"So schnell wie möglich von Dr. Kaiser sich den Tod da raus schneiden lassen. Danach werden Sie ein neues Leben leben. Da gibt's auch keine Pläne mehr. Es wird eben ein ganz anderes sein."
Christoph Schlingensief spricht: Wir hören: das erschütternde Dokument einer Krankheit zum Tode und einer sehr ehrlichen Selbstbefragung. Wir sehen: ein blondes Kind im Film, spielend, auf einer Düne. Schlingensief, dessen Arbeit immer von Exhibitionismus und Weltumarmung, von Familiengeschichte und den ganz großen Fragen geprägt war, arbeitet sich an seiner Krankheit ab. Das ist ein Schock. Schlingensief bleibt aber nicht beim Biographischen stehen. Sein Fluxus-Oratorium ist ein Bühnenweihfestspiel der anderen Art. Es beginnt als Kunst-Happening und endet als eine Totenmesse:
"Wir gedenken des zukünftig Verstorbenen, der vieles leisten wollte, kaum dass er schon wieder weg war. Er war der, der er war, mehr nicht, aber immerhin, wer kann das schon von sich sagen. Viele sind tot, viele sind untot, uns hat man jedenfalls noch nicht beerdigt. Halleluja!"
Wie das trotzige Halleluja klingt vieles in dem Stück wie dem Rest-Leben abgetrotzt. Was Schlingensief seinem Diktiergerät anvertraute, tragen die Schauspieler Angela Winkler, Margit Carstensen und Stefan Kolosko vor. Die Bühne ist erst Krankenstation, dann Altarraum, und immer Projektionsfläche für den Schlingensief-Kosmos. Der Fluxus feiert in Schwarz-Weiß-Filmen fröhliche Auferstehung. Es gilt, den Tod durch die Kunst zu bannen, in einem Oratorium voller Klagen, Fragen, Fürbitten und Musik vom Gospelchor bis zum Requiem.
"Vati - was ist das , das ewige Leben?"
Vieles kennt man aus seinen früheren Arbeiten: Die Kindervideos, die behinderten Schauspieler; die Musik von Richard Wagner; den verwesenden Hasen; sogar eine Fettecke im Stil von Joseph Beuys ist eingerichtet. Es ist eine großartige Reflexion übers Werden und Vergehen. Die Wiederholung ist ein Element darin; einmal lässt Schlingensief die ganze Prozession sogar rückwärts laufen.
Hier finden Anfang und Ende zusammen, die Zelle auf der Leinwand, die kleinwüchsige Priesterin mit goldener Mitra, in einem Potlatsch der Gefühle, in dem auch noch 2000 Jahre Kulturgeschichte Platz haben. Die Auseinandersetzung mit Gott - Schlingensief war jahrelang Ministrant - ist auch die mit dem Vater; die Aggression und Wut münden auch in die Frage nach Selbsthass oder Selbstliebe; und da ist es nur logisch, dass Schlingensief selbst am Ende leibhaftig als Priester auftritt, der das Brot bricht und die Hostie verteilt. Christoph ist Christus, diese schöne Blasphemie leistet sich einer, der die Dialektik von Glauben einerseits und dem Nichts andererseits am eigenen Leib erfahren hat. Denn wie Joseph Beuys sagt:
"Wer seine Wunde zeigt, wird geheilt. Wer sie verbirgt, wird nicht geheilt."
Das katholische Ritual liefert hier den Rahmen für ein großes, lautes, buntes, lebendiges Beschwörungsritual gegen die Angst. Für den Berserker und Provokateur Schlingensief ist es das ruhigste und persönlichste Stück. Für uns großes Theater - und hoffentlich kein Vermächtnis.
Christoph Schlingensief spricht: Wir hören: das erschütternde Dokument einer Krankheit zum Tode und einer sehr ehrlichen Selbstbefragung. Wir sehen: ein blondes Kind im Film, spielend, auf einer Düne. Schlingensief, dessen Arbeit immer von Exhibitionismus und Weltumarmung, von Familiengeschichte und den ganz großen Fragen geprägt war, arbeitet sich an seiner Krankheit ab. Das ist ein Schock. Schlingensief bleibt aber nicht beim Biographischen stehen. Sein Fluxus-Oratorium ist ein Bühnenweihfestspiel der anderen Art. Es beginnt als Kunst-Happening und endet als eine Totenmesse:
"Wir gedenken des zukünftig Verstorbenen, der vieles leisten wollte, kaum dass er schon wieder weg war. Er war der, der er war, mehr nicht, aber immerhin, wer kann das schon von sich sagen. Viele sind tot, viele sind untot, uns hat man jedenfalls noch nicht beerdigt. Halleluja!"
Wie das trotzige Halleluja klingt vieles in dem Stück wie dem Rest-Leben abgetrotzt. Was Schlingensief seinem Diktiergerät anvertraute, tragen die Schauspieler Angela Winkler, Margit Carstensen und Stefan Kolosko vor. Die Bühne ist erst Krankenstation, dann Altarraum, und immer Projektionsfläche für den Schlingensief-Kosmos. Der Fluxus feiert in Schwarz-Weiß-Filmen fröhliche Auferstehung. Es gilt, den Tod durch die Kunst zu bannen, in einem Oratorium voller Klagen, Fragen, Fürbitten und Musik vom Gospelchor bis zum Requiem.
"Vati - was ist das , das ewige Leben?"
Vieles kennt man aus seinen früheren Arbeiten: Die Kindervideos, die behinderten Schauspieler; die Musik von Richard Wagner; den verwesenden Hasen; sogar eine Fettecke im Stil von Joseph Beuys ist eingerichtet. Es ist eine großartige Reflexion übers Werden und Vergehen. Die Wiederholung ist ein Element darin; einmal lässt Schlingensief die ganze Prozession sogar rückwärts laufen.
Hier finden Anfang und Ende zusammen, die Zelle auf der Leinwand, die kleinwüchsige Priesterin mit goldener Mitra, in einem Potlatsch der Gefühle, in dem auch noch 2000 Jahre Kulturgeschichte Platz haben. Die Auseinandersetzung mit Gott - Schlingensief war jahrelang Ministrant - ist auch die mit dem Vater; die Aggression und Wut münden auch in die Frage nach Selbsthass oder Selbstliebe; und da ist es nur logisch, dass Schlingensief selbst am Ende leibhaftig als Priester auftritt, der das Brot bricht und die Hostie verteilt. Christoph ist Christus, diese schöne Blasphemie leistet sich einer, der die Dialektik von Glauben einerseits und dem Nichts andererseits am eigenen Leib erfahren hat. Denn wie Joseph Beuys sagt:
"Wer seine Wunde zeigt, wird geheilt. Wer sie verbirgt, wird nicht geheilt."
Das katholische Ritual liefert hier den Rahmen für ein großes, lautes, buntes, lebendiges Beschwörungsritual gegen die Angst. Für den Berserker und Provokateur Schlingensief ist es das ruhigste und persönlichste Stück. Für uns großes Theater - und hoffentlich kein Vermächtnis.