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Skandal um Krebsmedikamente
Zwölf Jahre Haft für Bottroper Apotheker

Ein Apotheker aus dem nordrhein-westfälischen Bottrop ist wegen manipulierter Krebsmedikamente zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Die Kläger und Nebenkläger haben angekündigt, in Revision gehen zu wollen. Auch der Angeklagte erwägt, das Urteil anzufechten.

Von Sebastian Auer |
    Das rote Apotheken-Logo an einer Eingangstür, dahinter Regale mit Medikamenten.
    "Ein Leben in Saus und Braus": Das Landgericht Essen sah es als erwiesen an, dass der Mann Infusionslösungen gestreckt und diese bei den Krankenkassen voll abgerechnet hat (dpa/Ole Spata)
    Zwölf Jahre Gefängnis und ein lebenslanges Berufsverbot für den Bottroper Apotheker Peter S. Das Essener Landgericht verurteilte ihn wegen schweren Betrugs und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz in über 14.500 Fällen. Er hat in Krebsmittel zu wenig Wirkstoff hineingegeben, gleichzeitig aber den vollen Wirkstoff bei den Krankenkassen abgerechnet. Ein Schaden in Millionenhöhe. Der Richter machte in der Urteilsbegründung deutlich, dass Peter S. ein Leben in Saus und Braus führte. Ein gern gesehener Gast in Bottrop gewesen sei. Nur wer genau hinschaute, konnte Risse in der Fassade erkennen. Viele Betroffene waren heute in den Gerichtssaal gekommen. Sie brachen bei der Urteilsverkündung in Tränen aus.
    "Zwölf Jahre als Minimum ist okay. Ich hab's in etwa so erwartet."
    "Was uns traurig stimmt ist natürlich, dass die Körperverletzung nicht nachgewiesen werden konnte. Aber es war ein emotionales, sehr empathisches Urteil."
    Viele Fragen blieben ungeklärt
    50 Nebenkläger, Krebspatienten und Angehörige, waren bei dem Prozess zugelassen. Einige ihrer Anwälte kündigten bereits an, in Revision zu gehen. Sie wollen erreichen, dass der Bottroper Apotheker auch wegen versuchten Mordes verurteilt wird. Wahrscheinlich werden auch die Verteidiger von Peter S. in Revision gehen. Sie hatten einen Freispruch ihres Mandanten gefordert.
    Der Prozess habe nicht zweifelsfrei klären können, ob wirklich Medikamente gestreckt wurden. Denn ein Gutachter hatte die Analyseergebnisse der beschlagnahmten Medikamente angezweifelt. Wegen eines Hirnschadens sei der Apotheker außerdem vermindert schuldfähig. Den Fall ins Rollen gebracht hatte der ehemalige kaufmännische Leiter der Apotheke, Martin Porwoll. Ihm waren Unregelmäßigkeiten aufgefallen. Er zeigte sich heute erleichtert.
    "Ja, kann ich gar nicht beschreiben ... kann man nicht beschreiben. Es gehen ja, es gehen ja jetzt auch drei Jahre vorbei – das ist schon bewegend", so Porwoll mit tränenerstickter Stimme.
    Das Schweigen des Angeklagten
    Der Prozess am Essener Landgericht zog sich über acht Monate. Immer wieder wurden neue Anträge gestellt, Verhandlungen für Beratungen unterbrochen. Für Michael Pieschke, dessen Vater seine Krebsmedikamente von dem Apotheker bezog, eine zermürbende Zeit.
    "In Teilen hat es sich jetzt doch sehr gezogen. (…) Der Angeklagte wirkte auf mich sehr, sehr gefasst. Dabei schien er mir doch oftmals auch eiskalt und absolut nicht empathisch zu sein."
    Große Erwartungen hatten manche in den Prozess. Sie hofften, dass der Apotheker aussagen wird. Doch er schwieg bis zuletzt, machte keine einzige Angabe. Im Prozess konnte nicht geklärt werden, wer zu welcher Zeit gepanschte Krebsmedikamente bekommen hat und welche Auswirkungen das auf den Krankheitsverlauf hatte.