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Skandal um dioxinbelastetes Futtermittel

Der Dioxon-Futtermittel-Skandal weitet sich aus. Vor fünf Tagen ist erstmals Dioxin verseuchtes Futtermittel auf einem Hof in den Niederlanden aufgetaucht. Die erhöhte Belastung wurde in einer Fuhre Schweinefett aus Belgien nachgewiesen. Inzwischen ist eine Absatzsperre für rund 275 niederländische Mästereien verhängt worden, in Belgien hat die Lebensmittelbehörde weitere 300 Viehbetriebe geschlossen. Am Montag kamen nun erste Meldungen, dass wohl auch deutsche Landwirte mit der verdächtigen Mischfutterzutat beliefert worden seien.

Von Dieter Nürnberger | 31.01.2006
    Nun, im Moment recherchieren natürlich die Verantwortlichen in Deutschland. Es geht ja um Dioxin-belastete Tierfette aus Belgien und den Niederlanden. Wichtige Fragen hierbei – wohin wurde dieses Material auch in Deutschland geliefert? – und natürlich: Sind diese belasteten Fette schon in die Nahrungsmittelkette gelangt? Da herrscht momentan eine Unübersichtlichkeit, auch eine Unsicherheit – aber es wurde auch schon reagiert. Sieben Betriebe in Deutschland wurden geschlossen – und auch die Verantwortlichen des QS-Zeichens für sichere Lebensmittel in Deutschland haben reagiert. Katrin Spemann, die Sprecherin des Systems Qualität und Sicherheit, kurz QS:

    "Wir haben zumindest vorsichtshalber deswegen auch einige Betriebe im QS-System gesperrt. Das sind holländische Betriebe, die derzeit dann eben nicht in das QS-System liefern können. Wir haben vorsichtshalber gesperrt, das heißt aber nicht, dass dort belastetes Futter verwendet wurde. Aber bevor wir dies nicht ausschließen können, haben wir diese Betriebe gesperrt."

    Dioxin gelangt ja vor allem durch Emissionen und chemische Verarbeitungsprozesse in die Lebensmittelkette. Es kann sich in den Böden ablagern, hier gab es ja einst den Dioxin-Skandal bei verseuchten Eiern. Oder eben auch durch die Verarbeitung von Fetten. Dioxin ist ein hochgiftiger Stoff, er kann unter anderem krebsauslösend wirken. Aber klar ist: Tierische Fette, die in den aktuellen Fällen als Verursacher gelten, dürfen in Deutschland nicht als Futtermittel eingesetzt werden. Mathias Wolfschmidt von der kritischen Verbraucherorganisation Foodwatch:

    "Die Regel ist für die Landwirte ganz deutlich und klar: Tierische Fette dürfen seit BSE nicht mehr an landwirtschaftliche Nutztiere verfüttert werden. Aus einem einfachen Grund: Der BSE-Erreger gilt als fettliebend und deshalb ist das potentielle Risiko, BSE weiter zu tragen, zu groß. Wenn allerdings, und das muss man jetzt klären, das Futtermittel falsch deklariert wäre, dann hat ein Landwirt natürlich keine Chance, dies alles zu erkennen. "

    Bei dem Futter aus Belgien wurden die zulässigen Dioxin-Grenzwerte um das 25fache überschritten. Wie lückenlos ist eine Rückverfolgbarkeit der gelieferten Fette? Dazu die Sprecherin des QS-Zeichens:

    "Man hat gelernt. Es gibt vor allem eine EU-Verordnung seit Anfang 2005. Die bestimmt, dass sämtliche Hersteller und Verwender von Futtermitteln in der Lage sein müssen, den Behörden innerhalb einer kurzen Frist mitzuteilen, von wem sie Ware bezogen haben und an wen sie geliefert haben. Die Lieferwege müssen also offen gelegt werden. Das ist auch umgesetzt worden, es ist EU-weites Recht."

    Die Schwachstelle liegt bei diesen aktuellen Fällen also wohl im Import. Und bei einer ordentlichen Deklaration müssten die Behörden schon recht bald Klarheit über die Dimension dieses neuen Skandals haben. Die Verbraucherorganisation Foodwatch sagt aber auch, dass die Kontrollen generell zu lasch seien. Mathias Wolfschmidt:

    "Wir haben herausgefunden, dass bei den Importölen - also importierten pflanzlichen Ölen, die für die Futtermittel eingesetzt werden - im Grunde nur jede 600ste LKW-Ladung überhaupt auf Dioxine untersucht wird. Wir haben somit ein sehr niedriges Stichprobenmuster. Auf diese Weise findet man beim Import nicht wirklich und zuverlässig heraus, ob eine Futtermittelzutat mit Dioxin belastet ist. Das scheint mir der Schwachpunkt zu sein. "

    Somit stellen sich angesichts des neuen Skandals von Dioxin in Futtermitteln weiterhin drängende Fragen. Ob die Regelungen europaweit und auch in Deutschland wirklich ausreichen, die Bevölkerung vor den hochgiftigen Substanzen zu schützen? Aber klar ist, in diesen Stunden stehen die Ermittler erst am Anfang einer wohl umfangreichen Aufarbeitung.