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Smashing Pumpkins
Kein schräger Sound

Sie waren in den 90ern eine der wichtigsten US-Bands, haben Millionen Platten verkauft und lösten sich zur Jahrtausendwende auf: die Smashing Pumpkins. Jetzt hat die Band um Sänger und Songwriter Billy Corgan gleich zwei Alben fertig - mit Popsongs inklusive der grunge-typischen Laut-Leise-Dynamik.

Von Bernd Lechler | 13.12.2014
    Billy Corgan von der amerikanischen Band Smashing Pumpkins auf dem 38. Paleo Festival in Nyon, Schweiz, 24 Juli 2013.
    Billy Corgan von der amerikanischen Band Smashing Pumpkins. (picture alliance / dpa - Jean-Christophe Bott)
    "Das Interesse an Stars und Bands und großen Album-Momenten schwin¬det, und damit tun sich viele Künstler schwer. Es ist, wie wenn man jemandem hinterherläuft, der einen gar nicht will."
    Es ist seltsam, wie diese Songs krachen und wie nüchtern dage¬gen ihr Schöpfer über sein Tun sinniert. Er war ja schon eine eine Ikone, der bleiche Glatzkopf mit den schwarzen Klamotten und der gequetschten Stimme - und nun erzählt er, dass man's den Leuten recht machen muss?
    "Ich mache längst nicht mehr die Alben, die ich machen würde. Es ist wie bei John Wayne, über den ich grade ein Buch gelesen habe - großartiger Schauspieler, der irgendwann auf den Cowboy festgelegt war. Der Mann hätte auch Shakespeare spielen können, aber dabei hätt er sich sicher gedacht: Wird eh nicht funktionieren."
    Der Pumpinks-Sound
    Der klassische Pumpkins-Sound als unentrinnbares Diktat. Denn Fans, sagt Corgan, seien keine Bank: "Wenn die nicht kriegen, was sie wollen, halten sie eher andere von der Entdeckung ab."
    Diesmal kriegen sie, was sie wollen. Die grunge-typische Laut-Leise-Dynamik in punktgenauen Dreiminuten-Popsongs - und überhaupt jede Menge ganz unmodisch laute Gitarren.
    "Tiberius", der extrawuchtige Eröffnungstrack - wie alle Songs übrigens mit Tommy Lee von den 80er-Hairspray-Legenden Mötley Crüe am Schlagzeug, dessen Mix aus Energie und Eleganz Billy Corgan immer schon schätzt. Als Junge verliebte er sich in den Metal von Black Sabbath, weil deren Sound, wie er sagt, an den Knochen rüttelt. Hat er deshalb die Verstärker wieder aufgedreht: aus kindlicher Leidenschaft? Nein.
    "Heute ist das eher Impressionismus. Die Wucht an sich interessiert mich nicht mehr. Wenn ich einen Song wie 'Tiberius' mit seinem Dreivierteltakt auf dem Klavier spiele, klingt er für mich wie ein Seemannslied, gar nicht brutal. Der verzerrte Farbton ist ein Effekt - nicht Energie als Selbstzweck."
    Kühles Handwerk
    Kühles Handwerk statt wildem Ausbruch. Und sein Produzent Howard Willing sei dazu da, die Songs möglichst poppig auf den Punkt zu bringen. Mit schrägem Kram für die Nische habe er eh keine Chance. Corgan sieht darin keinen Kompromiss, sondern Subversion: Man muss die Konkurrenz mit ihren eigenen Mitteln schlagen. Und ohnehin ja: simple sein.
    "Nimm 'Won't Get Fooled Again' von The Who, das kapierst du beim ersten Hören sofort, da muss niemand mit Zeichensprache daneben sitzen! Der Unterschied ist: Seit fünf, sechs Jahren dominiert eine ganz bestimmte Art von Pop. Große Wuh-wuh-Refrains, Gitarren nur am Rand, der Gesang ganz zentral - kaum Musik, sehr wenige Nebenmelodien. Wenn ich also nicht diese Sorte Songs schreiben will, dann muss ich nicht nur den Vergleich aushalten, ich muss sie schlagen."
    90er und Corgans Glaubwürdigkeit
    So seltsam distanziert Billy Corgan klingt - "Monuments To An Elegy" enthält seine besten Songs seit Langem. Brauchen sie nur noch ein großes Publikum. Vermisst er die 90er? Gar nicht, sagt er. Damals habe er doch ständig seine credibility, seine Glaubwürdigkeit verteidigen müssen.
    "Dabei hatte ich es ohne Musikausbildung aus dem Nichts zu einer Weltklasseband gebracht! Muss Cristiano Ronaldo seine Glaubwürdigkeit verteidigen? Nein er muss halt Tore schießen! Es gab also in den 90ern einen anderen Druck als heute. Stell dir vor, wie's den Kids geht, die mit 16 einen YouTube-Hit landen und dann wieder in die Anonymität geworfen werden. Der digitale Abstieg trifft einen viel härter als die One-Hit-Wonders früher. Kein Grund zur Nostalgie. Wir sind Musiker, und ob nun ein König herrscht oder marschierende Horden oder wir in der Wüste für unser Abendessen spielen müssen: Wir machen mit, was der Planet vorgibt."