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Slawisten wehren sich gegen Kürzungen

Russisch dolmetschen in Heidelberg, bulgarische Sprachwissenschaften in Freiburg oder polnische Literatur in Tübingen. Noch kann man an fünf Universitäten in Baden-Württemberg Slawistik studieren. Wenn es nach dem baden-württembergischen Rechnungshof geht, soll damit bald Schluss sein: Denn die Fachbereiche seien nicht ausgelastet, es werde zu viel Geld für zu wenige Studenten ausgegeben.

    Die Freiburger Slawistik-Professorin Elisabeth Cheauré kritisiert, dass der Rechnungshof sich lediglich für die Anzahl der Studenten und der Lehrenden interessiert, und aus dieser Rechnung seine Schlüsse gezogen habe:

    Zum Beispiel wird davon ausgegangen, dass ein Lehrender, der polnisch unterrichtet, einfach den Tschechisch-Kurs mit übernimmt, wenn sein Kurs nicht voll ist. Oder dass Sprachkurse von Bulgarisch und Russisch zusammengelegt werden. Das ist das Berechnungsmodell wie der Rechnungshof evaluiert hat.

    Diese reine Erbsenzählerei hält auch der baden-württembergische Wissenschaftsminister Frankenberg für unbefriedigend.

    Priorität hat die Frage der Qualität und die frage möglicher Kooperationen. Ich denke, dass die Slawistik an einigen Standorten sehr klein ist, und man sich fragen muss, ob man nicht zur Konzentration, aber dann nicht zum Zwecke der Stelleneinspaarung wettbewerbsfähigere größere Einheiten schaffen kann.

    Ein großes Institut, wie der Rechnungshof es vorschlägt, lehnt Frankenberg ab. Schließlich sei die Vernetzung mit den Unis wichtig, da es viele Studenten gebe, die Slawistik als Nebenfach studieren. Konkrete Pläne für die Zukunft gibt es derzeit nicht:

    Wir werden jetzt diese Zahlen nehmen und eine Evaluierung durchführen mit einem externen Sachverständigen, der auch die Aspekte der Forschung einbezieht und die Aspekte zukünftigen Bedarfs. Denn wir müssen ja wissen, dass mit der Osterweiterung der europäischen Union wahrscheinlich die Nachfrage nach der Slawistik ansteigen müsste.

    Gute Kontakte mit den osteuropäischen Ländern werden im Vorfeld der EU-Erweiterung immer wichtiger. Bei den Freiburger Slawisten werden sie praktiziert. 70 Prozent der Studenten kommen aus dem Ausland. Viele aus Osteuropa, wie die Ukrainerin Vita Gapjuk. Sie hat in ihrer Heimat bereits Slawistik studiert und abgeschlossen. In Freiburg wirft sie jetzt einen Blick von außen auf die eigene Kultur.

    Ich möchte Hier promovieren. Ich bin froh, dass ich hier einen gesamten Überblick bekomme, mit objektiver Meinung von Westen und Osten und vor allem mit aktuellem Forschungsstand. Die Slawistik beschäftigt sich hier mit der Gender-Problematik. Das würde mich sehr interessieren.

    Ihre Kommilitonin Anna Burunova, eine Russin aus Estland, schätzt vor allem die Besuche osteuropäischer Gastdozenten in Freiburg

    Hier kann man wirklich die Wissenschaftler kennen lernen, die man eigentlich nur aus den Büchern kennt. Man kann sich wirklich ein bisschen austauschen, sich inspirieren lassen und dabei sehr viel lernen.

    Am kommenden Wochenende tauschen sich Slawisten aus acht Ländern über Geschlechterdifferenz und nationale Identität aus: "Vater Rhein und Mutter Wolga" heißt das Thema. Die interkulturellen Beiträge sollen Anregungen für weitere Forschungen liefern, sagt Elisabeth Cheauré:

    Es wird sichergestellt, dass Deutschland nicht weiter auf dem osteuropäischen Auge so blind bleibt oder noch blinder wird. Das gilt es zu verhindern.

    Die Schließung von Slawistik-Seminare in Baden-Württemberg sei gerade jetzt töricht, meint die Professorin. Und der Leiter des Freiburger Instituts Eckhard Weiher vermutet, dass hinter dem Wind gegen die Slawistik ein allgemeiner Trend in der Bundesrepublik steckt:

    Und zwar der, dass man sich nicht sonderlich für die östlichen Nachbarn interessiert. Es ist immer noch unterbewusst die Haltung vorhanden, es gäbe ein west-östliches Kulturgefälle. Dass die slawischen Seminare hier entgegenwirken und bestrebt sind ein ähnliches Ergebnis aufzubauen wie seinerzeit zu Frankreich, das ist eine der Hauptaufgaben der Slawistik.

    (Autorin: Birgit Schütte)