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Ski-Weltmeisterschaften in St. Moritz mit Rücksicht auf die Natur

Zum vierten mal finden die Alpinen Ski-Weltmeisterschaften nun dort statt, wo das Event-Marketing vor 120 Jahren erfunden wurde - in St. Moritz. Unzählige Großanlässe hat das einstige Bauerndorf inzwischen erlebt, von Golfturnieren und Hundeschlittenrennen auf dem zugefrorenen See bis hin zu Zweier- und Viererbob-WMs, sogar zwei Winter-Olympiaden wurden ausgetragen - 1928 und 1948. Der Landschaft sieht man diese Erfolgsgeschichte natürlich an: Die Berge sind mit Liften verkabelt, die Talauen von Straßen zerschnitten - der Bauwahn ist ungebremst.

von: Gerhard Fitzthum |
    Zum vierten mal finden die Alpinen Ski-Weltmeisterschaften nun dort statt, wo das Event-Marketing vor 120 Jahren erfunden wurde - in St. Moritz. Unzählige Großanlässe hat das einstige Bauerndorf inzwischen erlebt, von Golfturnieren und Hundeschlittenrennen auf dem zugefrorenen See bis hin zu Zweier- und Viererbob-WMs, sogar zwei Winter-Olympiaden wurden ausgetragen - 1928 und 1948. Der Landschaft sieht man diese Erfolgsgeschichte natürlich an: Die Berge sind mit Liften verkabelt, die Talauen von Straßen zerschnitten - der Bauwahn ist ungebremst.

    Angesichts der Gesamtinvestitionen von einer knappen Milliarde Schweizer Franken, war in Sachen Natur wieder einmal mit dem Schlimmsten zu rechnen, doch die Zeiten haben sich gewandelt: Früher, bei der letzten WM 1974, entschied man, wo die Piste durchgehen sollte und liess dann einfach die Bulldozer auffahren, sagt Urs Grimm, der Geschäftsführer der Bergbahnen Engadin/St. Moritz. Inzwischen habe man jedoch dazugelernt und passe umgekehrt die Rennstrecken dem Berg an:

    Ökologische Baubegleitung gehört heute auch bei ganz normalen Projekten einfach dazu, und hier, im Zusammenhang mit der WM ist es aber so, dass man sicher über diese Gesetze hinaus sich eingesetzt hat, eben deshalb, weil man ganz klar sieht, dass die Natur die Ressource überhaupt darstellt und entsprechend vorsichtig will man mit ihr umgehen, man will sich sozusagen nicht den Boden unter den Füßen wegziehen.

    Die übliche Beschwichtigungsrhetorik, könnte man vermuten - zumal für die Herrenabfahrt ein neuer Starthang ins Hochgebirge gefräst wurde und Zielauslauf und Tribünen in einem geschützten Moorgebiet liegen. Claudio Duschletta, der Pressesprecher des Kur- und Verkehrsvereins, weist jedoch darauf hin, dass die Eingriffe im Einklang mit WWF und Pro Natura getätigt wurden:

    Man hat Geländebesichtigungen gemacht mit diesen Leuten und wirklich versucht, den Aspekt Ökologie von Anfang an einzubauen und diese Diskussionen haben funktioniert, es ist wirklich wahr, dass jetzt bei uns die Naturschutzverbände sich sehr ruhig verhalten, aber einfach, weil sie ihre Ziele ganz am Anfang einbringen konnten und die jetzt auch eingehalten werden." ... "Gerade das Hochmoor im Zielgebiet war schon eine Knacknuss. Natürlich gab's Leute, die hätten es am liebsten zugeschüttet und die Naturschützer hatten das am liebsten gar nicht angerührt, aber schlussendlich hat man dann für beide Parteien eine vernünftige Lösung gefunden.

    Tatsächlich schützt jetzt ein Holzzaun das Biotop vor dem Betreten und Überfahren, aber der Bach musste verlegt und das Moor zerschnitten werden. Geschluckt hatten die Naturschützer diese Kröte nur, weil sie ein ganzes Paket von Ausgleichsmaßnahmen aushandeln konnten. So wurde für das sensibelste Gebiet in der Talsohle ein Konzept zur Entflechtung von touristischer Nutzung und Moorschutz erarbeitet und die gesamte gegenüberliegende Talseite für dreißig Jahre unter Naturschutz gestellt. Außerdem setzten die Umweltverbände durch, dass der Engadiner Ski-Marathon, bei dem jedes Jahr bis zu 10 000 Langläufer über die Hochebene spurten, aus den empfindlichen Moorbereichen herausgelegt wurde.

    Christian Geiger, der Geschäftsführer von Pro Natura Graubünden, würde zwar nicht so weit gehen, von einer `nachhaltigen` WM zu sprechen, ist aber dennoch zufrieden. Ein wichtiges Schutzprinzip ist nämlich erfüllt: Die Konzentration der Infrastruktur auf bereits genutzte Räume bei gleichzeitiger Entlastung der umgebenden Flächen.