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Skypen mit den Enkeln
Warum Internet für Senioren wichtig ist

Mit den Enkeln skypen, online einkaufen oder Zeitung lesen: Das Internet bietet viele Möglichkeiten, trotz möglicher Handicaps am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Doch in vielen Pflegeheimen sind Internetanschlüsse noch immer Mangelware. Das kritisiert der Verband BIVA, der die Interessen von Pflegebedürftigen vertritt.

Von Johannes Schiller | 23.12.2016
    Ein junger Mann sitzt in Frankfurt am Main mit einem Headset vor einem Computerbildschirm und nutzt Skype, ein Programm, das unter anderem Internet-Telefonie ermöglicht.
    Nicht nur für junge Menschen attraktiv: Skype bietet Senioren die Möglichkeit, mit Verwandten in engen Kontakt zu bleiben. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Wer das hört, denkt an eine Studenten-WG oder ein Kinderzimmer. Nicht an ein Altenheim. Aber auch das gibt es. Zum Beispiel im Seniorenzentrum "An den Gärten" in Leipzig. Zehn der 72 Bewohner haben einen eigenen Internet-Anschluss im Zimmer, sagt Martin Gey von der Volkssolidarität.
    "Wir erleben bei jüngeren Senioren – also etwa 75 Jahre – die bei uns ins neue Seniorenzentrum "An den Gärten" gezogen sind, dass die von sich aus sagen: Ich zieh hier ein und für mich gehört ein privater, individueller Internetanschluss selbstverständlich dazu."
    Im zweiten Haus nebenan sieht die Sache anders aus. Hier sind die Bewohner älter. Und wollen keinen eigenen Internet-Anschluss im Zimmer, erklärt Gey. Deswegen soll im kommenden Jahr ein Internet-PC im Gemeinschaftsraum aufgebaut werden. Ihm ist klar, dass Internetanschlüsse in Pflegeheimen wichtiger werden.
    "Ich persönlich geh' davon aus, dass die kommenden Seniorengenerationen wesentlich selbstverständlicher das auch nutzen wollen. Auch in stationären Pflegeeinrichtungen. Insofern gehe ich davon aus, dass es auch mehr und mehr in den Pflegeeinrichtungen relevant wird."
    Bisher ziemlich hohe Hürden
    Bislang ist die Hürde für Bewohner, die im eigenen Zimmer online gehen wollen, nämlich hoch: Sie müssen selbst einen Vertrag mit einem Internet-Anbieter schließen. Ganz wie in der privaten Wohnung. Drahtloses Internet - also W-LAN - fürs gesamte Heim gibt es nicht.
    Wenn Gisela Rößler das hört, ärgert sie sich. Die 76-Jährige hat die Arbeitsgemeinschaft "Leipziger Senioren ins Internet" gegründet. Und sie meint: Gerade weil sich Senioren oft schwertun mit dem Internet, muss die Zugangs-Hürde auch in Heimen niedrig sein.
    "Das ist doch heute 'ne Grundvoraussetzung! Ich würde meinen, das muss sein wie im Hotel. W-LAN-Anschluss muss vorhanden sein. Wobei man sicher drüber nachdenken kann, ob man da ne kleine Gebühr von den Senioren nimmt. Was weiß ich: Fünf Euro im Monat. Aber das gehört heute irgendwo zum Leben."
    Mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
    Genauso gehört für sie zum Leben, Bahn- oder Bustickets online zu kaufen. Erst kürzlich hat sie mit ihrem Verein dazu einen Kurs angeboten. Denn Gisela Rößler ist überzeugt: Nur wenn ältere Menschen moderne Technologien nutzen können, nehmen sie auch am gesellschaftlichen Leben teil. Das gilt auch für Kommunikations-Dienste wie Skype und WhatsApp.
    "Also bei mir ist es so: Meine Kinder, meine Enkel, meine Urenkel sind 500 Kilometer weg. Die seh' ich zwei oder drei Mal im Jahr. Und dadurch, dass meine Enkelin mir zum Beispiel Filme schickt, wo der Kleine in die Schule kam, kann ich die Entwicklung verfolgen. Und da ist für meine Begriffe ein großer Vorteil – vom Internet."
    Statistiken dazu, wie viele Pflegeheime ihren Bewohnern einen Internetanschluss anbieten, gibt es nicht. Auch nicht beim Verband BIVA, der die Interessen von Pflegebedürftigen vertritt. Nach Meinung von BIVA-Sprecherin Ulrike Kempchen sollten Bewohner einer Pflegeeinrichtung Anspruch darauf haben, online gehen zu können.
    "Wenn die Herrschaften wünschen, Internetzugang zu haben, sollte das auch ermöglicht werden. Denn es kann ja auch ganz neue Möglichkeiten der Kommunikation eröffnen. Zum Beispiel über Skype mit den Enkeln oder einfach schnellen Austausch."
    Kempchen sieht das Internet für Senioren als Chance: Gerade, wenn diese im Alltag auf Hilfe angewiesen sind.
    "Also googeln kann mittlerweile wirklich jeder. Und man kommt auf diesem Weg auch unabhängiger an Informationen ran. Man darf nicht vergessen: Ein Leben in einer Einrichtung – wenn man auch pflegebedürftig ist - ist immer ein Leben in Abhängigkeit. Und das Internet kann ein Weg sein, etwas unabhängiger zu sein und an Informationen zu kommen."
    IT-Industrie hat Chancen erkannt
    Die IT-Industrie hat ihre Chancen jedenfalls längst erkannt. Norbert Neumann von Zyxel verweist auf den Produktkatalog, den seine IT-Firma für Krankenhäuser und Pflegeheime zusammengestellt hat.
    "Aus unserer Sicht wird eine flächendeckende W-LAN-Angebotsstruktur in Seniorenheimen oder betreuten Wohneinrichtungen spätestens in den nächsten fünf Jahren Standard sein. Das heißt: Es ist ein Wachstumsmarkt für die nächsten zwei, drei oder fünf Jahre."
    Neumann erinnert an jene Senioren, die das Internet zum Beispiel noch vom Arbeitsplatz kennen. Und dann fragt er: Warum sollten die in einem Seniorenheim aufs Internet verzichten?