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Skandalen auf der Spur

Es ist ein kleines Nachrichtenbüro, das in der amerikanischen Medienbranche für großen Wirbel gesorgt hat: die Webseite , die sich ganz der Politik widmet. Sie hat nicht nur einige Skandale aufgedeckt, sondern wird auch als neues Modell des investigativen Journalismus gefeiert.

Von Gerti Schön |
    Es begann alles im Jahr 2000 mit einem simplen Blog. Josh Marshall, der 38-jährige Gründer von Talking Points Memo, kurz TPM, arbeitete damals als freiberuflicher Journalist und machte sich nebenbei seinem Frust über den Irakkrieg und anderen innenpolitischen Skandalen in seinem Blog Luft.

    Marshall war schon damals ein hartnäckiger Reporter. Als er von den rassistischen Kommentaren des damaligen Anführers der republikanischen Partei, Trent Lott hörte, gab er nicht nach, bis er eine ganze Latte solcher Äußerungen nachweisen konnte. Andere Medien sprangen auf den Zug auf und Lott musste am Ende zurücktreten. Weil das Projekt dadurch zahlreiche Leser und damit auch Werbekunden gewann, begann Marshall sechs weitere Journalisten anzuheuern.

    "Ich wollte ein paar mehr Reporter einstellen und ihnen entsprechende Gehälter bezahlen, damit sie Vollzeit als investigative Journalisten arbeiten konnten. Ich persönlich teile diesen allgemeinen Blog-Triumphalismus nicht, also wenn die Leute sagen, dass die Blogs allein den gesamten Journalismus revolutionieren werden. Aber wir sind trotzdem professionelle Journalisten, auch wenn wir keine offizielle Nachrichtenredaktion haben. Wir betreiben eine Nachrichtenorganisation."

    Marshall musste anfänglich jede Menge Anfeindungen von der Mainstreampresse hinnehmen, die in TPM nur ein Häufchen Schreibtischtäter sahen. Doch das änderte sich schnell, nachdem Marshall Anfang letzten Jahres den Skandal um eine Reihe regierungskritischer Staatsanwälte ins Rollen brachte, die auf Druck der Bush-Administration aus dem Amt gedrängt wurden. TPM blieb mit seinen Recherchen Monate lang am Ball und nach einer breiten öffentlichen Diskussion musste der verantwortliche Justizminister, Alberto Gonzales, schließlich den Hut nehmen. Marshall bekam auch hier Schützenhilfe von seinen Lesern.

    "”Eine einzigartige Stärke unseres journalistischen Modells ist, dass wir unsere Leser so einbeziehen, dass sie quasi unsere Anfangsrecherche übernehmen. Das heißt nicht, dass wir alles eins zu eins übernehmen und es veröffentlichen. Aber es gibt so viele wertvolle Informationen in kleineren Lokalzeitungen im ganzen Land, die in der Regel verloren gehen und auf Grund der Tipps unserer Leser nehmen wir diese Informationen auf und stellen sie in einen breiteren Kontext. So war es auch mit der Geschichte über die gefeuerten Staatsanwälte, das fing mit einer Lokalzeitung in Arkansas an.""

    Die Leser senden TPM nicht nur Hinweise auf wenig beachtete Details, sondern stehen der Redaktion auch mit Rat und Tat zu Hilfe, etwa wenn Expertise in rechtlichen, sozialpolitischen oder wissenschaftlichen Details von Nöten ist. TPM ist mit seiner Mischung aus Leserengagement, Vernetzung vielfältiger Quellen und investigativer Recherche ein innovatives Stück Journalismus gelungen, urteilt Danny Schechter von der medienkritischen Webseite Mediachannel.org.

    "Natürlich sind die Blogger uns in der Berichterstattung häufig ein Stück voraus, weil ihnen diese Themen wirklich wichtig sind. Wir stehen vor der Herausforderung, dass die Mainstreammedien auch anderen Quellen beachten müssen, das sind nicht nur Blogs, sondern andere unabhängige Stimmen im ganzen Land. Es geht darum, ob man sich die Mühe machen will, die Wahrheit herauszufinden. Wir als Journalisten tragen die Verantwortung, diese Fakten herauszufinden, aber auch die Leser haben eine Verantwortung. Sie müssen diese unabhängigen Stimmen finden und sie nutzen und damit dazu beitragen, dass diese Probleme auf einer nationalen Ebene diskutiert werden."