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Social Media
Hyperlokaler Journalismus per Smartphone

Soziale Netzwerke verändern den Journalismus. Auf der dritten Social Media Week in Hamburg trafen sich 3.000 Medienprofis, diskutierten über moderne Medien, lokale Berichterstattung und warfen einen Blick in die Zukunft.

Von Axel Schröder | 22.02.2014
    Die journalistischen Möglichkeiten von sozialen Netzwerken, von Twitter, von Facebook, der eigenen, gut verlinkten Internetseite nutzt Isabella David seit 2012. Zusammen mit Dominik Brück entwickelte sie "Hamburg Mittendrin", heute eines der erfolgreichsten Beispiele für sogenannten Hyperlokal-Journalismus. Das Nachrichtenportal liefert Neuigkeiten aus dem Bezirk Hamburg-Mitte. Und das funktioniert eben ganz ohne einen riesigen Apparat im Hintergrund, ohne sündhaft teure Highend-Ausstattung, erklärt Chefredakteurin und Politik-Studentin Isabella David am Rande der Social Media Week auf dem Gelände des NDR:
    "An manchen Tagen, gerade, wenn wir über Demos berichten, dann reicht für unsere Redakteure, die draußen sind, auf jeden Fall ein Smartphone. Aber – das darf man wirklich nicht vergessen – gerade wenn wir Liveticker machen, natürlich, um Informationen in die Redaktion zu schicken. Da muss schon jemand am PC sitzen. Außer, wir machen einen reinen Twitter-Liveticker – dann kommen alle Informationen wirklich nur übers Smartphone."
    30 Hyperlokal-Journalisten sind für "Hamburg-Mittendrin" unterwegs, 15 von ihnen regelmäßig. Die meisten studieren noch, absolvieren Praktika, um dazu zu lernen, professioneller zu werden. 4.000 Twitter-Follower hat Hamburg-Mittendrin schon. Reich wird das Team durch ihre Arbeit für Mittendrin aber nicht.
    "Wir zahlen Honorare. Dadurch, dass wir jetzt schon lange mit der taz zum Beispiel kooperieren. Auch andere Kooperationspartner haben werden – ohne zuviel zu verraten… Darüber verdienen wir natürlich Geld. Kurbeln jetzt auch ganz klassisch Werbeeinnahmen an. Und wir haben ja ähnlich auch dem taz-Modell so ein Soli-Abo-Prinzip bei uns, was die Leute auch rege nutzen und uns quasi dann auch wie eine Tageszeitung kaufen. Auch wenn wir keine Pay-Wall haben, sehen sie ein, dass sie uns häufig lesen nutzen und finden uns gut und überweisen dafür dann auch was."
    Für eine kurze Meldung bekommen Mittendrin-Autoren drei Euro, ein ganzer Artikel bringt 15 bis 20 Euro, bei längeren, aufwendigeren Stücken ist das Honorar Verhandlungssache. Wichtig, so Chefredakteurin Isabella David, ist für "Hamburg-Mittendrin" die Rückkopplung mit dem Publikum. Via Twitter oder Facebook können sie sich beteiligen und neue Anregungen liefern. Oder sie nutzen die neue Smartphone-App "Call a Journalist". Als Anfang Januar weite Teile Hamburgs vorübergehend zu Gefahrengebieten erklärt wurden und eine Demonstration der nächsten folgte, waren die Mittendrin-Reporter dadurch sehr schnell dort, wo es Auseinandersetzungen gab, über die berichtet werden konnte. – Fiete Stegers, beim NDR zuständig für Netzwelt-Themen, berichtete auf der Social Media Week über die Notwendigkeit dieses "Open-Journalism", der Kanäle für die Zuschauer, die Leser- und Hörerschaft bereithält:
    "Um es auf eine einfache Formel zu bringen: Es gibt immer Leute, die mehr wissen als Journalisten da draußen. Und das kann in vielen Fällen sinnvoll sein, indem sie einfach einen auf Fehler oder andere Aspekte aufmerksam machen, die man selber vielleicht noch nicht bemerkt hat. Ob man die dann immer in der weiteren Berichterstattung verwendet oder ob man feststellt 'Das scheinen hier sehr interessengeleitete Kommentare zu sein, die da kommen' ist eine andere Frage. Aber so gar nicht ansprechbar zu sein, das ist schon etwas, was negative Auswirkungen haben kann."
    Positiv auswirken kann sich der Rückkanal zum Beispiel dann, wenn das Publikum auf Fehler oder Probleme in gerade laufenden Sendungen hinweisen. Etwa auf Behauptungen einzelner Gesprächspartner einer Talkrunde oder auf einen allzu parteiischen Moderator. Vielleicht hätte mehr "Open Journalism" ja auch Markus Lanz vor dem letzten großen Shitstorm bewahren können.