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Skibergsteigen und Naturschutz

Sport treiben oder seine Freizeit verbringen in der freien Natur geht oft auf Kosten von Tieren und Pflanzen. Gerade beim Freizeitsport kommt es dabei aber immer wieder zu Konflikten, wie Naturschutzverbände beklagen. Besonders beim Wintersport in den Alpen besteht Gesprächs- und Handlungsbedarf, wie sich auf einer Tagung in München über den naturverträglichen Bergsport zeigte.

VonSusanne Lettenberger |
    Man hatte es sich so gut gedacht: Um den Ausbau von immer größeren Liftanlagen bis hoch zu den Gletschern zu verhindern, propagierte der Deutsche Alpenverein DAV in den vergangenen Jahren gemeinsam mit seinen italienischen, österreichischen und Schweizer Kollegen naturverträglichere Wintersport-Alternativen: Schneeschuhwandern, Langlaufen, Skibergsteigen. Endlich weg von Massenschlangen an überfüllten Hängen und Liften hin zum einsamen Schneeschlappen in der Natur.

    "Wir sind zum Beispiel im Kleinwalsertal dabei das Schneeschuhwandern ganz aktiv mit aufzunehmen in die Information, die Beschilderung. "

    Plötzlich, nachdem alpenweit hunderttausende von Schneeschuhen verkauft wurden letztes Jahr und immer mehr Menschen abseits der Pisten durch den Tiefschnee ziehen, versuchen der Deutsche Alpenverein und sein Umweltexperte Manfred Scheuermann die Hosenbremse zu ziehen. Was sich bislang an Natursportlern auf den überschaubaren, wenn auch stark beanspruchten, italienischen, Schweizer und österreichischen Skipisten konzentrierte, schwärmt jetzt aus in die Heimat von Schneehuhn, Schneehase, Rauhfußhühnern und Auerhahn. Freeriders, also Snowboardfahrer abseits der Piste, stieben über die Winterhöhlen der Schneehühner hinweg, Skibergsteiger stören die Schneehasen, Skilangläufer kreuzen die Balzplätze des Auerwildes. Oftmals ohne böse Absicht, erklärte Dr. Rainer Ploner für die Autonome Provinz Bozen-Südtirol:

    "Das sind ja Forststraßen, das Forstwegenetz, das im Winter hergenommen wird. Die Straßen und Schneisen sind sowieso schon da. Jetzt noch mal die Loipe dazwischen irgendwo hineinzuverlegen oder so würde wahrscheinlich noch zusätzlich Störungen bedingen weil die Wege ja offen sind und dann von den Wanderern genutzt würden. "

    Gewöhnen werden sich die Wildtiere nie an Ski und Co. betonte Paul Ingold vom Berner Zoologischen Institut auf der Münchner Tagung. Speziell ausgewiesene Schutzgebiete, die im Winter nicht betreten werden dürften, sind deshalb unabdingbar, auch wenn sie auf den Skikarten neu eingetragen werden müssen, ja, in der Schweiz, so Markus Ruff vom Schweizer Alpenclub, mussten die Gemeinden erst einmal festlegen, wo schützenswerte Berggebiete eingerichtet werden könnten.

    "Gerade bei kleinen Gemeinden kann es dann sein, dass irgendeine Lobby, zum Beispiel der Jagdverband oder die Geweihsammler oder so, relativ starken Einfluss hatten, dann konnten Schutzgebiete ausgeschieden werden. Zum anderen sind auch kleinere Kantone nicht in der Lage den Vollzug des Gesetzes effizient zu gestalten. "

    Deshalb sollen ab dieser Saison verstärkt Hinweisschilder aufgestellt werden, wo die Skibergsteiger und Schneeschuhläufer bitte nicht langgehen sollten. Eine rechtliche Handhabe zur Strafverfolgung bei Missachtung der Schutzgebiete gibt es nicht. Hätte auch keinen Sinn bei den Freeridern, vorwiegend Jugendlichen, die ja gerade deshalb in die Berge fahren, um abseits der Pisten den Kick, und sei es eine Lawine, auskosten zu wollen.

    Weil naturverträgliches Skifahren auch mehr Sicherheit bedeutet, versucht der Extremskifahrer Hans Kammerlander dem Deutschen Alpenverein als Galions- und Leitfigur beizustehen:

    "Dieses Skitourenprojekt ist ganz sauber, das ist ganz toll, weil die Routen auf der ganz logischen Linie empfohlen worden, sei es wegen der Lawinengefahr. Für keinen Skitourengeher ist das ein großer Verzicht, wenn er das befolgt. Deswegen stehe ich dahinter. "

    Einen ganz anderen Ausblick, jenseits von Verboten, Hinweistafeln und Gesetzen gab Ralf Roth vom Kölner Institut Natursport und Ökologie der Deutschen Sporthochschule. Umweltthemen sind seiner Meinung nach bei den Jugendlichen von heute absolut uncool.

    Ihnen kann man nur beikommen mit so genannten Snowbs – räumlich und konzeptuell durchdesignten Schneevergnügungsparks. Roth sieht darin die Zukunft des Wintersports:

    "Dort wo die Fanparks sehr interessant sind, also die Möglichkeiten für Jugendliche sich dort drin zu bewegen und sehr viele unterschiedliche Geländeformen zu befahren, dort ist der Drang nach draußen zu gehen und diese Geländeformen in der Natur zu suchen deutlich geringer, weil sie eben innen in diesen Parks alles auf engstem Raum haben, sich in der Szene auch treffen, sich beklatschen können und diese Lebensstilfragen dann dort auch dazukommen. "