Freitag, 19. April 2024

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Singer-/Songwriterin Ani DiFranco
Erfolg mit Anti-Folk

Die Musik von Ani DiFranco passt nur in eine Schublade und das ist ihre eigene: Anti-Folk. Die Songs der hervorragenden Gitarristin haben komplexe Strukturen und hochpolitische Botschaften. Ani DiFranco ist unangepasst erfolgreich.

Am Mikrofon: Thekla Jahn | 21.07.2017
    Ani DiFranco steht mit umgehängter Gitarre und abgeklebten Fingerkuppen der rechten Hand auf der Bühne und schaut gen Himmel
    Als Musikerin und Aktistin ein Energiebündel: Ani DiFranco beim Rudolstadtfestival 2017 (Silvia Hauptmann)
    Diese Sendung können Sie nach Ausstrahlung 30 Tage online nachhören.
    Wenn eine Musikerin als "Indie", als unabhängig zu bezeichnen ist, künstlerisch ihren eigenen Weg geht, dazu hochgradig politische Songs schreibt und als Aktivistin zu den Missständen der US-amerikanischen Gesellschaft Stellung bezieht, dann ist es Ani DiFranco. Die 46jährige Singer/Songwriterin besitzt Power und Mut. Schon mit neun Jahren spielte sie in Pubs Beatles-Coversongs und war auch sonst vielseitig interessiert.
    "Musik ist überall, wo die Menschen leben"
    "Als ich anfing, mich künstlerisch ausdrücken zu wollen, wusste ich nicht so recht, welches Medium ich nutzen sollte. Ich malte, zeichnete, spielte Gitarre, tanzte und sah mich schon als Tänzerin. Aber irgendwann dachte ich: ich muss mit all dem aufhören und nur noch Musik machen, weil Musik überall dort ist, wo die Menschen leben, auf der Straße, in Pubs und Bar, zuhause – einfach überall. Nach ein paar Jahren wurde mir dann klar, dass ich gar nichts von mir unterdrücken muss. Wenn man schon seinen eigenen Beruf selbst gestalten kann, warum sollte dann nicht alles von einem darin stecken."
    Ani DiFranco gründet mit 18 Jahren ihr eigenes Plattenlabel Righteous Babe Records, mit dem sie sich seither ihre Unabhängigkeit bewahrt. Ihre Folksongs lassen sich nicht in die üblichen Schubladen stecken. Oft sind es komplexe Songstrukturen, die von Rock, Jazz, Punk oder Funk inspiriert sind. Doch die Musikerin liebt die Alternative, die spontane Improvisation, den unmittelbaren Ausdruck. Und das nicht nur musikalisch, sondern auch mit ihren politischen und autobiographischen Songtexten, die nichts beschönigen. Ani DiFranco ist ein Energiebündel.
    Die Finger mit Tape abgeklebt
    Sie spielt akustische Gitarre und Akustik-Bass mit enormer Kraft und ohne Plektrum, schlägt also mit den Fingern an und um die zu schonen, klebt sie die Fingerkuppen mit schwarzem Gaffa Tape ab. Für ihr Konzert im Rahmen des Weltmusikfestivals in Rudolstadt brachte sie fünf verschieden gestimmte Akustikgitarren mit und eine Auswahl von Songs aus ihren mittlerweile über 25 Alben. Die US amerikanische Musikerin, die auch mehrere Gedichtbände veröffentlicht hat, gehört zu den bekanntesten Aktivistinnen ihres Heimatlandes. Sie setzt sich für Gleichberechtigung und Pluralität ein, beteiligte sich mit ihrem Stück "Play God" an der Anti-Trump-Kampagne "30 Days, 30 Songs".
    Wie eine Sprecherin der USA
    Während des mehrtägigen Weltmusikfestivals in Rudolstadt wurde sie deshalb auch zu einer Podiumsdiskussion in die dortige Bibliothek eingeladen. Den Anwesenden gegenüber sagte sie gleich zu Beginn, dass sie über das T-Word -über Trump - eigentlich nicht mehr reden wolle, es gäbe Wichtigeres. Seit vielen Jahren fühle sie sich fast schon wie eine Sprecherin der USA, werde danach gefragt, wie dies und jenes zu rechtfertigen sei.
    "Aber diesmal ist es anders, diesmal geht es eher darum gemeinsam etwas herauszufinden, uns gegenseitig besser kennenzulernen. Und je mehr ich gereist bin, desto mehr weiß ich: Es geht überall um Liebe, Respekt und Gemeinsamkeit. Und die Lügen, die gerade auf uns einprasseln, werden keinen Bestand haben. Ich bin voller Hoffnung, ja."
    Ani DiFranco erzählt, dass sie aufgrund der politischen, gesellschaftlichen und globalen Gegebenheiten ihre Ausdrucksmöglichkeiten verändern muss.
    "Mittlerweile will ich eine einfache Sprache"
    "Mittlerweile will ich eine einfache Sprache verwenden, Wörter, die eine universellere Bedeutung haben, über eine bestimmte Situation oder bestimmte Gegebenheiten hinausgehen, die nicht mehr kulturell bedingt sind. Ich versuche stärker Brücken zu bauen und Menschen von überall her zu erreichen."
    Der politische Song müsse nicht mehr zwingend Provokation bedeuten, meint Ani DiFranco. In den vergangenen Jahren sei die Provokation der Gesellschaft vor allem aus der Ecke des Hiphop gekommen.
    "Ich frage mich aber, ob nicht die Folk-Musik ein Gegengewicht zur Evolution sein könnte? Vielleicht geht es nicht mehr nur um die Provokation durch den akustischen "Underground", sondern vielleicht geht es auch um die Botschaft des "Wir gehören alle zusammen", die sich durch die akustische Musik vermitteln kann. Wir brauchen nämlich schon beides."
    Aufnahme vom 9.7.2017 beim Rudolstadtfestival