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So wirken soziale Medien auf Jugendliche
Lieber texten statt treffen

Whatsapp, Instagram oder Snapchat - darüber kommunizieren Jugendliche. Was macht das mit ihren Beziehungen, ihrem Selbstwertgefühl oder der Lernbereitschaft? Wissenschaftler aus aller Welt gehen diesen Fragen nach. Und raten Eltern und Lehrern dringend, genau hinzuschauen.

Von Hilde Weeg | 13.06.2019
Gruppe Schüler sitzt auf einer Treppe und kommuniziert mit Tablet-PCs und Smartphones | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer. | dpa / picture alliance / imageBROKER
Laut Kinder-Medien-Studie von 2018 besitzen rund 92Prozent der 13-jährigen Kinder in Deutschland ein Smartphone (imageBROKER)
Rund 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, den USA, Korea und China haben sich im Leibnizhaus Hannover versammelt. Was sie umtreibt: "Wie junge Menschen lernen, mit sich selbst umzugehen, wie sie sich selbst akzeptieren."
So der Gastgeber und Leiter des Instituts für Erziehungswissenschaften der Universität Hannover, Boris Zizek. Natürlich spiele das familiäre Umfeld und die konkreten sozialen Erfahrungen eine große Rolle. Aber der Einfluss der digitalen Kommunikation wachse stark an. Und da lohne es sich, genauer hinzuschauen. Nicht nur auf Fotos oder Videos, sondern auf die Botschaften insgesamt – die täglich und tausendfach per Whatsapp, SMS oder auf jedem anderen Kanal versandt werden.
"Die Form der Interaktion, die werden schon als normal hingenommen und dass nochmal fremd zu machen und zu fragen, ist es das, was wir wollen? Ich denke, das ist sinnvoll, dass wir hier nochmal drauf schauen."
Optimieren und kontrollieren
Text, Emoji oder Foto werden unter dem Begriff Texting gefasst. Ein entscheidender Unterschied zur realen Welt: Jede und jeder kann sich selbst optimieren und kontrollieren. Das klappt im direkten Kontakt nicht so gut, deshalb ziehen es manche Jugendliche sogar vor, lieber eine Nachricht zu posten, als sich zu treffen:
"Im Gespräch sagt man Dinge, die einem vielleicht nicht gefallen. Aber man lernt, sie als ein Teil von sich zu akzeptieren. Und wenn ich die Möglichkeit habe, solche Situationen zu umgehen, begegne ich mir auf eine ganz andere Art und Weise und lerne nicht mehr damit, eine soziale Dickhäutigkeit zu entwickeln, die für soziale Beziehungen, vor allem für solche, die lange dauern und wo man etwas durchstehen muss gemeinsam, wichtig ist."
Und wie verändern die digitalen Medien den das Lernen? Lernen Kinder schlechter oder nur anders, wenn sie in digitalen und analogen Welten unterwegs sind?
"Man braucht beides. Es ist heute wichtig, diese radarförmige Aufmerksamkeitsstruktur auszubilden, aber es ist immer noch wichtig, sich mit Etwas länger auseinander zu setzen. Und das ist wichtig, dass wir uns nicht verunsichern lassen von dem mächtigen Eindruck dieser Tendenz, der sich manche Lehrer auch hilflos gegenüber sehen."
Lehrer brauchen mehr Kompetenz
Wie wichtig Freundschaften für Jugendliche sind, das haben die Schweizer Forscher Fritz Olser und Horst Biedermann untersucht.
"Viele Studien zeigen, dass dort, wo Freundschaften fehlen, aber man gerne Freundschaft hätte, dass das zu Unsicherheiten führt, zu Krankheiten, oder zu Addiction, Gaming, oder zur Depressivität sogar oder Lebenssinnverlust und so weiter."
Lehrende bekommen von den virtuellen und digitalen Nöten ihrer Schüler noch weniger mit, als von den realen. Das wollen Olser und Biedermann verändern. Neben Didaktik solle man viel stärker auch andere Fähigkeiten trainieren, die Bedeutung von Vertrauen und Partizipationsmöglichkeiten etwa:
"Die Unterstützung, das Herausnehmen vom Alleinsein, das Verhindern von Cybermobbing – all das sind große erzieherische Aufgaben. Und wenn Lehrpersonen diese Kompetenzen haben, dann ist das wirklich eine gute Geschichte."
Probleme gleichen sich weltweit
Katie Davis, Entwicklungspsychologin an der University of Washington in Seattle und Co-Autorin des Harvard-Werkes "App-Generation" kennt die Herausforderungen durch die digitale Entwicklung an Schulen aus eigener Erfahrung:
"Es ist eine große Herausforderung, es verändert sich schnell und das ist hart im Schulkontext, denn Schulen bewegen sich nur langsam. Und jede Schule hat ihre eigenen Herausforderungen – das ist sehr hart."
Davis entwickelt auch Apps, die im Unterricht helfen können, um Jugendliche zu eigenverantwortlicheren und selbstbewussteren Nutzern zu machen.
In den Diskussionen auf der Konferenz wird deutlich, dass sich die Probleme weltweit gleichen: Ob Spielsucht, problematisches Konsumverhalten oder Fragen der Identität. Der Schweizer Horst Biedermann:
"Gerade auf der Ebene der Einstellungen von jungen Menschen, Überzeugungen von jungen Menschen, muss man sehr, sehr vorsichtig sein, weil kulturelle Faktoren sehr stark hineinspielen. Die Probleme aber sind dieselben, die haben wir global."