Nazi-Verfolgung wurde. Ob es für Korngold eine "Flucht ins Paradies" war, wie der Titel "Escape to Paradise" der neuen CD des Geigers Daniel Hope suggeriert, sei dahingestellt. Zunächst einmal rettete die Emigration ihm und seiner Familie das Leben. Künstlerisch dürfte Hollywood für Korngold jedoch nicht das Paradies gewesen sein. Auch wenn er dort als Filmmusikkomponist große Erfolge feiern konnte. Zweimal bekam er sogar einen Oscar verliehen.
    Nach dem 2. Weltkrieg setzte Korngold aber alles daran, wieder als "seriöser" Komponist wahrgenommen zu werden und das war mit Filmmusik unmöglich. Er wollte an die Zeiten anknüpfen, als man ihn in einem Atemzug mit Richard Strauss nannte und seine Erfolgsoper "Die tote Stadt" überall auf den Musiktheaterspielplänen auftauchte. Der erste Meilenstein auf diesem Weg sollte sein 1945 geschriebenes D-Dur Violinkonzert sein. Der legendäre Geiger Jascha Heifetz spielte die Uraufführung. Als Solist schwebte Korngold "mehr ein Caruso als ein Paganini" vor. Sprich: Man braucht dafür einen Geiger, der neben flinken Fingern auch ein gutes Gespür für die lyrischen Passagen voller zündender Melodien mitbringt. Über dieses Gespür verfügt Daniel Hope. Und das Royal Stockholm Philharmonic Orchestra sorgt für den nötigen Hollywood-Breitwand-Sound. Hollywoodreif ist die jetzt beim Label Deutsche Grammophon erschienene Einspielung des Korngold-Violinkonzerts dennoch nicht. Dafür fehlt ihr die technische Perfektion. Egal ob rhythmische Präzision, Intonation oder Zusammenspiel, die Aufnahme lässt doch einige Wünsche offen.
    3. Satz: Finale. Allegro assai vivace (Ausschnitt) aus: Violinkonzert D-Dur, op. 35
    Ein Kritiker der "New York Times" bezeichnete Erich Wolfgang Korngolds Violinkonzert einmal als "Hollywood-Concerto". In der Tat stammen etliche der Themen darin aus Korngolds früheren Filmmusiken.
    Seine Hoffnungen, mit dem Werk an alte Erfolge als "seriöser" Komponist anzuknüpfen, erfüllten sich nicht. Denn das Europa, das Korngold vor dem Zweiten Weltkrieg gekannt hatte, war im Bombenhagel untergegangen und damit auch die Musikwelt, in der seine süffig-spätromantische, bisweilen etwas pathetische Klangsprache ihren festen Platz hatte. Nur unter der "Käseglocke Hollywood" hat diese Musikwelt nie aufgehört zu existieren. Bis heute bildet sie den künstlerischen Nährboden für viele von Hollywoods Filmmusikschaffenden wie etwa den mehrfachen Oscar-Preisträger John Williams.
    Thema aus: Musik zum Film "Schindler's Liste" K: John Williams
    Daniel Hope schleppt auf seinem Hollywood-Album allerlei prominente Gäste an. Allen voran den Rockmusiker Sting, der in der Vergangenheit immer mal wieder auch mit Abstechern in klassische Gefilde von sich Reden gemacht hat. Seine Interpretation eines Hans Eisler-Songs aus dessen "Hollywooder Liederbuch" ist jedoch vornehm ausgedrückt: "Geschmackssache". Da bewegt sich Max Raabe schon wesentlich stilsicherer in der Musik eines Kurt Weil. Dennoch wird man den Eindruck nicht los, dass es bei diesen Gastauftritten weniger um die große Kunst, als ums große Geschäft geht.
    Ums "nach Hause kommen" dreht es sich laut Titel auf der neuen CD "Homecoming" der Geigerin Nicola Benedetti. Beim Nachnamen Benedetti vermutet man dieses Zuhause zunächst nicht auf der britischen Insel. Doch die Endzwanzigerin mit italienischem Vater und schottischer Mutter ist im Westen Schottlands aufgewachsen. Daher erklärt sich auch das zentrale Stück ihrer beim Label DECCA erschienenen CD: die Schottische Fantasie für Violine und Orchester von Max Bruch.
    4. Satz: Finale: Allegro guerriero (Ausschnitt) aus: Schottische Fantasie für Violine und Orchester Es-Dur, op. 46
    Ende der 1870er Jahre schrieb Max Bruch seine Fantasie für Violine und Orchester. Gewidmet hat er sie dem Geigen-Virtuosen Pablo de Sarasate, der von dem Stück zunächst jedoch nicht besonders begeistert war. Daher spielte die Uraufführung 1881 in Liverpool dann auch eine andere Geigen-Legende: Joseph Joachim. Über dessen Interpretation allerdings war der Komponist alles andere als erfreut. Schließlich konnte sich Pablo de Sarasate doch noch für Bruchs Schottische Fantasie erwärmen und sie fand ihren Weg ins Repertoire.
    "Für jemanden, der nie selbst in Schottland war, zeichnet Max Bruch unsere Landschaft erstaunlich klar!". Das schreibt Nicola Benedetti im Booklet zu ihrer CD. Für das nötige Lokalkolorit sorgen nicht zuletzt die schottischen Volksmelodien, die Max Bruch in seiner Fantasie verarbeitet hat. Melodien, die durch ihre bezaubernde Schlichtheit, den Hörer unmittelbar in ihren Bann ziehen. Wie etwa das melancholische Lied eines Mädchens, das von ihrem geliebten Johnny verlassen wurde.
    3. Satz: Andante sostenuto aus: Schottische Fantasie für Violine und Orchester Es-Dur, op. 46
    Die Geigerin Nicola Benedetti und das BBC Scottish Symphony Orchestra unter Rory Macdonald liefern eine technisch blitzsaubere und emotional anrührende Version der Schottischen Fantasie von Max Bruch ab. Man hört der Aufnahme an, dass die Interpreten hier ein musikalisches "Heimspiel" haben.
    Ähnlich wie Daniel Hope hat auch Nicola Benedetti für die Aufnahme ihrer CD einige Gastmusiker eingeladen. Sie stammen aus der schottischen Folkmusikszene und fügen dem romantischen Klangbild Schottlands, das Max Bruch in seiner Fantasie zeichnet, einige reizvolle Facetten hinzu. Die spannendsten Momente dieser musikalischen Begegnung sind zweifellos die, in denen das gälische Erbe der Schotten ins Spiel kommt.
    Mouth Music and Tunes Set
    "Homecoming – A Scottish Fantasy" – so heißt die neue CD der Geigerin Nicola Benedetti, die jetzt beim Label DECCA erschienen ist. Außerdem habe ich Ihnen heute Daniel Hopes "Hollywood Album" – "Escape to Paradise" vorgestellt. Herausgekommen bei der Deutschen Grammophon.
    Für Ihr Interesse bedankt sich am Mikrofon: Jochen Hubmacher.
    Escape to Paradise – The Hollywood Album
    Daniel Hope, Violine
    Royal Stockholm Philharmonic Orchestra
    Ltg.: Alexander Shelley
    Label: Deutsche Grammophon
    LC: 00173
    Bestell-Nr.: 028947929543

    Homecoming – A Scottish Fantasy
    Nicola Benedetti, Violine
    BBC Scottish Symphony Orchestra
    Leitung.: Rory Macdonald
    Label: DECCA
    LC: 00171
    Bestell-Nr.: 028947866909