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Skandal an der Uniklinik Heidelberg
Scharfe Kritik wegen unfertiger Brustkrebs-Bluttests

Eitelkeit, Führungsversagen, Machtmissbrauch: Die Kritik am Vorstand der Heidelberger Uniklinik wiegt schwer. Grund dafür ist ein unfertiger Bluttest für Brustkrebs und dessen Vermarktung durch einen zwielichtigen Investor. Neben des Verlusts des guten Rufs drohen dem Klinikum noch weitere Konsequenzen.

Von Christian Scharff | 17.07.2019
Blutproben (Symbolbild)
Obwohl seine Entwicklerinnen den Bluttest für Brustkrebs für noch nicht marktreif hielten, begann Christof Sohn, Chef der Frauenklinik Heidelberg, mit dessen Vermarktung (imago / Science Photo Library)
Professor Matthias Kleiner ist Präsident der Leibniz-Gemeinschaft und war fünf Jahre Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Als Vorsitzender der Kommission hat er sich ein klares Urteil über die Hintergründe für die vorschnelle und reißerische Veröffentlichung des Bluttests gemacht, sagte er vor der Presse:
"Eitelkeit und ich sehe hier Führungsversagen, Machtmissbrauch auf der Ebene der Klinik, des Institutes."
Dieses Urteil bezieht sich auf Christof Sohn, Chef der Frauenklinik in Heidelberg und Motor bei der Vermarktung des Bluttests. Der war von zwei Wissenschaftlerinnen entwickelt worden. Die sagten, der Bluttest müsse noch geprüft und verbessert werden, sei noch nicht marktreif. Das aber interessierte den Chef der Frauenklinik wenig. Er holte sich einen Investor ins Boot, entließ die Wissenschaftlerin Rongxi Yang, die den Bluttest maßgeblich entwickelt hatte und begann mit der aggressiven Vermarktung, zuerst in der "Bild"-Zeitung, die den Bluttest als Weltsensation pries.
Gütesiegel des Universitätsklinikums
Der Vorstand des Uniklinikums selbst zog trotz vielfältiger Warnungen nicht die Reißleine und muss sich deshalb heute auch deutlicher Kritik stellen:
"Ich sehe falsche Kollegialität und falsch verstandene Wissenschaftsfreiheit in der darüber gelagerten Ebene."
Viel klarer ging es nicht mehr. Die Universität als Ganzes fürchtet um ihren Ruf und auch um ihr Abschneiden in der Exzellenz-Initiative des Bundes und der Länder und ist deshalb den Weg schonungsloser Aufklärung gegangen. Die Versäumnisse im Klinik-Vorstand kritisierte auch Bundesverfassungsrichterin Doktor Christine Hohmann-Dennhardt mit klaren Worten, die zusammen mit Matthias Kleiner die Kommission leitet:
"Zum Beispiel hatten wir den Eindruck, dass es überhaupt nicht irgendwelche größeren Zuständigkeiten gab, mehr oder weniger fühlen sich alle zuständig, aber weil sich alle zuständig fühlten - dann doch wieder alle auch nicht."
Für die Öffentlichkeit war die Einschätzung des Bluttests schwierig, weil das Universitätsklinikum selbst mit seinem Gütesiegel die Veröffentlichung begleitet und das Treiben bis zum Schluss das Treiben nicht gestoppt hat:
"Pressekonferenzen kann man bis kurz vor dem Stattfinden durchaus absagen, wenn man dafür triftige Gründe hat. Die muss man dann auch nicht unbedingt nennen."
Test unfertig und unzuverlässig
Normal war es zunächst, dass eine private Gesellschaft mit dem Namen Heiscreen die Vermarktung des Bluttests übernehmen sollte. Nicht normal war es, dass die maßgebliche Forscherin Rongxi Yang aus China entgegen üblicher Gepflogenheiten einfach ausgebootet wurde und stattdessen ein Heidelberger Immobilienentwickler namens Johannes Harder ins Boot geholt wurde, der erst vor kurzem wegen Schmiergeldzahlungen zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Und schlecht für den Ruf der Uniklinik war es, dass der Test sich als unfertig und unzuverlässig herausstellte. In einem Drittel der Ergebnisse erhalten gesunde Frauen einen Krankheitsbefund und in einem Drittel kranke Frauen das Ergebnis, sie seien gesund – der Test ist damit ungeeignet für die Anwendung in der Praxis. Für das Klinikum ist jetzt zwar der erste Schritt der Aufarbeitung geschafft, aber personelle Konsequenzen stehen noch aus. Die Vorsitzende des Klinikum-Aufsichtsrats, Doktor Simone Schwanitz:
"Wir reden darüber dass eine junge Forscherin auf einem Projekt entlassen wurde ohne triftigen Grund, dass eine GmbH gegründet wurde, deren rechtlichen Verträge nicht besonders professionell waren, wo man die Wissensträger nicht mehr hatte und trotzdem in eine Vertragsunterzeichnung gegangen ist. Wir wissen jetzt auch sehr klar, dass vieles von dem sehr unprofessionell gelaufen ist und werden uns da die Zuständigkeiten klar anschauen."
Auch den Klinikums-Vorstand in Heidelberg will sie in die Pflicht nehmen:
"Das nehme ich sehr ernst, dass es an zwei Punkten - einmal als es um den Investoren-Streit ging mit Herrn Harder und dann auch was die Veröffentlichung der Presse-Auftritte betrifft - keine professionelle Abstimmung innerhalb des Vorstandes gab."