Meurer: Eigentlich haben die Kohls ihr Privatleben ja immer ziemlich abgeschottet. Wie erklären Sie es sich, dass Peter Kohl jetzt so kurz nach dem Selbstmord seiner Mutter dieses Buch geschrieben hat?
Wiedemeyer: Das hat mich auch sehr überrascht und ich könnte mir sehr gut vorstellen, so wie ich Hannelore Kohl kannte, ihr war oder ist das überhaupt nicht recht.
Meurer: Wäre es ihr auch nicht rechtgewesen, dass ihr Abschiedbrief an ihren Mann, an die Familie, in diesem Buch abgedruckt wird?
Wiedemeyer: Ich glaube auf gar keinen Fall. Sie war eigentlich sehr öffentlichkeitsscheu, von Anfang an. In ihrer Zeit als Frau eines Ministerpräsidenten und später Kanzlers hat sie nie die Öffentlichkeit gesucht sondern vielmehr gescheut.
Meurer: Wieso tut Peter Kohl das, wieso schreibt der jüngere Sohn dieses Buch?
Wiedemeyer: Also sein Motiv, ja. Es ist sozusagen eine posthume Zuneigungserklärung eines Mannes, der seine Mutter sehr geliebt hat. Sie war ja auch in besonderer Weise bemüht um ihre beiden Söhne, besonders um den jüngeren, der jetzt das Buch geschrieben hat, der in den ersten Lebensjahren gesundheitliche Probleme hatte. Die Söhne haben, wie es auch der Ehemann von Hannelore Kohl miterleben musste, wie die Mutter von Monat zu Monat mehr gelitten hat und das hat natürlich wahnsinnig beeindruckt. Der schildert jetzt, der Peter, der der Buch geschrieben hat, wie schlimm diese Krankheit ist, unter der die geliebte Mutter litt. Das mitzuerleben war wirklich für die Angehörigen sehr sehr traurig. Hannelore Kohl hat ja versucht, das herunterzuspielen, aber es war immer unübersehbarer, auch wenn sie bis zuletzt noch versucht hat, am Leben, im kleinen Familienkreis zumindest, teilzuhaben. Sie hat ja einige Zeit, also ein paar Tage vor ihrem Tod noch ist sie in Deidelsheim gesichtet worden, in einem Stammlokal der Kohls in der Pfalz, mit der Familie, aber natürlich ganz in der hintersten Ecke, wo es dunkel war. Zum Motiv möchte ich sagen, mit einem Wort, das Andenken der Mutter aufrecht zu erhalten und gleichzeitig mit ein paar richtigstellenden Anmerkungen an die Öffentlichkeit zu treten, das war wohl das Motiv. Also ein Stück Trauerarbeit, aber auch das Bemühen, das möchte ich noch mal sagen, den Unsinn, wie er in dem zweiten Buch, das erschienen ist, von einer Engländerin verfasst, entgegenzuwirken.
Meurer: Mit diesem Unsinn vermute ich mal, Herr Wiedemeyer, in dem zweiten Buch von Patricia Clough, meinen Sie die Behauptung, dass der Vater von Hannelore Kohl ein Nazi gewesen sei und entsprechend auch die Erziehung von Hannelore Kohl ausgefallen sei. Halten Sie das für blühenden Unsinn?
Wiedemeyer: Das halte ich für blühenden Unsinn und ich bin empört, dass eine Kollegin, sie ist ja eine Kollegin von mir und von uns, so etwas schreibt. Die Dame hat, bevor sie das Buch schrieb, bei mir angefragt, ich habe es aber nach ein paar Sätzen, die wir miteinander gewechselt haben abgelehnt, mich zu äußern zum Thema Helmut und Hannelore Kohl. Sie wollte den Vater, von Anfang an war das ihr Thema, ihre These, wollte den Vater von Hannelore Kohl ins Zwielicht setzen und hat das ja auch getan. Sie wollte auf eine NS-Vergangenheit des Vaters Renner zurück, Renner ist der Mädchenname von Hannelore Kohl. Er ist in Wahrheit der Erfinder, ein Miterfinder der Panzerfaust, also ein hochkarätiger Ingenieur gewesen, der natürlich in der Kriegszeit von dem deutschen Reich veranlasst wurde, für die Rüstung zu arbeiten, genauso wie ein Soldat einberufen wurde, so wurde ein hochkarätiger Ingenieur natürlich von der Reichsregierung, von den Nazis, sozusagen gekidnappt.
Meurer: Und der Vater war kein Nazi, meinen Sie?
Wiedemeyer: Nein, absolut nicht. Das ist eine Behauptung, die ist aus der Luft gegriffen, das entspricht nicht der Tatsache.
Meurer: Wie geht es eigentlich Helmut Kohl im Moment?
Wiedemeyer: Es geht ihm den Umständen entsprechend, hätte ich fast gesagt, um diese Phrase zu benutzen. Er versucht jetzt, in der Politik wieder etwas Fuß zu fassen und versucht, den Schmerz zu überwinden. Es hat ihn sehr getroffen, es ist ihm immer noch anzumerken, dass der Verlust seiner Frau ihm sehr sehr nahe gegangen ist.
Meurer: Hat es ihn auch sehr getroffen , dass behauptet wurde, dass er quasi mit schuld war am Freitod, weil er seine Frau alleine gelassen habe?
Wiedemeyer: Helmut Kohl ist es ja von Beginn seiner politischen Karriere gewöhnt, verleumdet zu werden. Und das, finde ich, ist absolut eine Verleumdung. Wissen Sie, wir kennen doch das Leben der Politiker, wir Journalisten gehören ja auch in gewisser Weise dazu; diese Berufe sind familienfeindlich. Er hat natürlich nicht jeden Tag seiner Frau Zuspruch geben können, war nicht jeden Tag in Oggersheim, er war ja noch Bundestagsabgeordneter, hatte mit der Affäre zu tun. Also er war nicht ständig präsent, aber er hat alles getan, jede freie Minute geopfert. Der ist bis weit nach Amerika hingereist und hat versucht, Spezialisten aus der Deckung zu rufen und zu veranlassen, nach Deutschland zu kommen und seine Frau zu untersuchen, also er hat alles getan, was in seiner Kraft stand, aber er hat und hatte natürlich noch einen "Nebenberuf".
Meurer: Der Publizist Wolfgang Wiedemeyer bei uns im Deutschlandfunk über die beiden Bücher und Biographien über Hannelore Kohl, die heute auf dem Markt erscheinen. Herr Wiedemeyer, danke und auf Wiederhören.
Wiedemeyer: Wiederhören.