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Sinnvolles Gebrabbel

Biologie. - Haben Babys Sprachverständnis, oder handelt es sich bei ihrem Gebrabbel um rein mechanische Übungen, mit denen sie ihren Sprechapparat trainieren. Eine US-Sprachforscherin ging dieser Frage nach.

    Von Kristin Raabe

    Babylaute machen Eltern euphorisch. "Mein Baby kann bald sprechen" - dabei sind die Kleinen gerade mal fünf Monate alt, wenn sie mit dem Brabbeln beginnen. Allzu viel wissen allerdings auch Sprachforscher nicht über die Bedeutung der Brabbelei. Laura Ann Petitto zum Beispiel - sie beschäftigt sich am amerikanischen Dartmouth College mit brabbelnden Babys:

    Brabbeln ist eine Entwicklungsstufe beim Erlernen von Sprache, in der ein Baby versucht, die kleinen phonetischen Einheiten der menschlichen Sprache hervorzubringen. Beispielsweise einen "Dah"- oder "Pah"-Laut. Normalerweise werden diese Laute dann ständig wiederholt. So ein "dahdahdahdahda" oder ein "Bahbahbahbahba". Wir wissen, dass alle Babys so etwas machen.

    Was tatsächlich hinter diesen Lauten steckt - darüber streiten sich die Experten. Versucht das Baby tatsächlich Sprache mit Bedeutung hervorzubringen - oder ist das ganze nichts weiter als ein mechanisches Training für den Mund- und Stimmapparat - quasi eine Art Vorbereitung auf das eigentliche Sprechenlernen? Laura Anne Pettito wollte es genau wissen. Sie beobachtete zehn Babys beim Brabbeln mit einer Videokamera. Dabei interessierte sie vor allem, welche Seite des Mundes die Babys dabei stärker benutzten. Petitto:

    Das funktioniert nach folgendem Prinzip: Wenn wir mit unseren Freunden sprechen oder einen Vortrag halten - immer wenn wir sprechen benutzen wir vor allem die rechte Mundhälfte und weniger die linke. Schon seit 150 Jahren wissen Hirnforscher warum das so ist: Es liegt daran, dass die linke Hirnhälfte, die rechte Körperhälfte kontrolliert und umgekehrt die rechte Hirnhälfte, die linke Körperhälfte. Weil Sprachverarbeitung aber vor allem in der linken Hemisphäre stattfindet, öffnet sich die rechte Mundhälfte stärker beim Sprechen und der linke Mundwickel hängt ein bisschen herunter.

    Das fällt uns normalerweise nicht auf, weil unsere Augen uns belügen. Wir haben anscheinend ein inneres Bedürfnis nach Symmetrie. Neurologen nutzten diesen sogenannten "Lateralisations-Index" allerdings schon lange, um bei Patienten auch kleine Hirnschäden im Sprachzentrum zu entdecken. Bei Babys hat allerdings bislang noch niemand diesen Test angewandt. Bislang dachten alle Experten, dass sich die beiden Hirnhälften erst viel später spezialisieren. Bei Babys also noch gar keine Lateralisation vorliegt. Laura Anne Petittos Ergebnisse sprechen allerdings dagegen:

    Alle Babys benutzten beim brabbeln vor allem die rechte Mundhälfte. Vermutlich ist also vor allem die linke Hemisphäre mit ihrem großen Sprachverarbeitungszentrum, daran beteiligt. Lächelten die Babys war es genau umgekehrt. Daraus schließen wir, dass die Gefühlszentren in der rechten Hirnhälfte schon viel früher online sind, als wir bislang dachten. Wenn die Babys aber keine sprachlichen Laute, sondern beispielsweise nur ein simples Ahhh hervorbrachten, dann waren beide Mundhälften gleichermaßen beteiligt.

    Bislang waren alle Experten der Ansicht, dass eine Spezialisierung der beiden Gehirnhälfte erst ab dem fünften oder sechsten Lebensjahr vorliegt. Aber nun ist klar: Auch Babys haben bereits ein Sprachzentrum in ihrer linken Hirnhälfte und von dort aus kontrolliert dieses Sprachzentrum das Brabbeln. Aber das ist nicht die einzige Schlussfolgerung, die sich aus Laura Anne Petittos Experimenten schließen lässt:

    Das Baby-Gebrabbel hat einige Wissenschaftler zu Theorien über den Ursprung der menschlichen Sprache angeregt. Weil man immer dachte das Brabbeln sei nur eine mechanische Erprobung des Mund- und Stimmapparates, glaubten sie, unsere Vorfahren hätten zunächst ähnlich sinnentleert irgendwelche Laute hervorgebracht - lange bevor sich Dinge wie Syntax oder überhaupt ein Sprachverständnis entwickelt haben. Durch unsere Forschung ist aber nun klar, dass Sprache nicht durch ein bedeutungslos grunzendes Tier entstanden ist, das plötzlich entdeckt, dass es Laute hervorbringen kann.

    Von kleinen Babys können also selbst Wissenschaftler noch einiges Lernen. Aber zumindest Eltern von munter brabbelnden Babys sind darüber nicht sonderlich erstaunt. Sie haben schon immer gewusst: Diese Laute machen Sinn.