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"Skurrile Antwort"

Bundesinnenminister Thomas de Maizère will keine persönlichen Bewertungen im Fall Pechstein abgeben. Gleichzeitig aber gab er eine Richtung vor, als er erwähnte, man habe eine Fürsorgepflicht für die wegen Dopings gesperrte Bundespolizistin. Kritik kam von den Grünen.

Von Jens Weinreich | 19.12.2009
    Das Urteil des Sport-Gerichtshofs CAS im Fall Pechstein begrüße er ausdrücklich, sagte Sportminister Thomas de Maizière vor dem Bundestags-Ausschuss. Der indirekte Nachweis sei für eine wirksame Dopingbekämpfung unumgänglich. Zum Stand des dienstrechtlichen Verfahrens gegen die Bundespolizistin Pechstein formulierte der Innenminister in bestem Beamten-Deutsch:
    "Es ist üblich, dass bei Beamten, wenn ein Disziplinarverfahren fällig ist und es andere Verfahren gibt, dass dann das Disziplinarverfahren ausgesetzt wird bis zur Rechtskraft der anderen Verfahren. So ist es hier auch erfolgt. Das heißt, dass Disziplinarverfahren wird wieder aufgenommen werden, wenn die Rechtskraft der anderen Verfahren in der Schweiz eintritt. Und das ist noch nicht der Fall."
    Persönliche Bewertungen würden sich verbieten, sagte de Maizière. Gleichzeitig aber gab er wohl eine Richtung vor, als er erwähnte, man habe eine Fürsorgepflicht für die wegen Dopings gesperrte Bundespolizistin und erklärte, die "wirtschaftliche Existenzvernichtung" könne nicht das Ziel eines Verfahrens sein.
    Dagmar Freitag (SPD), die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses.
    "Ich selber warne davor, eine zu große emotionale Nähe zu Spitzensportlern zu haben. Dann fällt im Dopingfall eine distanzierte Bewertung sehr schwer. Wenn das Urteil so bleiben sollte, und es spricht ja alles dafür, dass Claudia Pechstein des Dopings überführt worden ist, dann muss das Konsequenzen haben. Dann muss das auch dienstrechtliche Konsequenzen haben, so wie bei jedem anderen Bediensteten letztlich auch. Da kann es keine Sonderwege geben."
    Sport-Staatssekretär Christoph Bergner (CDU) hat inzwischen eine Anfrage von Grünen-Abgeordneten zur Beauftragung und Finanzierung eines Gutachtens für Claudia Pechstein beantwortet. Es habe sich um eine Anforderung der Bundespolizeischule Bad Endorf gehandelt, sagte Bergner.
    "Wir haben kein Gutachten in Auftrag gegeben, sondern es ist auf Anforderung der Bundespolizei eine ärztliche Kontrolle angeordnet worden, deren Ziel es war, gesundheitliche Risiken für Claudia Pechstein, der Bundespolizistin Claudia Pechstein auszuschließen. Das Ganze hat 6500 Euro gekostet. Dies ist alles das, was uns angeht."
    Die Frage, ob der Gutachter Professor Christof Dame von der Berliner Charité der richtige Experte sei, um "krankheitsbedingte Ursachen" der Blutwerte Pechsteins auszuschließen, umschiffte Bergner. Dames Befund, der Blutdoping nicht ausschloss, wurde vom Pechstein-Lager zur Verteidigung herangezogen.
    Der langjährige Sportsprecher Winfried Hermann ist unzufrieden mit den Auskünften des BMI:
    "Es ist schon eine skurrile Antwort. Denn auf der einen Seite wird alles bestätigt, nämlich dass man bezahlt hat, und gleichzeitig wird gesagt: Aber wir haben es ja nicht beauftragt. Aber letztendlich bezahlt das BMI die Kosten. Und das ist meines Erachtens absolut unangemessen, weil es nicht mit einer Krankheitsbedrohung zu tun hat und von daher auch nicht begründbar ist. Es ist offensichtlich nur begründbar mit dem Dopingvorfall. Insofern ist es eigentlich erstaunlich, dass ein Ministerium so eine Antwort liefert. Aber man ist ja schon einiges gewohnt von diesem Ministerium."
    Hermann behält sich weitere parlamentarische Schritte vor. Sollte es tatsächlich bei den behaupteten 6545 Euro geblieben sein, wird er kaum den Bundesrechnungshof einschalten. Doch der Fall Pechstein hat schon viele überraschende Wendungen gebracht.