Archiv


Slow City Hersbruck

Hersbruck ist eine Kleinstadt in Mittelfranken und die erste in Deutschland, die 2001 das Prädikat "Slow City" bekam. Angelehnt ist das Wort an die italienische "Slow Food"- Bewegung, die sich gegen Fast Food und für eine nachhaltige Landwirtschaft einsetzt. Mit dem Prädikat "Slow City" hat die Vereinigung 1999 ihre Idee nun auf Städte übertragen, die damit auch hoffen, Touristen anzuziehen.

Von Kerstin Ewald |
    "Haben Sie etwas vergessen? Was wollen Sie denn, ein Pfund oder ein Kilo?
    Darf ich es reintun?

    Ja.

    1.20!

    Mei, denk ich grad noch dra!

    Glück! Dass ich grad noch da bin, ich hab fei schon zampacken wollen! Gell! - "

    Brigitte Wolf steht inmitten von Kohlrabi, Wirsing und Sellerie, zwischen Kisten von Äpfeln und Pflaumen. Fast alles hat sie auf ihrem eigenen Acker angebaut und geerntet. Mittwoch und Freitag steht sie immer auf dem idyllischen Marktplatz von Hersbruck, der ersten Stadt in Deutschland, die zur "Slow City" ernannt wurde.

    Italienische Bürgermeister haben dieses Netzwerk ins Leben gerufen, sie waren es auch, die Hersbruck 2001 feierlich in die mittlerweile internationale "Vereinigung der lebenswerten Städte" aufnahmen. Qualität aus direkter Vermarktung wie am Stand von Brigitte Wolf ist ein Bestandteil des Konzeptes: Hersbrucker Wirte haben sich verpflichtet, täglich Speisen aus heimischen Zutaten anzubieten, gefüllte Gurke etwa, "Nierle sauer" oder fränkische Karpfenspezialitäten. "Heimat auf dem Teller" heißt die Kampagne. Mit Kochkursen für "Miniköche" sollen schon Kinder für die regionale Küche begeistert werden.

    Mit Langsamkeit oder gar Stillstehen hat das "Slow City"-Programm für die Aktiven in der Bewegung wenig zu tun. Ottmar Fischer ist einer von ihnen und mit der Streuobstinitiative im Hersbrucker Landschaftsschutz aktiv:

    "Diese Lebensart, die hier propagiert wird, "Cittá Slow", das ist mein Lebensgefühl. Für mich bedeutet ja "Slow City" ja nicht, Engstirnigkeit, oder dass man sich zurückzieht, sondern, dass man tolerant und aufgeschlossen ist. Bewusstes Leben verstehe ich darunter. Und die Schönheiten, das Wertvolle in der eigenen Umgebung und die Hintergründe auch kennen und wie man das beeinflussen kann."

    Ihre Wurzeln hat die Idee der "Slow City" in der italienischen "Slow Food"-Bewegung: Leckeres Essen mit Zutaten aus der eigenen Region, bewusst genießen mit allen Sinnen statt Hektik und Hinunterschlingen dessen, was transnationale Multis servieren. Die "Slow City"-Bewegung baute den Gedanken aus zu einer Entwicklungsphilosophie für Kleinstädte, die landschaftlich reizvoll und auch für Touristen attraktiv sind. Das ist Hersbruck ohne Zweifel:

    "Hier diese Umgebung von Hersbruck ist eben von den Obstwiesen mitgeprägt. Und wir wollen den Leuten vermitteln, wie wertvoll das ist, den Erhalt dieser Wiesen. Und dann geht es uns auch um die Obstsorten, die alten Sorten wie graue Herbstrenette, Himbeerapfel, Weißes Seidenhemdchen, damit die nicht verschwinden. Und um das Lebensgefühl, dass eine Obstwiese zur Erholung sehr wichtig ist. "

    Herwig Danzer von der Schreinerei "Möbelmacher" versucht unermüdlich, Einheimischen und Gästen die Vorzüge von "Slow City" nahe zu bringen. Er ist auch Mitbegründer des "Initiativkreises Holz aus der Frankenalb". Diese hat sich zum Ziel gesetzt, den regionalen Wirtschaftskreislauf in der Holzwirtschaft anzukurbeln:

    "Anfangen tut es bei den Waldbauern. Dann kommen natürlich die Transporteure, dann der Entrinder, der die mobile Säge bringt und dann wird es zunächst bei uns gelagert, das Holz. Nach dem Lagern und der Trockenkammer wird es bei uns verarbeitet. Wenn dann dieses Möbel dann so alt ist, dass es wiederum tatsächlich in den Ofen kommt, dann war es auch in diesem Zusammenhang eine sehr sinnvolle Aktion."

    Dabei müssen auch in der Holzwirtschaft Naturschutz und rentables Wirtschaften keine Gegensätze bilden. Der Initiativkreis Holz hat auch durchsetzen können, dass das Hersbrucker Thermalbad ökologisch beheizt wird: Mit Hackschnitzeln aus Dünnhölzern heimischer Wälder. Holz dieser Kategorie verrottete früher am Waldboden, heute können die regionalen Waldbauern selbst dafür noch gutes Geld bekommen. Doch nicht alle sind zufrieden mit der Umsetzung der "Slow City"-Idee in Hersbruck. So sieht Heide Frobel vom Bund Naturschutz Verbesserungsbedarf zur weiteren Öffnung Konzeptes für die Arbeit von Basisgruppen:

    "Die Stadt selbst könnte in meinen Augen einfach mal die Leute zusammenholen und fragen, seid ihr bereit da mitzuziehen, wollt ihr das mitfördern das Konzept. Welchen Beitrag können wir leisten, was können wir zusammen machen, also das wäre nicht verkehrt. "

    Viele Hersbrucker Bürger und Bürgerinnen sind von Hersbrucks neuem Beinamen allerdings wenig beeindruckt. Vor allem Teenagern scheint der "Slow City"-Gedanke schwer zugänglich:

    "Davon habe ich leider gar nichts mitbekommen, ich weiß auch ehrlich gesagt gar net, was "Slow City" ist.

    Dass das, was Großstädte vielleicht haben, McDonalds oder große Autowaschstraßen, dass wir das nicht so haben. Wenn wir McDonalds und so etwas hätten, dann müsste ich nicht immer nach Nürnberg reinfahren.

    Der Begriff "Slow City" schreit nach Eigenwerbung irgendwo, um Touristen anzulocken, um das Bild von Hersbruck so festzuhalten als idyllische Kleinstadt. Der Begriff spricht eher Ältere an, Personen, die da Urlaub machen wollen."

    Was die Begeisterung der Jugendlichen angeht, könnte sich Hersbruck ja eventuell Rat bei anderen "Slow Cities" holen. In der niederländischen Stadt Gouda vielleicht oder dem Ort Katoomba in den australischen Blue Mountains. Immerhin gibt es weltweit schon an die 80 "Slow Cities".