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"So viele Menschen haben sich selten mit den Muslimen im Lande solidarisiert"

Armin Laschet (CDU), der nordrhein-westfälische Integrationsminister, glaubt, dass die Vereinigung "pro Köln", die heute in der Domstadt einen "Anti-Islamisierungskongress" abhält, sich selbst als rechtsradikale Vereinigung entlarvt hat. Ganz Köln sei - trotz aller demokratischen Differenzen über den Bau einer Großmoschee in der Domstadt - solidarisch auf der Seite der islamischen Mitbürger.

Armin Laschet im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Jürgen Zurheide: Die Organisatoren des Anti-Islamisierungskongresses in Köln, die haben gestern ihre Ziele weitgehend nicht erreicht. Sie konnten sich kaum irgendwo treffen und als sie dann auf einem Boot waren, kamen sie nicht mehr an Land. Und als sie an Land waren, fanden sie kein Taxi, um da hinzukommen, wo sie möglicherweise hinwollten. Aber sie wussten auch nicht ganz genau, wohin, denn eigentlich war die ganze Stadt mehr oder weniger gesperrt, überall gab es Gegendemonstrationen. Über dieses Thema wollen wir reden und dazu begrüße ich jetzt am Telefon Armin Laschet, den Integrationsminister aus Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen, Herr Laschet.

    Armin Laschet: Guten Morgen, Herr Zurheide.

    Zurheide: Zunächst mal zum Begriff: Anti-Islamisierungskonferenz steht da überall drüber. Ist dieser Begriff eigentlich zutreffend oder, soweit Sie das beurteilen, ist das nicht mehr eine Anti-Islamkonferenz?

    Laschet: Es ist sicher eine Anti-Islamkonferenz, es ist eine Konferenz, wo man das Thema Islam, Religion, auch religiöse Gefühle von Menschen zum Anlass nimmt, um sich zu versammeln, um Rechtsradikale aus ganz Europa einzuladen und daraus ein Politikum zu machen. Und so wie das Ganze angelegt ist mit den Rednern, mit Fahrten in unterschiedliche Kölner Stadtteile, um sich Orte des Islam anzuschauen, wie man es genannt hat, da wird schon die Absicht klar, dass es hier um eine Konferenz gegen den Islam als Ganzes geht.

    Zurheide: Sie haben gestern mitdemonstriert. Sie sind an der Moschee, an der existierenden Moschee gewesen, die ja abgerissen und dann neugebaut werden soll. Sie haben sich in die Menschenkette dort eingereiht und Sie haben auch gerade gesagt, es gab dann eben keinen Besuch. Was war das aus Ihrer Sicht, dieses Symbol, dass man die Moschee geschützt hat?

    Laschet: Also, es gab an unterschiedlichen Orten in Köln gestern sehr friedliche Demonstrationen und ich hatte den Eindruck, die Organisatoren des Anti-Islamisierungskongresses haben das Gegenteil von dem erreicht, was sie eigentlich vorhatten, denn so viele Menschen haben sich selten mit den Muslimen im Lande solidarisiert, wie das gestern passiert ist und wie das wahrscheinlich heute noch einmal geschehen wird. Denn nach all dem Streit auch um die Kölner Moschee, und da gib es sicher auch manches Pro und Kontra, sind sich aber eigentlich alle Fraktionen im Rat der Stadt Köln einig. Wir wollen hier in Köln intern über manches streiten, aber wir wollen nicht, dass auf dem Rücken von Muslimen mit deren Gefühlen Rechtsradikale Politik in dieser Stadt machen. Und das ist gestern sehr eindrucksvoll gelungen, das zu zeigen. Das geht von vielen Aktionen über die Kneipenwirte, die den Spruch haben "kein Kölsch für Nazis", bis hin zu anderen friedlichen Aktionen, wo eine ganze Stadt sich dagegen wehrt, dass sie zum Treffpunkt der Rechtsradikalen wird.

    Zurheide: Jetzt machen die Rechten natürlich geltend und sagen: "Wir sind ein freies Land und wenn man hier nicht mehr zusammenkommen kann, dann fühlt man sich an China oder an Weißrussland erinnert." Was antworten Sie denen?

    Laschet: Man darf ja zusammenkommen. Die Stadt Köln hat die Veranstaltungen ja nicht verboten. "Pro Köln" ist eine Ratsfraktion, konnte auch städtische Räume nutzen, aber dass Menschen dann sagen: "Wir machen auch von unserem Demonstrationsrecht Gebrauch", heute möglicherweise 40.000, die auf dem Weg durch die Kölner Innenstadt sind, das ist auch ein demokratisches Mittel. Es muss nur dabei bleiben, es muss friedlich zugehen. Und deshalb ist die große Hoffnung auch am heutigen Tage, dass nicht jetzt Linksradikale oder Autonome aus allen Teilen der Republik anreisen und nun daraus eine gewaltsame Veranstaltung machen, aus diesem Anti-Naziprotest. Es muss friedlich bleiben. Das ist glaube ich dann das größte Signal, das man in einer Demokratie geben kann.

    Zurheide: Jetzt haben Sie gerade schon die Debatte um die Moschee selbst angesprochen. In der Tat gibt es ja Besorgnis im Stadtviertel und auch anderswo. Wie kann und darf und muss sich das denn artikulieren, ohne dass es rechtsradikal wirkt?

    Laschet: Also, aus meiner Sicht darf sich das artikulieren. Man darf sagen "Der Bau erscheint mir zu groß", man darf sagen "Vom Stadtbild finde ich die Minarette zu hoch oder zu niedrig". Ich bin da anderer Meinung. Aber eine solche Debatte darf stattfinden und die ist ja auch in Köln seit Monaten geführt worden, sehr öffentlich, in den örtlichen Medien, in den Zeitungen, mit Experten von innen und außen, die nach Köln gekommen sind. Man hat viel über Integration gesprochen, man hat darüber gesprochen, was wird eigentlich in der Moschee vermittelt, welche Inhalte, welcher Charakter ist der Bauherr, der diese Moschee geschaffen hat? Alles das hat stattgefunden, im Kölner Rat hat es eine Abstimmung gegeben, wo ja beispielsweise die CDU-Fraktion dagegen gestimmt hat, aber dann war die Debatte auch beendet. Das ist alles, denke ich, legitim, aber nicht legitim ist es, wenn nun auf den Gefühlen der Muslime, auf dem Gefühl einer Religionsgemeinschaft ein solcher Hetzkongress stattfindet und da sind sich eigentlich alle Kölner einig.

    Zurheide: Jetzt haben Sie gerade schon das Abstimmungsverhalten Ihrer CDU in Köln angesprochen. Da gibt es ja manche, und die "pro Köln"-Organisation gehört dazu, die sagt: "Die haben nur deshalb dagegen gestimmt, weil die praktisch unsere Argumente, also die rechten Argumente, übernommen haben." Stimmt das?

    Laschet: Nein, das stimmt nicht. Also, wer die Debatte in Köln und auch in ganz Deutschland ja verfolgt hat, weiß, man braucht nicht "pro Köln", um differenziert oder undifferenziert über den Islam zu sprechen, zu streiten. Das gehört zur Demokratie, das hat immer schon stattgefunden und auch in der Kölner CDU gibt es ja auch unterschiedliche Auffassungen. Der Oberbürgermeister beispielsweise ist für den Moscheebau, die Ratsfraktion war etwas anderer Meinung. Die Debatten gingen seit Jahren, die ist in einer ganz normalen demokratischen Ratsentscheidung auch entschieden worden und da hätte es nicht "pro Köln" bedurft, um einen solchen auch unterschiedlichen Disput in der Demokratie deutlich zu machen.

    Zurheide: Dann gibt es ja auch immer wieder Hinweise oder kritische Fragen, ob der Integrationswille der anderen Seite, wenn ich das so bezeichnen darf, ausreichend ist. Kann man das in einem solchen Zusammenhang diskutieren, ohne in die rechte Ecke zu kommen?

    Laschet: Das kann man. Wenn es eine Moschee wäre, die sich abkapselt, wenn in dieser Moschee Hasspredigten die Praxis wären, wenn die Akteure, die eine Moschee beantragen, eigentlich alles andere als Integration wollen, dann wäre ich auch der Meinung, dass man dann sagen muss: "Nein". Gegen diese Moschee, auch an diesem Standort, kann man eintreten. Aber hier war es anders. Der Bauherr ist Ditib, eine Organisation, die ganz eng Islam und Grundgesetz miteinander vereinbart. Wenn Sie in die jetzige Moschee hineingehen, sehen Sie als Erstes ein Bild des Bundespräsidenten, also ein eindeutiges Bekenntnis auch zu unserem Land. Man macht dort Integrationskurse, man macht Deutschkurse, man hat viele Angebote für Jugendliche und eine solche Institution hat das Recht, ein anspruchsvolleres Gebäude zu haben, als sie es heute haben. Sie haben den Kirchenbauarchitekten des Erzbistum Köln als Architekten genommen. Also, ich glaube, alles das zeigt, man will in diesem Land bleiben, man will Teil dieser Gesellschaft sein und man will sich öffnen. Und wenn so jemand dann sagt: "Ich beantrage ein schöneres Gotteshaus als heute", dann sollten gerade auch Christen und viele andere sagen: "Dieses steht euch auch zu."

    Zurheide: Wie bewerten Sie denn die Mobilisierung in der Stadt, das was jetzt passiert? Ist das für Sie ein Erfolg, jetzt schon und heute schon?

    Laschet: Also, ich glaube, wenn heute alles friedlich abläuft, was nun alle hoffen, dann wird das zwei Effekte haben: Zum einen wird "pro Köln" entlarvt sein. Sie sind bürgerlich aufgetreten und haben am Anfang den Anspruch gehabt: "Wir sind einfach eine Bürgerbewegung, die sich artikuliert." Seit heute weiß jemand, Nein, es ist keine Bürgerbewegung, sondern es ist ein Treffpunkt von Rechtsradikalen, was der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen schon lange sagt. Wer Le Pen, wer den Flamsbock aus Belgien und andere als Partner hat, hat seine Gesinnung offenbart und das ist noch nie so deutlich geworden wie in diesen Tagen. Und das Zweite: Die Kölner selbst haben in nie gekannter Breite, über Gewerkschaften, über alle Parteien hinweg, über viele kulturelle Initiativen gezeigt:" Wir lassen uns den Ruf unserer Stadt, die eine multikulturelle Stadt ist, nicht durch "pro Köln" verderben." Und ich habe den Eindruck, dass ab Montag mancher diese "pro Köln"-, "pro NRW"-Bewegungen, die es ja auch in anderen Städten gibt, viel kritischer betrachten wird, als das noch vor diesem Wochenende der Fall war.

    Zurheide: Dankeschön. Das war Armin Laschet, der nordrhein-westfälische Integrationsminister im Deutschlandfunk um 6:58 Uhr. Dankeschön.